Schnäpel (Coregonus oxyrhynchus)

[244] Zu den im Meere lebenden und von hier aus während der Laichzeit regelmäßig in den Flüssen aufsteigenden Renken gehört der Schnäpel, Snepel, Schnesen, Maifisch, Schmalzfeder und Düttelmann (Coregonus oxyrhynchus, Salmo oxyrhynchus, lavaretus und latus), eine an der weit über dem Unterkiefer vorragenden, nach vorn in eine weiche, kegelförmig verlängerte Schnauze übergehenden Kinnlade leicht kenntliche Art der Sippe von vierzig bis funfzig, höchstens sechzig [244] Centimeter Länge, dreiviertel bis einem Kilogramm Gewicht und bläulicher, während der Laichzeit bläulichschwarzer Färbung. Die Rückenflosse enthält vier bis zehn, die Brustflosse einen und funfzehn bis sechzehn, die Bauchflosse zwei und zehn bis elf, die Afterflosse vier und zehn bis dreizehn, die Schwanzflosse neunzehn Strahlen. Nord- und Ostsee müssen als die Heimat des Schnäpels betrachtet werden. Von ihnen aus tritt er im Mai, also schon lange vor der Laichzeit, welche in die Monate September bis December fallen soll, in mehr oder minder zahlreicher Menge in die mit dem Meere zusammenhängenden Haffe, Ströme und Flüsse ein, um zu Berge zu ziehen.


Schnäpel (Coregonus oxyrhynchus). 1/7 natürl. Größe.
Schnäpel (Coregonus oxyrhynchus). 1/7 natürl. Größe.

Diese Wanderungen sollen mit einer gewissen Regelmäßigkeit geschehen und die wandernden, wie die Kraniche, in ein Dreieck sich ordnen; die Reise selbst soll jedoch äußerst langsam vor sich gehen und die Züge binnen vierundzwanzig Stunden kaum mehr als vier Kilometer zurücklegen. Bei ungünstiger Witterung versenken sich die Schnäpel in die Tiefe und rasten; später sammeln sie sich wieder, um ihre Reise fortzusetzen. Diese unterscheidet sich von der der Lachse dadurch, daß die Schnäpel selten weit in den Flüssen aufsteigen, in der Elbe beispielsweise höchstens die Magdeburger und Torgauer Gegend, in der Weser den Zusammenfluß der Werra und Fulda, im Rheine die Höhe von Speier erreichen. Nach dem Laichen kehren sie früher oder später ins Meer zurück, und die Jungen folgen den Alten, wenn sie eine Länge von acht Centimeter erreicht haben, erscheinen auch erst nach erlangter Reife wieder.

Das weiße, zarte und schmackhafte Fleisch des Schnäpels wird mit vierzig bis achtzig Pfennigen für das Kilogramm bezahlt, sehr geschätzt und ebensowohl frisch wie eingesalzen und geräuchert genossen; der Fisch bildet daher in ganz Norddeutschland einen wichtigen Gegenstand des Fanges. »Sobald bei Veltheim, einem oberhalb Mindens an der Weser gelegenen Dorfe«, so schreibt mir Baurath Pietsch, »die Schnäpel eintreffen, um am rechten Weserufer in der vier bis fünf Meter tiefen Südenbucht, zwischen zwei bestimmten Bühnen, ihren Laich abzusetzen, eilt die ganze Bevölkerung des Ortes zum Fange dieses Fisches an die Weser. Alt und jung ist bewaffnet mit Angeln aller Art, welche man nur kräftig in das Wasser zu schleudern braucht, um sie sofort [245] mit zwei bis vier anhängenden Fischen wieder herauszuziehen. Nur ein Theil der gefangenen Beute wird in Veltheim selbst verzehrt, die große Mehrzahl der Fische vielmehr den Nachbarstädten zugeführt. Der Hauptzug trifft zwischen dem funfzehnten und zwanzigsten Mai bei Veltheim ein; ein zweiter Zug folgt etwa drei Wochen später.«


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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Achter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Zweiter Band: Fische. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 244-246.
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