Dritte Familie: Schuppenflosser (Squamipinnes)

[46] Alle Farbenpracht der Gleicherländer vereinigt in sich die Familie der Schuppenflosser (Squamipinnes). Ihr Kleid wetteifert an Schönheit mit dem der glänzendsten Vögel, der buntfarbigsten Schmetterlinge. Sie schmücken das Meer, wie die Kolibris und die ihnen an Schönheit ebenbürtigen Paradiesvögel und andere die Urwaldungen; aber ihre Farben scheinen noch reiner, [46] noch glänzender zu sein, und in der Vertheilung derselben zeigt sich eine bewunderungswürdige Gleichmäßigkeit. Flecke, Bänder, Streifen, Ringe von blauer, azurner, purpurner, sammetschwarzer Färbung sind auf rein goldenem oder silbernem Grunde aufgetragen, das Tiefblau des südlichen Himmels oder das Ultramarin der Meeresfluten in den Schuppen dieser Thiere wiedergegeben, das zarte Roth der Rosen, der Regenbogen mit all seinen Schattirungen hier gleichsam widergespiegelt. Zur Schönheit und Pracht der Farben, der Zierlichkeit und Vielseitigkeit der Zeichnung gesellt sich eine höchst eigenthümliche, uns Nordländern vollkommen fremde Gestalt. Der Leib ist seitlich überaus zusammengedrückt, aber von oben nach unten verbreitert, die Gestalt also länglich oder scheibenrund; die Rücken- und Afterflosse sind gleichsam mit in diese Scheibenform aufgenommen und ebenso wie der Leib, einschließlich des Kopfes, mit Schuppen bekleidet, oft in der ungewöhnlichsten Weise verlängert, verzerrt, durch harte oder verlängerte Stacheln noch besonders ausgezeichnet, so daß eigentlich nur die Brustflossen, die Schwanzflosse und die Bauchflosse, welche letztere übrigens auch nur durch einen einzigen Stachel vertreten sein kann, die übliche Bildung zeigen. Der Kopftheil spitzt sich gewöhnlich in eine kleinmündige, rüsselartige Schnauze zu, welche bei einzelnen Arten schnabelartig sich verlängert, während sie bei anderen kaum über den allgemeinen Leibesumriß vorspringt. Borstenzähne herrschen vor; zuweilen treten jedoch auch Hechel- oder Sammetzähne an ihre Stelle; ebenso erscheint die Gaumengegend mit Zähnen bewehrt. In diesen Verschiedenheiten des Gebisses hat man Anhaltspunkte zur Trennung der außerordentlich reichen Familie in verschiedenartige Gruppen gefunden; außerdem bietet auch die Gestalt selbst, die Bildung des Maules und der Flossen, ja bei manchen die der Knochen wichtige Merkmale für die einzelnen Gruppen.


*


Die Dürftigkeit der Mittheilungen über die Lebensweise dieser so ausgezeichneten Fische läßt gerathen erscheinen, zunächst Schau über die wichtigsten Sippen und Arten zu halten und dann die Lebensbeschreibung aller Schuppenflosser mit besonderer Berücksichtigung einzelner Arten zusammenzufassen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Achter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Zweiter Band: Fische. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 46-47.
Lizenz:
Kategorien: