3. Sippe: Bombinen, Hummeln

[218] Die unbeholfenen, brummigen Hummeln (Bombus), die »Typen der Brummer«, wie sie Landois nennt, jene Bären unter den Kerfen, in unterirdischen Höhlen kunstlos nistend, sind eigentlich nichts gegen die hochgebildeten Bienen in ihren großen Städten, nichts gegen die tyrannischen Wespen und Hornissen in ihren papierenen und pappenen Zwingburgen, und doch bieten ihr einfaches, ländliches Leben, die kleinen Gesellschaften, in denen sie sich zu einander halten, die versteckten Erdhütten, von welchen sie friedlich umschlossen werden, des Poetischen genug, um einer eingehenden Betrachtung gewürdigt zu werden. Ihr Staat, oder vielleicht richtiger gesagt die Familie, soll noch zusammengesetzter sein, als bei den Honigbienen, indem man große und kleine Weibchen beobachtet haben will, welche letzten meiner Meinung nach eine dürftigere Ernährung voraussetzen. Sie stammen sämmtlich von einer, aber großen Mutter ab, welcher es vergönnt ward, in einem Winkel der elenden Hütte, oder fern von der Geburtsstätte unter Moos, in einem hohlen Baumstamme usw. den winterlichen Stürmen zu trotzen. Sie birgt im mütterlichen Schoße die entwickelungsfähigen Keime der künftigen Nachkommenschaft und erwartet die allgemeine Auferstehung des nächsten Jahres, um den für sie ersten und – einzigen Frühling zu begrüßen. Auf den Crocus, Weidenkätzchen und den wenigen Erstlingen des jungen Jahres stellt sie sich mit anderen hungerigen Vettern und Basen ein und stimmt in dem fröhlichen Konzerte den tiefsten Baß an, welchen keiner der anderen Summer und Brummer und Pfeifer ihr nachsingen kann.


»Schwerfällig hockend in der Blüte, rummeln

Die Kontraviolen, die trägen Hummeln.«


Dabei geht die Arbeit rüstig von statten. Die Arbeit? Sie feiert ja! Feiern und Arbeiten ist bei ihr und ihresgleichen ein und dasselbe, durch Arbeit wird eben gefeiert. Sie hatte ein [218] verlassenes, altes Nest ausfindig gemacht, oder einen berasten, von Ameisen noch nicht in Anspruch genommenen Maulwurfshügel, einen schlangenförmigen Gang desselben Thieres, ein verfallenes Mauseloch, dem sie im Inneren, wenn nöthig, die gewünschten Räumlichkeiten selbst verleiht. Je nach der Hummelart wird lieber das eine oder das andere Plätzchen gewählt, aber alle stimmen dem Wesen nach überein und müssen einen versteckten und bequemen Eingang haben. Hier hinein trägt sie nun den Honigseim, welchen sie reichlich mit Blütenstaub vermengte, und speichert die Mischung in kunstlosen Häuflein auf. Darin liegt zunächst ein wesentlicher Unterschied zwischen den Hummeln und der Honigbiene. Sie verstehen nichts von der Baukunst, fertigen keine Zellen für ihre Brut, oder als Vorrathskammern des Honigs. An jenes Häuflein legt die sorgsame Hummelmutter jetzt einige Eier, fährt fort, jenes zu vergrößern, diese zu vermehren. Durch anhaltend günstige Witterung wird ihre Arbeit beschleunigt, durch das Gegentheil verzögert werden. Sobald die Larven den Eiern entschlüpft sind, fressen sie sich in die Futtermasse hinein und bilden Hohlräume. Die Wände verdünnen sich mehr und mehr durch ihre Thätigkeit, aber neue Pollenmassen ersetzen von außen die Abgänge im Inneren. Die Larven, sehr ähnlich denen der Bienen, wachsen schnell heran und spinnen je ein glasartiges, geschlossenes Gehäuse um sich. Alle diese Gehäuse, ohne Ordnung neben einander liegend, wie in unserer Abbildung (S. 221), oder enger unter einander verbunden, je nach der geringeren oder größeren Zahl der gleich alten Larven und ihrem damit zusammenhängenden weiteren oder dicht gedrängteren Beieinandersein, wurden lange für die Zellen der Hummeln gehalten. Sind sie erst leer und von den früheren Bewohnern oben geöffnet, so wird auch mitunter Futter hineingetragen, damit für böse Tage, welche das Ausfliegen nicht erlauben, kein Mangel eintrete. Aus den Puppengehäusen schlüpfen im Anfange nur Arbeiter, die man stets an ihrer bedeutenderen Kleinheit erkennt. Sie helfen nun der Stammmutter, bringen Futter herbei, verbinden die Puppentönnchen miteinander, die Futterüberbleibsel dabei verwendend, wie es scheint, überziehen einzelne Stellen im Neste mit einer Harzschicht, eine durch den Nestbau bedingte Eigenthümlichkeit der Mooshummeln. Kurz, ihre Thätigkeit kennt kein Ende. Von früh bis zum späten Abende lassen sich geschäftige Hummeln sehen und hören. An trüben, unfreundlichen Tagen, wenn sich gern jeder andere Kerf in seinen Schlupfwinkeln verborgen hält, spät des Abends, wenn die anderen, nicht nächtlichen schon zur Ruhe gegangen sind, brummt eine einsame Hummel von Blume zu Blume, es kommt ihr auch nicht darauf an, im Schoße einer größeren zu übernachten, einen Sturm und Regenschauer darin abzuwarten, ja, Wahlberg sah sie im hohen Norden, in der Finnmark und in Lappland, an hellen Sommernächten arbeiten, und das Beiwort »träge«, welches ihnen die Dichterin zuertheilt, kann sich daher nur auf die schwerfälligeren, plumperen Bewegungen der Hummeln im Vergleiche zu den beweglicheren Bienen beziehen.

