3. Sippe: Nymphalinen

[355] Die größten und schönsten unserer heimatlichen Tagschmetterlinge, welche nicht zu den bereits besprochenen gehören, haben mit noch viel zahlreicheren ausländischen Arten die zu sogenannten Putzpfoten verkümmerten Vorderbeine gemein, große, schräg vorgestreckte Freßspitzen, gleichmäßig entwickelte Flügel, auf deren hintersten Rippe sechs und sieben gesondert aus der Mittelzelle entspringen, und bilden die Sippe der Nymphaliden. Ihre Puppen hängen gestürzt, mit dem Kopfe nach unten, und zeichnen sich öfters durch prächtige Gold- und Silberflecke aus.

Allbekannt sind die Perlmutterfalter (Argynnis), welche der Unterseite der Hinterflügel ihren Namen verdanken. Hier stehen in mehreren Reihen Flecke oder Striemen von dem Silberglanze der Perlmutter, während schwarze, damenbretähnliche Zeichnungen den orangerothen Grund auf der Oberseite bedecken, darunter schlecht geschriebenen Ziffern vergleichbare hinter dem Vorderrande der Vorderflügel. Sie sind Bewohner des Waldes und dessen Umgebungen. Einzelne Arten oder mehrere, untermischt mit anderen Sommervögeln, besuchen das blühende Heidekraut, den Rasen des rothen Quendels auf freien Waldplätzen oder dürren Triften. Im heißen Sonnenscheine umflattern sie die genannten und andere Honigquellen, daß man, wenn ihrer viele vorhanden, manchmal den Flügelschlag vernehmen kann. An den tausenden von Blütchen löst einer den anderen ab, um jenen die Süßigkeiten zu entlocken. Spielend und tändelnd fliegt dieser jenem nach; weit ab vom reichen Weideplatze schwinden sie unserem Blicke. Bald ist der eine von dieser, der andere von jener Seite wieder da, verjagt eine gleichfalls durstige Fliege, einen anderen Kameraden von der Blüte, auf welche er sich niederläßt, oder kehrt auf den Blättern eines benachbarten Eichengebüsches die volle Fläche seiner Schwingen der Sonne zu, welche sie als Gold zurückstrahlt. In diesem bunten Durcheinander gibt es weder Ruhe noch Rast, denn jenes Liebäugeln mit der Sonne ist eben auch nur ein Spiel von kurzer Dauer. Und doch, welch ein Gegensatz zwischen dieser Geschäftigkeit und der der emsigen Biene, der streitbaren Wespe, der sorgsamen Wegwespe und anderer Aderflügler, welche an solchen Stellen nicht minder vertreten sind! Jetzt verbirgt sich die Beherrscherin des Tages hinter einer dicken Wolke. Plötzlich sitzt alles still, es sei denn, daß allzu große Nähe eine kleine Balgerei zur Folge hat. Verweilen wir etwas näher bei dieser und jener Erscheinung.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 355.
Lizenz:
Kategorien: