Weidencikade (Aphrophora salicis)

[594] Höchst eigenthümlich gestaltet sich das Larvenleben der Schaumcikade (Aphrophora spumaria, Fig. 3), indem sie »die thränenden Weiden«, oder an einigen Wiesenpflanzen, besonders der Kukuks-Lichtnelke (Lychnis floscuculi) und dem Bocksbarte (Tragopogon pratense), den sogenannten Kukuksspeichel zur Aufführung bringt.


1 Ohrenzirpe (Ledra aurita), 2 Vorderkörper von der Seitenansicht. 3 Schaumcikade (Aphrophora spumaria). Alles vergrößert.
1 Ohrenzirpe (Ledra aurita), 2 Vorderkörper von der Seitenansicht. 3 Schaumcikade (Aphrophora spumaria). Alles vergrößert.

Im Herbste hatte das Cikadenweibchen mittels seiner langen, in einer Bauchspalte verborgenen Legscheide die Eier zwischen Rindenritze, bei letzteren Pflanzen wahrscheinlich an den Wurzelstock versenkt. Diesen entschlüpft im nächsten Frühjahre eine grüne, nach hinten zugespitzte, am Bauche abgeplattete Larve, welche die betreffende Futterpflanze ansticht, um sich zu ernähren. Die durch ihren Körper gegangenen Säfte derselben erscheinen nicht wie bei den Blattläusen als kleine, klebrige, andere Wesen anlockende Tröpfchen, sondern als weißer Schaum, wie ihn Seife oder Speichel hervorbringen, dazu bestimmt, andere Kerfe und feindlich gesinnte Vögel abzuhalten, indem er die Larve vollständig einhüllt. Sitzen ihrer viele auf einer alten Weide bei einander, so fließen die zahlreichen Schaumbläschen in Tropfen zusammen, träufeln herab und »die Weiden thränen«, besonders wenn ein wolkenloser Himmel warmes trockenes Wetter verkündigt. Erst wenn die Larve ihre Häutungen bestanden hat, kommt sie unmittelbar vor der letzten aus ihrer Umhüllung hervor und treibt sich auf Gebüsch und benachbarten Gräsern umher, jene aber verschwindet durch Eintrocknen. Die Schaumzirpe erscheint in Wirklichkeit nach hinten mehr zugespitzt als auf unserem Bilde, wo ihr die Flügeldecken klaffen, von Farbe gelbgrau, mit Ausnahme von zwei unbestimmt abgegrenzten lichten Streifen auf jeder Flügeldecke. Sie und die übrigen Gattungsgenossen charakterisirender dreiseitige, durch eine scharfe Kante von der mäßig gewölbten Stirn getrennte Scheitel, ein siebeneckiges Halsschild, die kurz kegelförmigen Hinterhüften sowie die walzigen, mit drei kräftigen Dornen bewehrten Schienen. – Eine einfarbig gelbgraue, etwas gestrecktere Art, die Weidencikade (Aphrophora salicis Fallens oder lacrymansEversmanns), bringt an den Weiden im Ohrenburgischen dieselbe Erscheinung hervor, wie die abgebildete in Deutschland, und auf Madagaskar sitzt wieder eine andere Art an den Maulbeerbäumen, von welchen bei brennendem Sonnenscheine ein förmlicher erquickender Regen herabträufeln soll, indem die Larven klumpenweise rund um die stärksten Schößlinge sich festhalten.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 594.
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