Großer Gabelschwanz (Harpyia vinula)

[403] Es schließen sich hier noch einige Falter an, welche als solche weniger als im Raupenstande ein gewisses Interesse für sich in Anspruch nehmen, insofern ihre Raupen statt der Nachschieber zwei nach oben gerichtete fadenartige Anhänge tragen. Man hat dieselben mit einer Gabel verglichen und ihre Träger, wie die aus ihnen entstehenden Spinner, Gabelschwänze genannt. Nun können diese Raupen aber auch einen noch längeren, dünnen Faden aus diesen Stäbchen hervorstülpen, die wie die Schnur einer Peitsche an ihrem Stiele herabhängen und ihnen den sehr bezeichnenden Namen Peitschraupen eingetragen haben.


1 Großer Gabelschwanz (Harpyia vinula), 2 seine Raupe in verschiedenen Größen, 3 Puppengespinst an einem Stamme. 4 Raupe des Buchenspinners (Stauropus fagi). Alles natürliche Größe.
1 Großer Gabelschwanz (Harpyia vinula), 2 seine Raupe in verschiedenen Größen, 3 Puppengespinst an einem Stamme. 4 Raupe des Buchenspinners (Stauropus fagi). Alles natürliche Größe.

Nur wenn sie gereizt werden, zeigen sie ihre Peitsche, wie die Schwalbenschwanzraupe ihre Nackengabel. In der Ruhe nehmen diese Thiere eine höchst sonderbare Stellung auf dem Blatte des betreffenden Strauches oder Baumes an, welchen sie bewohnen. Sie ruhen nämlich auf den Bauchsüßen und haben den vorderen und hinteren Theil des Körpers in die Höhe gerichtet, jenen mehr als diesen, den Kopf tief eingezogen und mit Ausschluß der Gesichtsseite in dem dadurch angeschwollenen, nach vorn jederseits eckig vorspringenden vordersten Körpertheile verborgen. Eine dieser tückisch aussehenden Raupen (Fig. 2) ist lichtgrün und hat einen violetten Sattelfleck über den Rücken, welcher auf dem siebenten Ringe bis zum Luftloche seitlich herabreicht und ringsum sauberweiß eingefaßt ist. Sie findet sich besonders im Juli und August auf Weiden oder den verschiedenen Pappelarten und gehört dem großen Gabelschwanze (Harpyia vinula, Fig. 1) an. Zur Verpuppung benagt sie den Stamm ihrer Futterpflanze und spinnt über das vertiefte Lager eine gewölbte Decke (Fig. 3), welche die Farbe der Umgebung hat und den Winter über die rothbraune stumpfe Puppe umschließt. Im Mai kommt der bei Tage sehr träge, an Stämmen, Pfählen und Planken sitzende Falter daraus hervor, welcher weiß aussieht, gelbe Rippen hat und schwarze, zum Theile verwischte Flecke und Zackenzeichnungen auf den Flügeln. Er legt diese dachartig über den Leib und seine dickwollig behaarten Vorderbeine lang vorgestreckt dicht neben einander.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 403.
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