Pirai (Serrosalmo niger)

[208] Schomburgk bezeichnet sie mit Recht als die gierigsten Raubfische des Süßwassers und meint, daß man sie die Hiänen desselben nennen könnte. Im Vergleiche zu ihnen aber sind die Hiänen harmlose, die Geier bescheidene Geschöpfe. Ihre Gefräßigkeit übersteigt jede Vorstellung: sie gefährden jedes andere Thier, welches sich in ihren Bereich wagt, Fische, welche zehnmal größer sind als sie selbst. »Greifen sie«, berichtet gedachter Reisender, »einen größeren Fisch an, so beißen sie ihm zuerst die Schwanzflosse ab und berauben damit den Gegner seines Hauptbewegungswerkzeuges, während die übrigen wie Harpyien über ihn herfallen und ihn bis auf den Kopf zerfleischen und verzehren. Kein Säugethier, welches durch den Fluß schwimmt, entgeht ihrer Raubsucht; ja selbst die Füße der Wasservögel, Schildkröten und die Zehen der Alligatoren sind nicht sicher vor ihnen. Wird der Kaiman von ihnen angegriffen, so wälzt er sich gewöhnlich auf den Rücken und streckt den Bauch nach der Oberfläche.« Das entschiedenste Zeichen ihrer Raubgier findet Schomburgk darin, daß sie selbst ihre eigenen verwundeten Kameraden nicht verschonen. »Als ich mich eines Abends mit Angeln beschäftigte«, fährt er fort, »zog ich einen ganz ansehnlichen Pirai [208] (Serrosalmo niger) ans Land. Nachdem ich ihn mit einigen kräftigen Schlägen auf den Kopf getödtet zu haben glaubte, legte ich ihn neben mich auf die Klippe; plötzlich jedoch machte er wieder einige Bewegungen, und bevor ich es verhindern konnte, schwamm er, wenn auch noch halb betäubt, auf der Oberfläche des Wassers umher. Im Nu waren sechzehn bis zwanzig seiner Genossen um ihn versammelt, und nach einigen Minuten war nur der Kopf von ihm übrig.« Nicht selten soll es, laut Gumila, ihrem ersten Beschreiber, geschehen, daß, wenn ein Ochse, ein Tapir oder ein anderes großes Thier schwimmend unter einen Schwarm dieser fürchterlichen Fische geräth, es aufgefressen wird.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Achter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Zweiter Band: Fische. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 208-209.
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