Birnknospenstecher (Anthonomus pyri)

[149] Die Blütenstecher (Anthonomus) könnte man der Körpertracht nach für größere, plumpe Spitzmäuschen erklären, die gebrochenen Fühler, die lichten Haarbinden oder Flecke auf dem braunen Untergrunde der Flügeldecken unterscheiden sie aber auf den ersten Blick von denselben, wie noch verschiedene andere Merkmale, welche in dem dünnen, geraden Rüssel, in den kleinen, runden Augen, den schwachen Fühlern mit siebengliederiger Geisel, von denen das erste Glied sich verlängert, die letzten eine spindelförmige, geringelte Keule bilden, und in dem großen Schildchen begründet sind. Die zapfenförmigen Vorderhüften stoßen zusammen, alle Schenkel sind verdickt, die Schienen gekrümmt, die Bauchringe frei. Die Gattung breitet sich gleichfalls über die ganze Erde aus, in Amerika weniger zahlreich als anderswo. Die europäischen größeren Arten der überhaupt am Körper nicht großen Gesellen erweisen sich an den Obstbäumen vielfach unnütz, indem die Weibchen im ersten Frühjahre deren Blatt- und Tragknospen anstechen, ein, auch ein paar Eier hineinschieben und die Larven dieselben ausfressen, sie mithin nicht zur Entwickelung gelangen lassen. Die äußeren Schuppen bräunen sich, ein mit vielen derartigen Knospen versehener Apfel- oder Birnbaum sieht wie verbrannt aus, und man hat dem Uebelthäter in manchen Gegenden den Namen »Brenner« beigelegt, mit welchem kaum eine bestimmte Art gemeint sein kann, weil mehrere in gleicher Weise leben. Für gewöhnlich dürfte der Apfelblütenstecher (Anthonomus pomorum, Fig. 1) darunter verstanden sein. Er zeichnet sich durch die verwischte, graue Schrägbinde auf jeder der pechbraunen Flügeldecken aus. Diese Binde, aus grauer Behaarung bestehend, ist bei der sehr nahe stehenden zweiten Art, bei dem Birnknospenstecher (Anthonomus pyri, Fig. 2) gerade und erreicht die Ränder jeder Decke nicht vollständig. Diese beiden Arten, durch das angegebene Merkmal auf den ersten Blick, durch noch einige andere bei eingehenderer Betrachtung zu unterscheiden, leben an Apfel- und [149] Birnbäumen. Sie kommen sehr früh im Jahre aus dem Winterlager, und obgleich sie im Sonnenscheine lebhaft fliegen, steigen sie jetzt meist zu Fuße am Stamme der Bäume in die Höhe, wie sie im Herbste ebenso hinabsteigen, um das Winterlager hinter Rindenschuppen, in alten Bohrlöchern am Fuße des Stammes oder in dessen Nähe unter der Erdoberfläche zu beziehen. Man hat diese Fußpartien der Käfer in Abrede gestellt und auch ich habe sie so lange angezweifelt, bis mir mit den bekannten, für den Frostspanner bestimmten Theerringen im Herbste und im ersten Frühjahre abgefangene Käfer zugeschickt worden sind. Das befruchtete Weibchen greift nun die sich regenden Knospen mit seinem langen Rüssel an und bohrt Löcher in dieselben, theils um sich zu ernähren, theils um je ein Ei in einem Bohrloche unterzubringen. Für die betroffenen Knospen können die Wirkungen hiervon sehr verschieden ausfallen, da bekanntlich die Fruchtknospen beider Obstarten mehrere Blüten in der Hauptknospe enthalten. Ist letztere noch vollkommen geschlossen, so können mehrere Blütenknospen getroffen werden; erfolgt dann die Entfaltung, so bleiben die mit einem Eie belegten zurück, während die unversehrte Blüte zur Entwickelung gelangt, eine im Fruchtboden getroffene sogar bald abfällt. Sind die Einzelknospen schon mehr vorgerückt, so können diese sämmtlich mit Eiern belegt werden; alle vertrocknen und sehen wie verbrannt aus, während sich unter ihrem Schutze die Larve schnell entwickelt und daselbst auch zu einer schlanken, sehr beweglichen Puppe wird. Ich habe die zweite Art aus Birnknospen erzogen, welche sämmtlich in ihrer ersten Hülle »verbrannt« erschienen und keine einzige Blütenknospe trieben, theilweise auch Blattknospen waren. Die Entwickelung ging sehr rasch vor sich; denn die Mitte April als vertrocknet eingetragenen Hauptknospen lieferten bereits vom 30. April an den Birnknospenstecher in reichlicher Menge. Ob der im Mai erscheinende junge Käfer thatenlos sein Leben bis nach der Ueberwinterung verbringt, oder ob es Käfer einer zweiten Brut sind, welche im folgenden Frühlinge für die Fortpflanzung sorgen, wage ich nicht zu entscheiden, doch werden meines Wissens zwei Bruten von niemandem angenommen. Obstsorten, mit sehr lange geschlossenen, also spät austreibenden Knospen, haben mithin von diesen Käfern am meisten zu leiden, außerdem mehrt sich der Schaden in solchen Jahren, in denen durch die Witterungsverhältnisse oder durch den ungünstigen Stand der Bäume die Knospenentwickelung verzögert wird; denn wie aus der angeführten Lebensweise dieser Blütenstecher hervorgeht, können ihre Larven nur in Knospen gedeihen; beschleunigt sich deren Entfaltung vor der Vollwüchsigkeit der Larve, so ist deren Weiterentwickelung sehr in Frage gestellt.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 149-150.
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