Verlobte Seejungfer (Lestes sponsa)

[516] Im Mai und Juni fliegt in Deutschland nicht selten die verlobte Seejungfer (Lestes sponsa, Agrion forcipula Charpentiers). Der smaragdgrüne Körper mißt 33 bis 35 Millimeter und wird beim ausgefärbten Männchen oben und unten am Mittelleibe sowie auf den beiden Wurzel- und Endgliedern des Hinterleibes von lichtgrauem Reif überzogen, eine fast weiße Randader am braunen oder schwarzen Flügelmale und zwei gleich große und spitze Zähne am Innenrande der Haftzangen gehören zu den weiteren Erkennungszeichen des Männchens. Das Eierlegen dieser Art beobachtete von Siebold an einem mit Binsen (Scirpus lacustris) bewachsenen Teiche, und ich konnte mir nicht versagen, dasselbe durch eine Abbildung: »Eierlegende Schlankjungfer«, zu veranschaulichen. Ist die Paarung, wie oben berichtet, erfolgt, so läßt das Männchen sein Weibchen nicht los, wie dies andere thun, sondern hält es am Nacken fest und führt es spazieren. Beide fliegen in dieser Verbindung mit ausgestreckten Leibern umher, setzen sich auf diese und jene Wasserpflanze und scheinen in ihren Handlungen von einem Willen beseelt zu sein. Am häufigsten läßt sich das Männchen an jenen Binsen und zwar meist an der Spitze nieder, und die Beobachtungen bezogen sich zunächst auf die näher stehenden, außerhalb des Wassers befindlichen Pflanzen. Hatte sich ein Männchen auf einer derselben niedergelassen, so krümmte alsbald das Weibchen, welches hinter ihm [516] in der Entfernung Platz griff, welche ihm der männliche, gerade ausgestreckte Hinterleib vorschrieb, den seinen bogenförmig, die Spitze desselben hinter seinen Füßen einsetzend, schob den säbelförmigen Legbohrer aus den beiden seitlichen Hornscheiden hervor und drückte ihn in die Oberhaut der Binse ein. Kaum war dieses geschehen, so kroch es einige Schritte an der Binse herab, arbeitete von neuem mit seinem Legapparate und fuhr in dieser Weise fort, bis es, das Männchen natürlich mit sich ziehend, am Grunde der Binse angelangt war. Dann flogen beide davon, um an einer anderen dasselbe Geschäft von oben bis unten zu wiederholen. Die in dieser Weise bearbeiteten Stengel ließen Reihen weißgelber Fleckchen erkennen; von oben nach unten war durch die Verwundung ein Streifchen Oberhaut abgetrennt, aber mit dem konvexen Theile des Legapparates, nachdem derselbe herausgezogen war, wieder angedrückt worden. Fast hinter jeder dieser Wunden lag in der hinter ihr befindlichen, geräumigen Luftzelle der Binse ein Ei, und zwar mit seinem spitzeren, dunkelbraunen Ende in den inneren Theil der Hauptspalte eingeklemmt; das etwas dickere, abgerundete Ende des fast walzigen, sonst blaßgelb gefärbten Eies ragte in die Zelle hinein. Diese hatte, wenn die Eier schon längere Zeit darin staken, eine krankhafte, braune Farbe angenommen. Manchmal fand sich hinter einer solchen Verwundung kein Ei; es war in diesem Falle wahrscheinlich dem Weibchen keine Zeit zum Ablegen desselben gelassen worden; denn das Männchen zeigt nicht immer gleiche Ausdauer, um ihm bis unten zu folgen, sondern fliegt manchmal auf, noch ehe der ganze Weg zurückgelegt ist. Als die Blicke des aufmerksamen Beobachters weiter schweiften, gewahrten sie auch Pärchen auf Binsen, die aus dem Wasser hervorragten. Sie ließen sich durch dieses nicht abhalten, ihren gewohnten Weg bis zum Grunde der Pflanze fortzusetzen, sondern verschwanden beide unter der Wasserfläche, legten aber vorher ihre vier Flügel dicht zusammen. Hatte sich das Weibchen unter das Wasser begeben, so rückte das Männchen schnell nach, und jenes begann sein Geschäft nicht eher wieder, als bis auch dieses ganz von Wasser umgeben war; hier bog es seinen Hinterleib aber gerade so sprenkelartig vom Stengel der Binse ab, wie das Weibchen, so daß alle unter Wasser befindlichen Pärchen, deren von Siebold eine große Anzahl beobachtete, mit ihren Leibern einen doppelten Bogen bildeten. Außerdem gewährten sie durch ihren Silberglanz einen überraschenden Anblick. An ihren Leibern, den Beinen und Flügeln nämlich haftete eine dünne Luftschicht, die sie ohne Zweifel zum Athmen bedurften; denn einzelne blieben eine halbe Stunde unter Wasser, weil sie hier, wie auf dem Lande bis zum Grunde der Binse, also auch des Teiches, hinabstiegen. Sind sie hier angekommen, so kriechen sie am Stengel wieder empor und fliegen sofort davon, wenn sie über dem Wasserspiegel angelangt sind. Es kam nicht selten vor, daß an einer und derselben Binse, an welcher unter Wasser bereits ein Pärchen saß, sich ein zweites in die Tiefe begab und zwar auf derselben Seite. In einem solchen Falle wichen sie einander in der Weise aus, daß sich das obere nach der entgegengesetzten Seite des Stengels wendete und dann sein Geschäft ungehindert fortsetzte. Bei Annäherung des Beobachters ließen sie sich an der Luft in ihrer Arbeit stören und flogen davon; nicht so im Wasser: da konnten sie bis auf einen gewissen Grad beunruhigt, d.h. berührt werden, sie klammerten sich nur fester an den Stengel an, wurde aber mit einem Stocke stärker um sie herumgewirtschaftet, so krochen sie schneller als gewöhnlich an der Binse herauf, um zu entfliehen. An den unter Wasser angestochenen Stellen der Binse breitet sich ein brauner Fleck aus, der bis in die Luftzellen eindringt. Daß übrigens die Weibchen einen großen Drang zum Eierlegen haben müssen, geht aus den weiteren Beobachtungen hervor, denen zufolge sie dürres Holz und andere ungeeignete Gegenstände, an die sich die Männchen bisweilen auch ansetzten, in derselben Weise mit ihrem Legbohrer zu bearbeiten versuchten, wie die weichen Binsen. Am spitzen Ende der Eier schlüpfen die Larven aus, welche durch ihre in die Augen fallenden längeren und verschieden geformten Fühler in dieser Jugend einen anderen Eindruck machen als im späteren Lebensalter.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 516-517.
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