Gemeiner Floh (Pulex irritans)

[486] Die Flöhe leben schmarotzend auf warmblütigen Thieren und nähren sich von deren Blute, ihre Larven dagegen von allerlei faulenden Stoffen, besonders vom Miste. Früher rechnete man alle zu einer Art, es ist aber erwiesen, daß fast jedes von Flöhen bewohnte Thier seine eigene beherbergt. Der nebenstehend abgebildete gemeine Floh (Pulex irritans) des Menschen ist als Weltbürger hinreichend bekannt und besonders von reizbaren, empfindlichen Naturen gefürchtet. Die Mundtheile sind in ihrer Gliederung abgebildet; es sei nur noch darauf aufmerksam gemacht, daß die Kiefertaster aus vier Gliedern bestehen, während sie bei anderen Arten wieder anders gebildet sind. Im August und September werden diese Thiere besonders lästig und in warmen Ländern mehr noch als in unseren gemäßigten Himmelsstrichen. Ein befruchtetes Weibchen legt etwa zwölf verhältnismäßig große, länglich ovale Eier zwischen die Ritzen der Dielen, in staubige, schmutzige Ecken. Dergleichen Brutstätten, besonders in Kinderstuben, aber auch in neugebauten Häusern, haben vor Zeiten zu dem Glauben Anlaß gegeben, die Flöhe entständen aus Sägespänen unter den Dielen, wenn sie mit Harn begossen würden. Das Richtige bei dieser Sache bleibt, daß Stubenkehricht, der an vielen Orten mit feuchten Sägespänen, welche man vorher zum Sprengen gegen den Staub anwendete, gemengt ist, eine besondere Anziehungskraft für die von Eiern geschwellten Weibchen ausübt. Im Sommer genügen sechs Tage, während des Winters im geheizten Zimmer die doppelte Zeit, um im Eie die Larve (Fig. f) zur Entwickelung zu bringen. Sie erscheint als schlankes, weißes Würmchen mit Fühlern, zwei Freßspitzen und Augen am Kopfe. Zwei Nachschieber am Leibesende und seitliche Börstchen unterstützen ihre schlangenartigen Windungen und bringen sie ziemlich schnell von der Stelle. Rösel fütterte sie mit Stubensfliegen, getrockneter, auf angefeuchteten Mulm geschabter Blutmasse und dergleichen, wodurch sie sich sichtlich färbten. Nach elf Tagen sind sie erwachsen, geben den Unrath von sich, werden wieder weiß und bereiten sich an ihren Aufenthaltsorten eine kleine Höhlung zur Verpuppung. Wenn die Made ihre Haut abgestreift hat, welche sich hinter ihr findet, ist sie zu einer weißen, munteren Puppe (Fig. g) mit zwei zangenartigen Schwanzspitzen geworden, an der man die einzelnen Theile des künftigen Kerfes wohl unterscheidet. Nach und nach färbt sie sich dunkler, bis im Sommer nach elf Tagen der gewandte »Turner« daraus hervorkommt. Somit währt die ganze Verwandlung etwa vier, im Winter unter günstigen Verhältnissen sechs Wochen. Der Neugeborene bedient sich sofort seines Vortheiles, der kräftigen Hinterbeine, und vom Blutdurst getrieben – er kann lange hungern, sticht aber dann um so empfindlicher – sucht er in langen Sätzen den Gegenstand, der ihm Nahrung bietet. Da er unter Menschen und Thieren geboren wurde, so dürften seine Bemühungen bald belohnt werden. Mitmeister hafter Fertigkeit bohrt er seine spitzen [486] Klingen ein und saugt in vollen Zügen, stets der Gefahr ausgesetzt, in seinem Behagen gestört zu werden, oder gar seine Lust mit dem Leben büßen zu müssen. Hat er sich wacker durchschmarotzt, ist er den allabendlich auf ihn angestellten Jagden glücklich entgangen und hat er den Gegenstand seiner thierischen Liebe gefunden – die Männchen sind bedeutend kleiner als die Weibchen – so erfüllt er den Lauf der Natur.


Gemeiner Floh (Pulex irritans). a Oberlippe, b Kinnbacken (beides die Stechwerkzeuge), c Taster der Unterlippe, d diese selbst, e Taster der kurzen, nicht sichtbaren Kinnladen, f Larve, g Puppe. Alles vergrößert.
Gemeiner Floh (Pulex irritans). a Oberlippe, b Kinnbacken (beides die Stechwerkzeuge), c Taster der Unterlippe, d diese selbst, e Taster der kurzen, nicht sichtbaren Kinnladen, f Larve, g Puppe. Alles vergrößert.

Bekanntlich gibt es Leute, welche durch Abrichten von Flöhen (Anspannen derselben an kleine Wägen usw.) sich ihren Lebensunterhalt verschaffen. Indem sie die Thiere längere Zeit in flache Döschen einsperren, wo sie sich bei Springversuchen jedesmal derb an den Kopf stoßen, gewöhnen sie ihnen diese Unart ab und durch Ansetzen an einen ihrer Arme belohnen sie einen jeden nach der Vorstellung stets mit so viel Blut, als er trinken mag. Wir haben hierin einen neuen Beweis dafür, daß den Thieren, den unbedeutenden Kerfen, eine gewisse höhere geistige Fähigkeit innewohnt, welche unmöglich durch den bloßen Naturtrieb erklärt werden kann, wie von gewissen Seiten versucht wird.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 486-487.
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