Kummel (Merlucius vulgaris)

[181] An dem gestreckten Leibe mit niedergedrücktem Kopfe, den zwei Rückenflossen, deren hintere wie die Afterflosse über die Hälfte des Leibes einnimmt, den großen Schuppen, den verhältnismäßig großen, fast in einer Reihe stehenden Zähnen und dem Fehlen des Bärtels erkennt man die Meerhechte (Merlucius), deren bekanntester Vertreter der Kummel (Merlucius vulgaris, esculentus, argentatus, sinuatus, lanatus und albidus, Gadus merlucius und merlus, Stomodon bilinearis) ist. Seine Länge beträgt etwa einhundertundzwanzig Centimeter, sein Gewicht bis sechzehn Kilogramm. Der braungraue Rücken lichtet sich an den Seiten und auf dem Bauche bis zum Silberweiß; die oberen Flossen sind dunkel, die unteren blaßbraun. Zehn Strahlen spannen die erste, neunundzwanzig die zweite Rückenflosse, elf die Brustflosse, sieben die Bauchflosse, einundzwanzig die Afterflosse, neunzehn die Schwanzflosse.

Der Kummel, welchen bereits Rondelet beschrieb, gehört zu den gemeinsten und wichtigsten Fischen des Mittelländischen Meeres, tritt aber auch im Atlantischen Weltmeere längs der europäischen Küste und ebenso in den britischen und skandinavischen Gewässern häufig auf. An den Küsten Cornwalls schwärmt er, laut Couch, unstet und unregelmäßig umher. Vom Januar bis zum April, seiner Fortpflanzungszeit, hält er sich nahe dem Boden des Meeres auf und bekundet auffallenderweise wenig oder nichts von seiner außerordentlichen Gefräßigkeit, beißt wenigstens nicht oft an die Angel und muß deshalb mit dem Schleppnetze gefangen werden, während er zur Zeit, [181] wenn die Pilchards sich den Küsten nähern, ihnen folgt und unzählige von ihnen verschlingt. Selten geschieht es, daß der Fischer beim Pilchardfange das Netz ohne Meerhechte emporzieht. Wenn es einmal vorkommt, daß ein Netz mehrere Tage im Wasser hängen bleibt, bietet sich für den mit eingeschlossenen Kummel die herrlichste Gelegenheit, nach Herzenswunsch zu schlucken; eine solche Gelegenheit nutzt er auch derartig aus, daß er alle Beweglichkeit verliert und geradezu hülflos wird. Couch hat siebzehn Pilchards aus dem Magen eines mäßig großen Kummels herausgenommen. Die Verdauung unseres Fisches steht mit seiner Freßgier im besten Einklange. Bei Gefahr bricht er übrigens das verschlungene aus, in der Absicht, sich zu erleichtern und sein Entkommen um so eher zu bewerkstelligen, und so geschieht es, daß man zuweilen hunderte mit der Grundleine fängt, von denen nicht ein einziger etwas im Magen hat.

Der Fang dieses Fisches ist von Bedeutung. Sein Fleisch gilt zwar nicht als besonders schmackhaft, ist jedoch weich und würde durch geeignete Zubereitung vielleicht zu verbessern sein. Aber man verwendet die gefangenen Kummel auch nur in geringer Menge für die heimische Küche, bereitet sie vielmehr zu Stock-und Klippfisch zu und bringt sie wie diese in den Handel. An den südfranzösischen Küsten pflegt man die frischgefangenen Meerhechte in wohlriechende Pflanzen einzuhüllen, weil man glaubt, daß sie dadurch an Güte gewinnen.


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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Achter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Zweiter Band: Fische. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 181-182.
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