Sippe: Schildwanzen (Pentatomidae)

[613] Als Schildwanzen (Scutati) werden schließlich alle diejenigen Wanzen zu einer Familie zusammengefaßt, deren Rückenschildchen wenigstens über die Mitte des Hinterleibes zurückreicht, wenn es denselben nicht fast ganz bedeckt. Am dreieckigen, bis zu den Netzaugen im Vorderbrustringe steckenden Kopfe sitzen unmittelbar vor jenen die drei- bis fünfgliederigen Fühler, [613] eine viergliederige Schnabelscheide, deren zweites Glied das längste zu sein pflegt, und an den wenig ausgezeichneten Beinen zwei- oder dreigliederige Füße mit Haftlappen. Den meisten kommt ein deutlicher Chitintheil und eine Haut an den Halbdecken zu, und nur bei denen mit sehr großem Schildchen beschränkt sich die Chitinbildung auf den von letzterem frei gelassenen Vorderrand der Flügeldecken. Die allgemeinen Umrisse des Körpers entsprechen einer Ellipse oder durch die heraustretenden Seiten des unregelmäßig sechseckigen Vorderrückens einem Wappenschilde. Am immer sehr großen Mittelleibe bemerkt man seitlich zwischen dem zweiten und dritten Brustbeine neben dem Luftloche eine große geschweifte Falte als die Mündung der Stinkdrüse. Der Hinterleib besteht aus sechs großen Ringen, zu welchen noch die in einem Ausschnitte des letzten liegenden Geschlechtswerkzeuge als siebentes Glied hinzukommen, und läßt eine flache Rückenseite von einem abwärts gewölbten, bisweilen mit einer mittleren Längsrinne, in anderen Fällen mit einem scharfen Kiele versehenen Bauche deutlich unterscheiden. Dieser Kiel verlängert sich vom zweiten Gliede an gegen die Brust hin, ragt über den ersten hinweg und erreicht mit seiner dolchförmigen Spitze nicht selten den Hinterrand des Vorderbrustbeines. In der Mitte jedes Bauchringes, nicht weit vom Seitenrande entfernt, befindet sich beiderseits ein Luftloch, nur am ersten versteckt es sich bisweilen in der Bindehaut, und am siebenten verschwindet es oft ganz. Die geschlechtlichen Unterschiede treten an diesem Ringe fast in ähnlicher Weise zu Tage wie bei den Randwanzen: als Längsspalte beim Weibchen, als seitliche, oben und hinten in einen gebogenen Haken auslaufende, die Ruthenscheide bildende Klappen beim Männchen.

Die Schildwanzen halten sich an niederen Pflanzen auf, einige mehr versteckt, die meisten jedoch an der Oberfläche, wo sie durch zum Theil bunte Farben leicht in die Augen fallen, die größten von ihnen leben auf Bäumen und solchen Sträuchern, welche süße Beeren als Leckerbissen für sie auftischen, und pflegen vorherrschend grün gefärbt zu sein. Hinsichtlich der minder versteckten Lebensweise, ihrer Bereitschaft, im Sonnenscheine umherzufliegen, und zwar mit lautem Gebrumme, stehen sie den Blindwanzen am nächsten und fallen wegen ihrer Größe im Freien fast mehr auf als diese, obgleich sie nur mit ungefähr halb so vielen Arten (150) in Europa vertreten sind. Sie überwintern im vollkommenen Zustande unter dürrem Laube. Das befruchtete Weibchen legt zu Anfang des Frühjahres seine ovalen oder fast kugelrunden, mit einem Deckelchen versehenen Eier, zu kleinen Kuchen neben einander gestellt, an solche Stellen, wo sich die Wanzen aufzuhalten pflegen, die einen an niedere Gewächse, die anderen an die Blätter oder Nadeln der Bäume, und die anfangs fast kreisrunden Lärvchen wachsen unter mehrmaligen Häutungen, wobei sie allmählich Gestalt und Farbe verändern, im Laufe des Sommers und Frühherbstes zu ihrer vollen Größe heran, indem sie sich vorzugsweise von Pflanzensäften ernähren, ohne jedoch thierische Kost zu verschmähen. Das ihnen angeborene träge Wesen verliert sich mit der Entwickelung der Flügel etwas und kann durch die Strahlen der alles belebenden Sonne zeitweilig sogar in das Gegentheil umgewandelt werden.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 613-614.
Lizenz:
Kategorien: