Gemeine Seejungfer (Calopteryx virgo)

[516] Die Seejungfern (Calopteryx) gehören zu der Sippe der Agrioniden, welche durch einen breiten, hammerförmigen Kopf, welcher an den Seiten weit von einander getrennt die halbkugeligen Augen trägt, durch einen drehrunden, dünnen Hinterleib und durch eine zwischen den inneren Laden tief ausgeschnittene Unterlippe im vollendeten Zustande, durch Schwanzkiemen und eine flache Maske im Larvenstande charakterisirt werden. Bei der genannten Gattung verschmälern sich die engmaschigen Flügel allmählich nach der Wurzel, unterscheiden sich je nach dem Geschlechte in der Färbung und ermangeln beim Männchen eines Males. Bei dieser Gattung nehmen außerdem die Raife Zangenform an. Die anatomischen Untersuchungen haben ergeben, daß die Larven nicht nur durch Schwanz-, sondern gleichzeitig durch Darmkiemen athmen. Jene bestehen aus drei langen Flossen, zwei fast dreikantigen äußeren, tiefer stehenden und einer etwas kürzeren und höher gerückten in der Mitte. Eine vorn gespaltene Maske, vor den Augen auf kantigem, kräftigem Grundgliede eingelenkte Fühler, welche in ihren sieben Gliedern den Kopf an Länge übertreffen, und Nebenaugen charakterisiren überdies diese schlanken, langbeinigen Thiere, deren Form in gleicher Weise bei keiner anderen Gattung vorkommt. Eine der häufigsten und verbreitetsten Arten ist die gemeine Seejungfer (Calopteryx virgo). Das Weibchen hat braune Flügel mit weißem Male und einen metallisch smaragdgrünen Körper, das Männchen dagegen, das wir auf dem Bilde, »Eierlegen einer Schlankjungfer«, fliegend erblicken, erscheint durchaus wie in Stahl gekleidet, gesättigt dunkelblau. Genau genommen, sehen die Flügel auch braun aus, schillern aber der Regel nach in jener Farbe, mit Ausnahme der lichteren Spitze; doch finden sich auch Individuen – man hat sie »unreife« genannt, Calopteryx vesta Charpentiers –, bei denen der Schiller vollständig wegbleibt und die braune Grundfarbe zur Geltung kommt. Die Körperlänge beträgt 43,5 bis 48 Millimeter. Mit der gemeinen Seejungfer darf die im Juli und August gleichzeitig fliegende Calopteryx splendens nicht verwechselt werden; ihre Flügel sind schmäler, durchsichtig und haben beim Männchen eine blaue Querbinde vor der Spitze, beim Weibchen grünes Geäder.

Die Schlankjungfern (Lestes) tragen schmälere, an der Wurzel deutlich gestielte Flügel mit weiteren, zum Theil fünfeckigen Maschen. Die schlanken, dünnen Larven athmen nach der letzten Häutung, also im Nymphenzustande, nur durch lange und breite Schwanzkiemen, haben keine Nebenaugen, dünne, siebengliederige Fühler zwischen den Netzaugen und eine sehr lange, schmale Maske, welche in der Ruhelage bis zu den Hinterhüften reicht. Von den gleich langen Leibesringeln tragen die fünf vorletzten kurze, gerade Seitenstacheln sowie das Ende zwischen den drei Flossen fünf kurze Schwanzspitzen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 516.
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