Später im Jahre erscheinen kleinere Weibchen, welche nur Drohneneier legen, und Männchen, und zu letzt, gegen den Herbst hin, auch große Weibchen, welche zur Ueberwinterung bestimmt sind. Wenn es möglich wäre, die Hummelnester einer so sorgfältigen Beobachtung zu unterwerfen, wie die Bienenstöcke, so würde sich vielleicht auch bestätigen, was Gödart erzählt, daß jedes Hummelnest einen Trompeter habe, der morgens früh in den Giebel steigt, die Flügel schwingt und seine Trompete eine Viertelstunde lang erschallen läßt, um die Einwohner zur Arbeit zu wecken, überhaupt für Einzelheiten in ihrem Leben mehr Verständnis da sein, wo zur Zeit noch nicht alles klar liegt. So scheint der Honig, welchen man in den leeren Gehäusen gefunden, dazu bestimmt zu sein, um die königliche, große Mutter aus der Larve zu erziehen, indem sich annehmen läßt, daß sie einer besseren Kost bedürfe, als die anderen Familienglieder. Zwischen den großen Weibchen und der Stammmutter sollen anfänglich einige Zwistigkeiten vorkommen, die aber bald bei dem durchaus gutmüthigen Charakter der Hummeln ohne Kämpfe beigelegt werden; ob letztere immer noch am Leben, wenn diese zum Vorscheine kommen, wäre eine Gegenfrage, welche ich eher verneinen, als bejahen möchte. In einer Familie von hundert Köpfen rechnet man jetzt etwa fünfundzwanzig Männchen, funfzehn Weibchen und den Rest auf die Arbeiter. Von Mitte September [219] bis Mitte Oktober fällt die Zeit, in welcher sich die großen Weibchen paaren; auf einem Baumstumpfe, einer Mauer, oder einer anderen, etwas erhöhten Stelle erwarten sie im Sonnenscheine ein herbeifliegendes Männchen, welches nach beendeter Vereinigung matt zu Boden fällt und verendet. Auch die übrigen Glieder der Gemeinde sterben mehr und mehr hin und, wie schon erwähnt, bloß jene im August geborenen großen Weibchen kommen lebend durch den Winter. Huber erzählt ein artiges Geschichtchen, aus welchem die Gutmüthigkeit der Hummeln und ihr Verhalten zu denen hervorgeht, die sie zu beeinträchtigen suchen. In einer Schachtel hatte er unter einem Bienenstocke ein Hummelnest aufgestellt. Zur Zeit großen Mangels hatten einige Bienen das Hummelnest fleißig besucht und entweder die geringen Vorräthe gestohlen oder gebettelt, kurz, diese waren verschwunden. Trotzdem arbeiteten die Hummeln unverdrossen weiter. Als sie eines Tages heimgekehrt waren, folgten ihnen die Bienen nach und gingen nicht eher davon, bis sie ihnen auch diesen geringen Erwerb abgetrieben hatten. Sie lockten die Hummeln, reichten ihnen ihre Rüssel dar, umzingelten sie und überredeten sie endlich durch diese Künste, den Inhalt ihrer Honigblase mit ihnen zu theilen. Die Hummeln flogen wieder aus, und bei der Rückkehr fanden sich auch die Bettler wieder ein. Ueber drei Wochen hatte dies Wesen gedauert, als sich auch Wespen in gleicher Absicht wie die Bienen einstellten; das wurde dann doch den Hummeln zu bunt, denn sie kehrten nicht wieder zu ihrem Neste zurück.

