Schütze (Toxotes jaculator)

[49] Der Schütze (Toxotes jaculator, Sciaena und Labrus jaculatrix, Scarus Schlosseri, Cojus chatareus), die verbreitetste Art der Sippe, ist schon seit langer Zeit bekannt, weil er von [49] den Eingeborenen seiner Heimatinsel Java als Zierfisch im Zimmer gehalten wird. Seine Länge beträgt etwa zwanzig Centimeter. Die Färbung ist ein oben dunkelndes, unten ins Silberfarbene spielendes Grünlichgrau, welches durch vier dunklere, bindenartige Flecke unterbrochen wird. In der Rückenflosse finden sich fünf stachelige und dreizehn weiche, in der Afterflosse drei stachelige und sechzehn weiche, in jeder Brustflosse dreizehn, in der Bauchflosse sechs, in der Schwanzflosse siebzehn Strahlen.

Mit wenigen Ausnahmen halten sich alle Schuppenflosser in den oberen Schichten des Wassers und nahe der Küste auf; einige steigen auch in den Flüssen empor, und andere wandern gelegentlich nach dem hohen Meere hinaus, Schiffen folgend, um den Auswurf derselben aufzunehmen oder anderer Beute nachjagend. Die meisten, insbesondere die prachtvoll gefärbten Arten der Familie, finden sich regelmäßig in der Nähe der Riffe oder über Untiefen, spielen hier im Sonnenscheine lebhaft mit einander und scheinen sich darin zu gefallen, ihre Pracht zur Schau zu bringen. Ihre Schönheit wird durch die Bewegung noch bedeutend erhöht, und deshalb sprechen auch alle Beobachter, welche sie lebend sahen, mit Entzücken von ihnen. Im Rothen Meere bemerkt man sie, laut Heuglin, hauptsächlich in den tiefen Klüften oder brunnenartigen Einsenkungen zwischen den Korallenriffen, welche auch bei hohem Seegange ruhiges und klares Wasser behalten und mit einem förmlichen Walde von Korallenbäumen bestanden sind. Wenn das Schiff des Reisenden in dunkelen Nächten zwischen den Riffen ankert, erkennt man das Vorhandensein dieser Fische an dem Leuchten des Meeres. Man nimmt, oft in beträchtlicher Tiefe, mattschimmernde Flecke wahr; plötzlich stieben sie, wie sprühende Funken, aus einander, ziehen langsam hin und her, sammeln sich nach und nach wieder, bilden Gruppen und vertheilen sich von neuem.

Abgesehen vielleicht von einigen Arten, nähren sich alle bekannten Schuppenflosser von anderen Thieren, die meisten wahrscheinlich von darmlosen Seethieren, also kleinen Medusen, Quallen, Seerosen, Korallenthierchen usw., während ihre Jagd da, wo die von ihnen beliebten Küsten bewaldet sind, hauptsächlich den Kerbthieren gilt. Jene umspielen, wie Heuglin mir sagte, die Korallenstämme in ähnlicher Weise, wie Laubsänger Landbäume umflattern. Scharenweise stehen sie einige Augenblicke vor einem verzweigten Aste still, schießen dann plötzlich ruckweise vor, bohren oder beißen an den thierischen Blüten und eilen, alle wie von einem Geiste beseelt, blitzschnell einer anderen Stelle zu, hier dasselbe Spiel, dieselbe Jagd von neuem beginnend. Klunzinger scheint zu glauben, daß sie weniger der Korallenthiere als der auf deren Stöcken wachsenden Algen halber zwischen den Korallenbänken sich aufhalten, und gibt an, daß sie Algen fressen, widerlegt jedoch Heuglins Angabe nicht. Anders als die zwischen den Korallen lebenden verfahren verwandte Arten, beispielsweise der Spritzfisch und der Schütze. Beide haben seit langem durch die Art und Weise, wie sie sich ihre Nahrung erwerben, einen gewissen Ruhm erlangt, das heißt die Aufmerksamkeit der Anwohner auf sich gelenkt und sich deren Zuneigung in so hohem Grade erworben, daß sie in ihrer Heimat unter die Hausthiere aufgenommen wurden. Hommel, seiner Zeit Vorsteher des Hospitals zu Batavia, gab zuerst Kunde von ihrem Treiben; Mitchell und andere bestätigten seinen Bericht in jeder Beziehung.

