Brachkäfer (Rhizotrogus solstitialis)

[88] Der Brachkäfer, Sonnenwendkäfer, Juni- oder Johanniskäfer (Rhizotrogus solstitialis) mag als Beispiel einer Menge anderer, ihm ungemein ähnlicher Arten mehr südlicher Gegenden dem Beschlusse der ganzen Sippe der Laubkäfer dienen. Er ist, wie sein Bild (S. 85) darthut, ungefähr nur halb so groß wie der gemeine Maikäfer, auf der Rückenseite gelblichbraun, nur der Hinterkopf, die Scheibe des Halsschildes und die ganze Unterseite sind dunkler, Vorderrücken, Schildchen und Brust langzottig behaart, etwas schwächer fällt die Behaarung am Bauche aus. Der Unterschied zwischen der vorigen Gattung und Rhizotrogus besteht darin, daß bei letzterer die Fühlerkeule nur dreiblätterig ist, die Lippentaster an der Außenfläche der Unterlippe entspringen und eiförmig endigen. Der Aftergriffel fehlt hier wie bei dem Gerber.

Im Betragen sowie in der Entwickelungsweise weicht der Brachkäfer vom Maikäfer in verschiedenen Stücken ab. Wie seine übrigen Namen andeuten, fliegt er immer später, um die Johanniszeit, und nur etwa vierzehn Tage, dann und wann aber an sehr beschränkten Oertlichkeiten in bedeutenden Mengen. Am Tage bekommt man ihn nicht zu sehen, weil er an Buschwerk und nach meinen Erfahrungen namentlich an den jungen Obstbäumen ruht, welche die breiteren Feldwege einfassen. Sobald die Sonne am westlichen Himmel verschwunden ist, fliegen die Käfer lebhaft über Getreidefelder und die benachbarten niederen Bäume und Büsche umher, und scheinen es immer darauf abgesehen zu haben, dem harmlosen Spaziergänger so lästig als möglich zu fallen; denn wie die zudringliche Fliege immer und immer wieder denselben Platz im Gesichte wählt, welchen sie sich einmal ausersah, so schwirrt er trotz eifriger Abwehr dem Wanderer immer wieder um den Kopf. Läßt dieser sich darauf ein, mit der Hand nach den Zudringlichen zu fangen, so gehört keine große Uebung dazu, deren eine Menge zu erhaschen. Bei genauer Betrachtung ergeben sich dieselben fast nur als Männchen. Die Weibchen sitzen nahe dem Boden an den verschiedensten Pflanzen, und das wilde Umherfliegen des anderen Geschlechts scheint vorherrschend der Paarung zu gelten. Gleichzeitig werden auch passende Weideplätze aufgesucht und zu diesem Zwecke Laub- wie Nadelholz für geeignet befunden, so daß der Johannistrieb entschieden von den Angriffen zu leiden hat, zumal wenn ein Maikäferfraß vorangegangen ist. Die befruchteten Weibchen legen ihre Eier an die Wurzeln der verschiedensten Pflanzen, doch scheinen die der Gräser, also auch die der Cerealien und Kräuter, am meisten von dem Fraße der Larven zu leiden zu haben. Diese letzteren sind denen des gemeinen Maikäfers sehr ähnlich, im erwachsenen Alter aber [88] im Vergleiche zu den halbwüchsigen Engerlingen durch größere Dicke des Körpers und überhaupt gedrungeneren Bau zu unterscheiden. Meiner Ansicht nach erfolgt die Entwickelung in Jahresfrist; von anderer Seite wird behauptet, daß dieselbe zweijährig sein möge, weil nach Ablauf dieser Frist die Käfer zahlreicher aufträten. Mir ist eine zweijährige Wiederkehr größerer Käfermengen noch nicht aufgefallen, ich habe dem Gegenstande aber zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet, um entschiedenen Widerspruch einlegen zu können.

Die Lebensdauer dieser Art und anderer noch kleinerer, theilweise anderen Gattungen zuertheilter Arten scheint eine verhältnismäßig sehr kurze zu sein, so daß man manche von ihnen für selten oder sehr selten erklären könnte, weil man Jahre hindurch kein einziges Stück zu Gesichte bekommen hat, während man sie hundertweise hätte einsammeln können, wenn man bei oder unmittelbar nach ihrem Erscheinen zufällig ihre Geburtsstätte besucht hätte. Die Beschränkung der meisten auf ein nur kleines Gebiet trägt bei allen denjenigen, welche nicht so massenhaft wie bisweilen unser Brachkäfer schwärmen, zu dem eben erwähnten Umstande gleichfalls bei.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 88-89.
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