Tiberbarbe (Barbus plebejus)

[273] Eine dritte Art, die Tiberbarbe (Barbus plebejus und eques), vertritt die genannten im Süden Europas und wird namentlich in Italien und Dalmatien gefunden. Ihr Leib ist dicker und gedrungener, die Schnauze kürzer und stumpfer, die Schuppen sind kleiner als bei der Flußbarbe. Die Färbung stimmt bis auf die dicht mit feinen schwarzbraunen Punkten besäeten Rumpfseiten, Rücken- und Schwanzflosse mit der ihrer deutschen Verwandten überein. Die Anzahl der Flossenstrahlen ist bis auf die der Rückenflosse, welche drei und acht beträgt, dieselbe wie bei dieser.

Die Flußbarbe bevölkert das Gebiet aller deutschen Ströme und verdient diesen Namen insofern, als sie stehendes Wasser meidet. »In der Schweiz«, sagt Schinz, »lieben die Barben die Flüsse, welche aus Seen kommen, und sammeln sich an den Mündungen derselben; in die Seen selbst aber gehen sie nicht.« Flüsse mit sandigem, kiesigem Grunde sagen ihnen besonders zu. Während des Sommers halten sie sich gern zwischen verschiedenen Wasserpflanzen auf; sobald aber diese im Herbste absterben, suchen sie tiefere Stellen der Flüsse und wählen sich hier Zufluchtsorte unter und an Steinen, in Höhlungen und dergleichen, wühlen sich auch wohl am Uferrande ein, da sie, wie der alte Geßner sich ausdrückt, »graben wie ein Saw«. Unter solchen Umständen geschieht es, daß sie sich in besonders günstigen Versteckplätzen zuweilen haufenweise ansammeln, förmlich über einander legen und in gewissem Sinne Winterschlaf halten. Im Jahre 1811 fand man, laut Schinz, die Einfassung des Wasserrades an der Röhrbrücke zu Zürich so voll Barben, daß binnen wenigen Stunden über zehn Centner gefangen wurden, die kleineren, welche man wieder ins Wasser warf, ungerechnet: sie lagen meterhoch über einander.

Unter den deutschen Karpfen gehört die Barbe zu den lebendigsten und regsten, obwohl auch ihr noch ein gut Theil Faulheit nicht abgesprochen werden kann. Uebertages liegt sie gewöhnlich still; des Nachts dagegen ist sie viel in Bewegung, um Futter zu suchen. Dieses besteht aus kleinen Fischen, Würmern, Schlamme und thierischen Abfällen, so auch Menschenkoth. Heckel erwähnt, daß sie sich scharenweise in der Nähe des Klosters Zwettel an solchen Stellen aufhalten, wo Aborte in den Kamp einmünden, und daselbst ausnehmend gedeihen.

Die Fortpflanzung fällt in die Monate Mai und Juni; einzelne laichen jedoch bereits im März und April und andere noch, vielleicht zum zweitenmale, im Juli und August. Um diese Zeit bilden die Barben Züge von hundert Stück und darüber, welche in langer Reihe hinter einander herschwimmen, so daß die alten Weibchen den Zug eröffnen, die alten Männchen ihnen folgen, minder alte ihnen sich anreihen und die Jungen den Schluß bilden. Die Vermehrung scheint gering zu sein: Bloch zählte in dem Roggen nur etwa achtzigtausend Eier. Im Herbste haben die ausgeschlüpften Jungen eine Länge von etwa acht Centimeter erreicht; im vierten Jahre sind sie bei einem Gewichte von sieben- bis funfzehnhundert Gramm fortpflanzungsfähig geworden.

[273] Das Fleisch der Barbe ist nicht nach jedermanns Geschmack und sehr mit Gräten durchwebt. Dementsprechend bezahlt man das Kilogramm desselben meist nur mit dreißig bis sechzig Pfennigen und höchstens mit anderthalb Mark, verwendet es auch wohl als Viehfutter oder Dung. Eigenthümlich und bis jetzt noch unerklärlich ist, daß der Roggen giftige Eigenschaften hat. »Seine Eyer«, sagt schon Geßner, »sind gantz schädlich: dann sie führen den Menschen in gefahr Leibes vnd Lebens mit großer pein vnd schmertzen: nemlich sie bewegen den gantzen Leib mit starckem treiben oben vnd vnden auß, mit grosser Angst vnd blödigkeit: welches die täglich erfahrung in vielen Leuthen genugsam erzeiget. Auß der vrsach soll sein Rogen wie gemeldt zu stundt hinweg geworffen werden, damit er nit durch vnwissenheit in die Speiß komme.« Das ist vollkommen richtig, mögen einzelne hierüber spotten, wie sie wollen; ich selbst habe die Wahrheit an mir und meiner Familie erfahren.

Zur Teichwirtschaft eignet sich die Barbe insofern, als sie den »Hecht im Karpfenteiche« ersetzen kann, das heißt die trägen Karpfen aufrührt, in Bewegung bringt und so, wie man annimmt, vor Krankheiten bewahrt. Im engeren Gewahrsame hält sie sich gut und erfreut durch ihre Beweglichkeit und Spiellust.


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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Achter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Zweiter Band: Fische. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 273-274.
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