Katzenhai (Scyllium catulus)

[375] Zu den Hundshaien im engeren Sinne (Scyllium), bei denen die erste Rückenflosse zwischen Bauch- und Afterflosse, die zweite zwischen After- und Schwanzflosse steht, zählen zwei in den europäischen Meeren weit verbreitete und häufige, einander sehr ähnliche Fische: der Hundshai [375] und der Katzenhai. Ersterer (Scyllium canicula, Squalius canicula) erreicht eine Länge von funfzig, höchstens siebzig Centimeter und ist oben auf röthlichem Grunde mit vielen kleinen braunen Flecken gezeichnet, unten weiß; letzterer (Scyllium catulus und stellare, Squalus catulus und stellaris) erreicht eine Länge von einem Meter und unterscheidet sich außerdem von jenem durch die bedeutend größeren und spärlicheren Flecke. In der Lebensweise kommen sich die beiden Arten gleich.


Katzenhai (Scyllium catulus). 1/4 natürl. Größe.
Katzenhai (Scyllium catulus). 1/4 natürl. Größe.

Sie bewohnen die Meere des warmen und gemäßigten Gürtels, in der Nähe Europas hauptsächlich das Mittelländische Meer, ohne jedoch im Atlantischen Weltmeere oder in der Nordsee zu fehlen, halten sich in mäßigen Tiefen, gewöhnlich nahe dem Grunde auf und fallen hier alle Fische an, welche sie verschlucken können, nähren sich nebenbei auch von Krebsen und vielleicht Weichthieren verschiedener Art. Der eine wie der andere gehören zu den schlimmsten Feinden der Häringe, folgen deren Zügen und vermehren sich da, wo jene regelmäßig sich einfinden, bald außerordentlich, den Fischern zum Schaden und Aerger. Denn nicht nur, daß sie diesen Fang beeinträchtigen, zerreißen sie auch, entweder mit den Zähnen oder durch ihr ungestümes Gebaren, viele Netze. Wenn sie auf Zughäringe stoßen, sollen sie so viele verschlucken, bis sie nicht mehr können, sodann sich erbrechen, von neuem zu fressen beginnen und in dieser Weise, bald den Wanst leerend, bald wieder füllend, lange fortfahren. Wenn viele Hundshaie, [376] mit dem Fange der Häringe beschäftigt, um die Netze schwärmen, verbreitet sich auf weithin ein deutlich wahrnehmbarer Thrangeruch; die Oberfläche des Wassers glättet sich und glänzt, als wäre sie mit Oel überzogen. Gegen die dreißiger Jahre hin hatten sie sich im Aermelmeere derartig vermehrt, daß die Fischer ihrer kaum Herr werden konnten. Im Oktober 1827 begaben sich einige Fischer nach einer kleinen Sandbank, etwa vier Seemeilen östlich von Hastings und zwei Seemeilen vom Ufer gelegen, um Kabeljaus zu fangen. Es wurden von ihnen ungefähr viertausend Angeln und Grundhaken ausgelegt und diese etwa nach einer halben Stunde untersucht: fast an jedem Angelhaken hing anstatt des erwünschten Kabeljaues ein Hundshai. Einer von jenen hatte sich allerdings auch gefangen; man fand von ihm aber nur noch den Kopf und einen Theil der Wirbelsäule vor: das übrige hatten die Haie gefressen. Von den gefangenen Fischen dieser Art war keiner beschädigt, woraus also hervorzugehen scheint, daß ein Hundshai den anderen verschont.

