Kilch (Coregonus hiemalis)

[242] Die dritte Art der Sippe, welche in den süddeutschen Seen gefunden wird, ist der Kilch, auch Kilchen, Tief-, Silber- und Kropffelchen, Kirchfisch und Kropfmaräne genannt (Coregonus hiemalis und acronius; Abbildung auf Seite 239). Seine Länge beträgt höchstens vierzig Centimeter, meist weniger, ist also bedeutend geringer als die der bisher erwähnten Verwandten, von denen sich der Kilch außerdem durch den kurzen Leib und den merklich gebogenen Rücken unterscheidet. Die Färbung des Oberkopfes ist gelblichweiß, die der Seiten und Deckelstücke silberglänzend, die des übrigen Leibes hell bräunlichgrau; die Flossen sind farblos, mit Ausnahme der Brustflossen aber schwärzlich gesäumt. In der Rückenflosse stehen vier und neun bis dreizehn, in der Brustflosse ein und funfzehn bis sechzehn, in der Bauchflosse zwei und zehn bis elf, in der Afterflosse vier und neun bis dreizehn, in der Schwanzflosse neunzehn Strahlen.

Vor den Untersuchungen Siebolds kannte man den Kilch nur als Bewohner des Bodensees; genannter Forscher fand ihn auch im Ammersee auf und spricht die Ueberzeugung aus, daß er noch andere Alpenseen bewohnen möge. Diese Unbekanntschaft erklärt sich, wenn man weiß, daß der Fisch jahraus, jahrein in einer Tiefe von vierzig bis fünfundvierzig Faden sich aufhält und [242] nur gegen Ende des September in höhere Schichten kommt, um zu laichen. Seine Nahrung stimmt, wie man durch Untersuchung des Magen- und Darminhaltes fand, vollkommen mit solcher Lebensweise überein. Er nährt sich nur von kleinen Schnecken, Muscheln und schlammigen Erdtheilen, welche er von dem Grunde der Seen aufnimmt.

»Da der Kilch«, sagt Siebold, »wie es scheint, unter allen unseren Renken die tiefsten Stellen der Seen bewohnt, wird er auch am leichtesten trommelsüchtig, wenn man ihn aus der Tiefe seines Aufenthaltes mit dem Netze an das Tageslicht zieht. Wegen dieser Eigenschaft hat er am Bodensee den Namen ›Kropffelchen‹ erhalten. In einer Tiefe von vierzig Klaftern haben die Kilche und ihre mit Luft gefüllte Schwimmblase einen Druck von etwa sieben und einer halben Atmosphäre auszuhalten. Werden diese Fische nun aus ihrem natürlichen Aufenthalte hinauf an die Wasseroberfläche gebracht, wo der Druck von nur einer Atmosphäre von außen auf sie einwirkt, so wird die in ihrer Schwimmblase eingeschlossene Luft beim Heraufziehen allmählich eine Druckverminderung um sechs und eine halbe Atmosphäre erleiden und sich in gleichem Verhältnisse ausdehnen. Indem aber einer solchen Ausdehnung die dünnen Wände der Schwimmblase sowie die nachgiebigeren Bauchwandungen nicht widerstehen können, muß der Bauch des Fisches eine unförmliche Gestalt annehmen, wodurch zugleich eine so starke Zerrung und Verschiebung der Baucheingeweide veranlaßt und ein so heftiger Druck auf die Blutgefäße derselben ausgeübt wird, daß der baldige Tod eines solchen trommelsüchtig gewordenen Fisches unausbleiblich erfolgen muß.«

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Achter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Zweiter Band: Fische. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 242-243.
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