Sobald die Schützenfische eine Fliege oder ein anderes Kerbthier aus einer über das Wasser hängenden Pflanze sitzen sehen, nähern sie sich bis auf eine Entfernung von einem bis anderthalb Meter und spritzen aus ihrem röhrenförmigen Schnabel einige Wassertropfen so heftig und so sicher nach der Beute, daß sie solche selten verfehlen. Den Japanesen dienen diese Schuppenflosser zur besonderen Augenweide. Man hält sie in kleinen Wasserbecken, in deren Mitte ein Stock etwa sechzig Centimeter über das Wasser emporragt; in den Stock sind hölzerne Zapfen eingelassen, an denen die jenen zur Nahrung dienenden Kerbthiere leicht befestigt werden. Bald, nachdem dies geschehen, erscheinen die Fischchen, umschwimmen zuerst den Pfahl, kommen dann zur Oberfläche des Wassers empor, verweilen ruhig auf einer und derselben Stelle, heften die Augen [50] einige Zeit auf das betreffende Kerbthier, spritzen plötzlich einige Tropfen Wasser nach demselben, werfen es dadurch herab und verschlucken es, wenn ihnen ihr Schuß glückte. Treffen sie nicht, so schwimmen sie einigemal um den Pfahl herum, stellen sich von neuem auf und thun wie vorher. Beim Ausspritzen vernimmt man ein Geräusch, wie kleine Wasserspritzen es hervorbringen. Die Sicherheit, mit welcher sie den Wasserstrahl auf ihre Opfer werfen, ist bewunderungswürdig. Um sie zu beobachten, spießte Hommel eine Fliege mittels einer Nadel auf den Stock und sah nun, wie alle seine Fische um die Wette sich bestrebten, die Fliege zu fällen, und ohne Unterlaß mit außerordentlicher Schnelligkeit, auch ohne jemals ihr Ziel zu verfehlen, Wassertropfen nach ihr abschossen. In dem Magen des Schützen hat man kleine asselartige Thiere massenweise gefunden; die Kerbthiernahrung scheint also für diese Arten die natürliche, jeder anderen bevorzugte zu sein.

Ueber die Fortpflanzung der Schuppenflosser finde ich nirgends eine Angabe; über die Art und Weise ihres Fanges kann ich nur mittheilen, was mir Heuglin erzählte. Sie beißen gierig nach jedem Köder, welchen sie verschlingen zu können glauben, namentlich, wenn man die Angel in eine gewisse Tiefe versenkt. Trotzdem fällt der Fang nicht immer ergiebig aus, weil sie sich, sobald sie den Angelhaken spüren, zwischen dem Geklüfte der Riffe zu verbergen suchen, förmlich in Löcher sich einklemmen und aus ihnen nicht hervorgezogen werden können. Als ungemein anziehend schildert Heuglin den Fang in dunkelen Nächten. An dem Leuchten des Meerwassers kann man die sich um den Köder drängenden Fische noch in Tiefen von mehreren Klaftern deutlich wahrnehmen und an dem blitzartigen Anfleuchten der Angelschnur, welche wie ein brennender Schwefelfaden aussieht, eher noch als an dem erfolgenden Rucke erkennen, daß einer angebissen. Klunzinger widerspricht Heuglin, indem er angibt, daß sie selten gefangen werden, weil sie nicht anbeißen. Mehrere Arten der Familie werden eifrig verfolgt, weil man ihr Fleisch ungemein schätzt, andere im Gegentheile gänzlich verachtet oder höchstens von solchen Leuten gegessen, welche die Lebensweise und oft ekelhafte Nahrung der Fische nicht kennen. Mehrere Arten erfahren ihrer schönen Zeichnung halber förmliche Verehrung seitens der Fischer; andere werden getrocknet oder zu Asche verbrannt und sodann arzneilich verwendet.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Achter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Zweiter Band: Fische. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 49-51.
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