Die Fortpflanzungszeit beginnt im Herbste, dauert aber, wie es scheint, während des ganzen Winters fort. Untersucht man ältere Weibchen um diese Zeit, so findet man in den Eierstöcken und Eileitern Eier in den verschiedenen Zuständen der Entwickelung, gewöhnlich je zwei sich gleichend, die am weitesten entwickelten gegen den Ausgang der Eileiter. Die Eier selbst, unter den Namen Seeweibs-, Schiffers- und Seebeutel oder Seemäuse bekannt, sind, wie Geßner sagt, »einer schalechten art, hart, durchscheinend als Horn, auch an der Farb, in welchem eine Feuchte gesehen wirt, gleich einem Ey, ist an der gantzem gestalt gleich einem Häuptküssen, an welches end lange riemle in sich gekrümpt hangen, als seyten oder nestel, one alle höle«. Ihre Färbung ist ein blasses, durchscheinendes Horngelb; die von den Ecken ausgehenden, vielfach gewundenen, rankenartigen Anhängsel übertreffen an Länge die etwa sechs Centimeter messende Kapsel; zwei Spalten an jedem Ende gestatten Zutritt von Wasser. Mit Beginne des Winters legt das Weibchen diese Eier in der Nähe der Seeküsten, wahrscheinlich regelmäßig zwischen Seepflanzen ab, an deren Geranke sich die Fäden anhängen. Der Keimling ist bereits so weit ausgebildet, daß man die Gestalt des Haies erkennen und seine Bewegungen bemerken kann. Nachdem er sich vollends entwickelt hat, zerreißt er die Eihüllen und verläßt die Kapsel mit einem ihm noch anhängenden Dottersacke, welcher durch ein Gefäß mit dem Darmschlauche in Verbindung steht und zur weiteren Ernährung dient. Inzwischen bilden sich die Zähne aus, und wenn die in jenem Sacke enthaltene Flüssigkeit aufgezehrt worden, ist der junge Hai fähig, zu rauben. Einzelne Beobachter sagen, daß ein Weibchen auf jeden Wurf zehn bis zwanzig Eier zur Welt bringe; andere geben die Anzahl geringer an; alle kommen darin überein, daß sie dieser Art eine verhältnismäßig große Fruchtbarkeit zuschreiben. Die Geschlechter sollen sich im Laufe des Jahres wiederholt begatten und die Männchen mit ihren nahe dem After stehenden Anhängseln am Weibchen sich festhalten.

Das harte, lederartige Fleisch wird nur im Nothfalle gegessen, die Haut hingegen vielfach und zwar hauptsächlich zum Glätten hölzerner oder eiserner Geräthschaften benutzt. Die Leber gibt trefflichen Thran, welcher auch das Fleisch des Fisches durchdringt und zur Unverdaulichkeit desselben beiträgt. Nach Versicherung der Fischer soll der Genuß der thranigen Leber zuweilen schädliche Folgen haben; diese Angabe wird auch durch die Behauptung des französischen Arztes Sauvage unterstützt. Nachdem vier Personen von der Leber eines Hundshaies gegessen hatten, befiel sie, und zwar in weniger als einer halben Stunde, Schwäche und Schlafsucht, aus welcher sie sich erst am dritten Tage insoweit wieder erholten, daß sie sich ihres Zustandes bewußt waren. Beim Erwachen fühlten alle außerordentlichen Ekel; ihre Gesichter waren geröthet, und die Oberhaut derselben wie die des Kopfes trennte sich fetzenweise ab; erst nachdem dies geschehen, endeten diese Zustände.

Ungeachtet der Zählebigkeit der Hundshaie halten sie sich schlecht in der Gefangenschaft. In einem engeren Becken bewegen sie sich wenig, liegen vielmehr gewöhnlich still auf dem Grunde und lassen selbst Fische, ohne sie zu behelligen, an sich vorüberziehen, oder sie schwimmen vom Anfange bis zum Ende ihrer Gefangenschaft rastlos und ruhelos umher, stoßen sich den Vordertheil ihrer Schnauze wund, verschmähen alle Nahrung und gehen elendiglich zu Grunde. Dagegen befinden sie sich in [377] den großen Becken, welche Coste an der Meeresküste ausgegraben und mit der See in Verbindung gesetzt hat, sehr wohl, zeigen alle ihre Eigenthümlichkeiten und haben sich sogar fortgepflanzt. Das Weibchen eines Paares, welches man zu Anfang des April in eine der Kammern des Seeteiches gebracht hatte, legte nach Verlaufe eines Monates achtzehn Eier, aus denen nach ungefähr neun Monaten in den ersten Tagen des December frische und muntere Junge auskamen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Achter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Zweiter Band: Fische. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 375-378.
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