Goldafter (Porthesia chrysorrhoea)

[393] Der Goldafter (Porthesia chrysorrhoea) ist gleich dem vorigen einfarbig weiß, aber an der Hinterleibsspitze rothbraun gefärbt; dieselbe endet beim schlankeren Männchen (Fig. 1, S. 394) in einen Haarpinsel, beim Weibchen knopfartig verdickt. Die Füh lerstrahlen sind rostgelb und die Gattung von der vorigen dadurch unterschieden, daß die Hinterschienen in der Nähe der Mitte ein zweites Sporenpaar tragen, daß Rippe 6 und 7 der Hinterflügel aus gemeinsamem Stiele kommen und daß Rippe 10 der Vorderflügel aus 8 entspringt. Dieser Spinner erscheint gleichzeitig mit dem vorigen, führt dieselbe Lebensweise, nur weiß er sich mehr an der Rückseite der Blätter versteckt zu halten und beschränkt sich nicht auf Weiden und Pappeln, sondern sitzt an fast allen Waldbäumen (Eiche, Buche, Hainbuche, Rüster, Weide, Schwarzdorn), auch an den meisten Obstbäumen, an Rosen und [393] anderen Ziersträuchern der Gärten. Auf allen diesen findet man anfangs Juli das Weibchen damit beschäftigt, seine Eier zu legen, und zwar gewöhnlich an die Kehrseite der Blätter (Fig. 2). Vermittels zweier Schuppen der Leibesspitze rupft es die rostbraunen Haare aus dem Hinterleibsknopfe und bettet in diese die gleichzeitig gelegten Eier, welche in einen Haufen über einander gepackt werden. Die hinteren Filzhaare des Polsters kommen zuerst an die Reihe, später die anderen, so daß zuletzt, wenn nach einem bis zwei Tagen das Geschäft abgethan, ein sogenannter »kleiner Schwamm« fertig, auch das Afterpolster fast gänzlich von der Leibesspitze verschwunden ist. Auf jenem Schwamme, welcher länglich und dicker ist als der Hinterleib, bleibt das nun erschöpfte Weibchen bisweilen todt hängen oder fällt herab.


Goldafter (Porthesia chrysorrhoea), 1 Männchen, 2 eierlegendes Weibchen, 3 Raupe, 4 winterliches Raupennest. 5 Raupe des Schwans (Porthesia auriflua). Alles natürliche Größe.
Goldafter (Porthesia chrysorrhoea), 1 Männchen, 2 eierlegendes Weibchen, 3 Raupe, 4 winterliches Raupennest. 5 Raupe des Schwans (Porthesia auriflua). Alles natürliche Größe.

Nach funfzehn bis zwanzig Tagen, also Ende Juli, auch später, kriechen die Räupchen aus und benagen die Blätter ihrer nächsten Umgebung. Sie sind schmutziggelb am Kopfe, Nacken und Reihen von Rückenpunkten schwarz. Allmählich spinnen sie ein Nest, welches immer dichter gewebt wird, je näher die rauhe Jahreszeit kommt, und immer bemerkbarer, je mehr das Laub herabfällt; in ihm findet man meist den Eierschwamm. Dies sind die sogenannten großen Raupennester (Fig. 4). Im nächsten Jahre zeigen die Raupen ihr Erwachen durch Ausfressen der Knospen an, sonnen sich in den Astgabeln und gehen in das alte Nest zurück oder spinnen ein neues, welches sie gleichfalls verlassen, sobald sie größer geworden sind. Ende April erfolgt die zweite Häutung – die erste war der Ueberwinterung vorausgegangen –, gegen Ende Mai die dritte. Die erwachsene Raupe (Fig. 3) ist stark behaart und dunkelbraun, hat vom vierten Ringe an je einen weißen Seitenfleck, vom sechsten bis zehnten zwei rothe, etwas geschlängelte Rückenstreifen und je eine ziegelrothe Warze mitten auf dem neunten und zehnten Ringe. In der ersten Hälfte des Juni wird sie in einem losen, durchscheinenden Gespinste zwischen Blättern zu einer schwarzbraunen Puppe. Diese Raupen sind es in erster Linie, welche unseren Obstbäumen stark zusetzen und nicht selten durch ihr massenhaftes Auftreten Zeugnis von der unverantwortlichen Nachlässigkeit [394] der Baumbesitzer ablegen, da während des Winters oder im zeitigsten Frühjahre das Abschneiden und Verbrennen der so leicht zu erkennenden Raupennester doch ein so bequemes Mittel an die Hand gibt, sich dieses Feindes der Obstbäume zu bemächtigen. Wer durch gewissenhafte Handhabung der Raupenschere seine Bäume zu schützen sucht, darf das Buschwerk und die lebenden Zäune um dieselben nicht unberücksichtigt lassen, da diese, besonders wenn sie aus dem beliebten Weißdorne bestehen, wahre Brutstätten dieses Ungeziefers bilden!

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 393-395.
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