1. Sippe: Teichläufer

[604] Die bei der Bildung ihrer Geschöpfe nirgends sprungweise vorgehende Natur hat in den Wasserläufern (Ploteres, Hydrodromici) eine Gruppe von Wanzen geschaffen, die hinsichtlich der Lebensweise den wasserbewohnenden, hinsichtlich der Körperbildung dagegen den Landwanzen näher stehen und somit einen natürlichen Uebergang von jenen zu diesen bilden. In ersterer Beziehung verhalten sie sich zu den Wasserwanzen genau so, wie die Taumelkäfer zu den Schwimmkäfern; denn sie kommen nicht in, sondern nur auf dem Wasser vor. Nicht anders, wie im Winter eine lustige Gesellschaft gewandter Schlittschuhläufer sich auf dem Eise tummelt, so lausen diese lang- und dünnbeinigen Wanzen ohne Eisbahn und ohne Eisen unter den Füßen auf dem ruhig stehenden, von der Sonne beschienenen Wasserspiegel von einem Punkte auseinander, nach einem andern zusammen, kreuz und quer sich jagend und wiederum an einer Stelle sich einigend. Um zu ruhen, stehen sie ein anderes Mal wie angewurzelt und scheinen nur auf eine Veranlassung zu warten, um ihre Künste zu zeigen; denn nahet man, so laufen sie neckisch davon und zwar gern gegen die schwache Strömung, wenn ein Bach ihnen zum Spielplatze dient. Daß die dem Larvenstande entwachsenen, mit Flügeln ausgerüsteten Wanzen diese auch gebrauchen, lehrt unter anderem das Erscheinen einzelner in mit Regenwasser gefüllten Wagengeleisen auf den Fahrstraßen. Kleine Erweiterungen in Wasserfurchen, welche als erste Anfänge eines Baches von den Bergen herabrieseln, nehmen sie gastlich auf. Ihre eigentlichen Standquartiere bilden aber alle größeren Wasserlachen und ruhige Stellen fließender Gewässer jeder Art, ja die Meerläufer (Hylobates) treiben auf der Oberfläche der tropischen Meere ihr Wesen und sollen sich dabei weit von der Küste entfernen. Die lustigen Umzüge dieser Wanzen dienen nicht nur dem Vergnügen, sondern auch zum Einfangen kleiner Insekten, mit welchen sie ihren Hunger stillen. Der Raub wird meist mit den zum Laufen nicht verwendeten Vorderbeinen ergriffen, obgleich diese nicht den Bau von Fangbeinen haben. Bei den verschiedenen Gattungen folgen die sechs Beine nicht demselben Bildungsgesetze, doch pflegen sie weit nach der Außenseite des Körpers gerückt zu sein und nur zwei deutliche Fußglieder zu tragen, deren letztes immer in einem Ausschnitte vor der Spitze mit zwei Krallen versehen ist. Bei allen erreicht der Kopf fast die Breite des vorderen Brustringes, aus welchem er ohne halsartige Verengung wagerecht vorsteht; er trägt zwar nur viergliederige, aber deutliche, nicht versteckte Fühler und meist keine Nebenaugen. Die Schnabelscheide reicht bis auf die Vorderbrust, liegt dem Körper dicht an, ohne einer Rinne eingepaßt zu sein, und besteht aus drei Gliedern, deren mittelstes wenigstens die vierfache Länge des letzten erreicht. Den gestreckten, schmalen, nie auffällig platt gedrückten Körper überzieht dichtes Sammethaar, welches der Unterseite in der Regel einen lebhaften Silber- oder Messingglanz verleiht. Die Flügel und Flügeldecken fehlen mitunter, letztere indeß seltener, indem sie meist nur verkürzt sind. Die Weibchen legen ihre länglichen Eier reihenweise an Wasserpflanzen und umhüllen dieselben mit einem Gewebe.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 604.
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