1. Sippe: Leuchtkäfer, Lampyrinen

[106] Die folgende Familie vereinigt unter dem Namen der Weichkäfer (Malacodermata) eine große Menge von Arten, welche fast ausschließlich durch weiche, mehr lederartige Körperumhüllung, besonders nach dem Tode sich verbiegende Flügeldecken, übereinstimmen und außerdem noch folgende Merkmale gemein haben: walzige Vorder- und Mittelhüften, quere an den Hinterbeinen, meist Schienen ohne Enddornen, fünfgliederige Füße oder nur viergliederige Vorderfüße, bei manchen Männchen ein aus sechs bis sieben freien Gliedern zusammengesetzter Hinterleib und sehr verschieden geformte Fühler, welche in der Regel aus elf Gliedern bestehen, aber auch zehn- oder zwölfgliederig [106] sein können. Die hornige oder häutige Zunge hat keine Seitenzipfel, die beiden Laden des Unterkiefers, deren innere manchmal verkümmert, sind blattartig und bewimpert, die Lippentaster drei-, die der Kiefer viergliederig und die Kinnbacken kurz. Bei den meisten treten die Geschlechtsunterschiede deutlich hervor, entweder an den beiden letzten Leibesgliedern oder an den Fühlern, den Deckschilden, den Flügeln oder den Vorderfüßen. Auf Blumen und Sträuchern finden sich die meisten der hierher gehörenden Kerfe zum Theil aber nicht, um daselbst Süßigkeiten zu suchen, sondern um dem Raube nachzugehen. Wie die vollkommenen Käfer in den angegebenen Grenzen mancherlei Unterschiede darbieten, so läßt sich auch von ihren Larven im allgemeinen nichts weiter sagen, als daß sie sechs Beine haben und Fleisch zu fressen scheinen; wir kommen bei den einzelnen Sippen auf sie zurück.

Wie die Westindier, so haben auch wir unsere »Feuerfliegen«, die allerdings wesentlich anderer Natur als jene sind. Moufet handelt in seinem funfzehnten Kapitel über die Cicindela und beweist aus den zahlreichen Namen, wie auch schon von Alters her der gemeine Mann die leuchtende Eigenschaft dieser nächtlichen Kerfe gekannt, und mancher Forscher sich um ihr Leben gekümmert hat. Bei den Griechen und Römern gab es zahlreiche Namen für dieselben, welche alle das Leuchtvermögen und zum Theil auch die Oertlichkeit, von welcher es ausgeht, im Auge haben, wie lampuris, pygolampis, kysolampis, pyrolampis, bostrykos, pyrgolampis usw. bei jenen, cicindela, nocticula, nitedula, lucio, lucula, luciola, lucernuta, venus usw. bei diesen. Die romanischen Völkerstämme haben einen und den anderen dieser Namen beibehalten oder in ihrer Weise umgebildet, bei den Italienern heißt der Käfer luciola, lucio, farfalla, bistola, fuogola, lacervola, luiserola, bei den Spaniern lyziergana, luciernega. Die Polen nennen ihn zknotnike, chrzazezik, swiecacy; die Ungarn eyeltwudoeklo, bogaratska vilantso; die Franzosen Ver luissant, mouche claire; die Engländer gloworme, shine-worme, glass-worme; die Deutschen bezeichnen hier mit Zinduczele, dort mit Liegthmugk und Zindwurmle das Männchen; denn in manchen Gegenden Deutschlands leuchtet das geflügelte Männchen »cicindela« nicht, sondern nur das als Graswurm, Gugle, Feuerkäfer bezeichnete Weibchen. In der Gegend von Frankfurt am Main heißt das Insekt Johanniskäfer oder St. Johannisfliege. Nach der Aufzählung der Namen, von welchen nur eine Blumenlese gegeben wurde, fährt unser englischer Gewährsmann fort: »Die Männchen oder die geflügelten Cicindelen leuchten hier, wie in Vasconien (Nordwest-Spanien) nicht, sondern nur die Weibchen, welche Würmer sind; dagegen sind in Italien und in der Umgegend von Heidelberg alle Weibchen lichtlos und die Männchen scheinen zu leuchten. Die Erforschung des Grundes überlasse ich den Philosophen«. Hierauf wird das geflügelte Männchen ausführlich beschrieben und erwähnt, daß es an der Bauchspitze zwei mondförmige Flecke trage, einen neben dem anderen, von denen bei Nacht der helle Glanz ausgehe, ähnlich angebranntem Schwefel, als ob man glühende Kohlen durch die Luft fliegen sähe. Es erscheint niemals in England oder leuchtet wenigstens nicht, wenn es daselbst vorkommen sollte. Sodann wird das flügellose Weibchen beschrieben und als ein langsam schreitendes, raupenähnliches Wesen geschildert, welches sich von seinem eigenen Kothe ernähre und aus dem weißlichen Leibesende – es sind die drei letzten Ringe – einen wunderbaren, gewissermaßen Erdsternen nachahmenden Glanz ausstrahle, welcher mit einer Laterne und dem Monde hinsichtlich der Helligkeit zu wetteifern scheine. Weiter wird nach den Erfahrungen zweier berühmter Männer behauptet, daß die Vereinigung verbundener Pärchen über Nacht bis zum anderen Mittag gedauert habe, das Männchen sofort, das Weibchen erst nach zwanzig Stunden gestorben sei und viele Eier abgelegt habe. Was Aristoteles über die Entwickelung erwähnt, bleibt dem Verfasser wegen der nicht zu deutenden Namen unverständlich, und er schließt seine gelehrte Abhandlung mit einem Gedicht des Anton Thylesius, in welchem die fliegende Cicindela besungen wird.

Die Flügellosigkeit der Weibchen und das Vorkommen mehrerer Arten war mithin schon in jener Zeit bekannt. Bei uns in Deutschland leben deren zwei, die eine hier, die andere dort vorherrschend.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 106-107.
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