Vorwort zur zweiten Auflage

[8] Ein Buch wie das »Thierleben«, welches eine übereinstimmend günstige Beurtheilung erfahren und eine allgemeine Verbreitung gefunden hat, von allen Lehrern mit Freude und Dank begrüßt, von allen Lernenden mit Vergnügen und Nutzen gelesen, auch in die Sprachen fast aller gebildeten Völker übertragen worden ist, legt seinen Verfassern die zwingende Verpflichtung auf, jede neu erscheinende Auflage der sorgfältigsten Umarbeitung zu unterziehen. Dieser Verpflichtung, ohne irgend welche Rücksicht auf den Inhalt der ersten Auflage, nachzukommen, habe ich mich nach besten Kräften bestrebt; sie ist ebenso von meinen Herren Mitarbeitern bedingungslos anerkannt und erfüllt worden; sämmtliche mitwirkenden Künstler haben dieselben Grundsätze befolgt; die Verlagshandlung hat allen Wünschen Rechnung getragen, überhaupt keine Opfer gescheut, um die gestellte Aufgabe zu ermöglichen; viele Freunde des Werkes endlich haben es sich angelegen sein lassen, dasselbe durch werthvolle Beiträge zu sördern. Das »Thierleben« erscheint, dank solchem Zusammenwirken, in durchaus veränderter Gestalt, berichtigt, verbessert, bereichert und vervollständigt nach allen Richtungen hin: ein neues Buch unter altem Titel. Sein Gepräge aber haben wir nicht verwischen, seine Eigenschaft als volksthümliches Werk ihm nicht rauben wollen.

Nach wie vor soll das »Thierleben« bestimmt sein, in gebildeten Familien sich einzubürgern und zu einem Hausschatze im besten Sinne des Wortes zu werden. Für streng wissenschaftliche Kreise ist es nicht geschrieben, für unreife Kinder ebensowenig; gleichwohl dürften jene auch in dem volksthümlichen Buche manches Beachtenswerthe finden, und werden diese, durch Vermittelung Erwachsener, seinen Inhalt sich erschließen können.

Von diesen und den früher erörterten Gesichtspunkten aus wolle man auch die neue Auflage betrachten. Das »Thierleben« hat, meiner Ansicht nach, selbst eine strengere Beurtheilung nicht zu fürchten. Wer in ihm sucht, was er, nach Titel und Anlage, zu finden berechtigt ist, wird sich nicht getäuscht sehen; wer sich des Titels stets erinnert, das nicht suchen, was er nicht finden kann. Mängel und Irrthümer haften erklärlicherweise wohl auch dieser Auflage an; sie hervorzuheben und zu berichtigen, damit sie später vermieden werden können, möge die dankenswerthe Aufgabe des Lesers sein. Eine sachgemäße und wohlwollende Beurtheilung wird mich stets zu warmem Danke verpflichten, eine von Mißgunst oder vom Parteistandpunkte beeinflußte, böswillige Bemängelung auch fernerhin unnahbar finden.

Berlin.

A. E. Brehm.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Erster Band, Erste Abtheilung: Säugethiere, Erster Band: Affen und Halbaffen, Flatterthiere, Raubthiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. I1,IX9.
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