Trotz ihres versteckten Aufenthaltes fehlt es den Hummeln keineswegs an Eindringlingen in ihre Nester, der Vögel nicht zu gedenken, die sich ihrer Person bemächtigen und sie sogleich verzehren oder an Dornen spießen. Die große Feldmaus, das Wiesel und der Iltis sind die Hauptzerstörer der Nester, in welchen außerdem zahlreiche Schmarotzer wohnen, welche sich von den eingetragenen Vorräthen ernähren, wie die Larven der Schmarotzerhummeln, oder von den Hummellarven. Hierher gehören einige Schmarotzerfliegen, wie Volucella, Myopa und Conops, welche wir später kennen lernen werden, die Spinnenameisen (Mutilla), die Oelkäferlarven und andere. Die Hummeln selbst sind bewohnt von der Käfermilbe, welche wir bereits beim Todtengräber und den Roßkäfern kennen zu lernen Gelegenheit gefunden haben.

Jeder meiner Leser meint vielleicht die Hummeln so weit zu kennen, um vor Verwechselung mit anderen ihresgleichen gesichert zu sein, der plumpe Körper, die dichte Behaarung, in der Regel schwarz, bisweilen durch rothe oder weiße Binden unterbrochen, seien zu untrügliche Merkmale. Gemach! Es wird später von einigen Hummeln die Rede sein, welche zwar ebenso aussehen, aber eine ganz andere Lebensweise führen, und so gibt es auch Bienen, die der nicht Eingeweihte unfehlbar für Hummeln ausgeben würde. Man wolle also auf folgende Erkennungszeichen achten. Die Hummeln stimmen der Hauptsache nach im Körperbaue mit den Honigbienen überein, nur mit dem wesentlichen Unterschiede, daß die breiten Hinterschienen mit zwei Enddornen ausgerüstet sind und die ebenso gestaltete Ferse statt des Zähnchens einen rechtschaffenen, wohlausgebildeten Fersenhenkel trägt. Das Körbchen an den Hinterbeinen kommt natürlich nur den Weibchen und den Arbeitern zu. Die Zunge ist lang, ausgestreckt, mindestens dem Körper gleich und wird von den beiden ersten Tastergliedern der Lippe wie von einem Rohre eingeschlossen; weil aber die beiden folgenden Glieder dieser als kurze Anhängsel seitwärts stehen, so wird man die Lippentaster als zweigestaltig bezeichnen müssen; die Kieferntaster dagegen sind klein und eingliederig. Auf dem Scheitel stehen die Nebenaugen in gerader Linie. Der Vorderflügel hat dieselbe Zellenzahl wie bei der Honigbiene, aber die Randzelle ist kürzer und vorn verschmälert, die dritte Unterrandzelle nach dem Flügelvorderrande hin schmäler als nach innen, und nach außen bogig begrenzt. Das kleinere und schlankere Männchen erkennt man als solches an dem kleineren Kopfe, den längeren Fühlern, welche infolge des kurzen Schaftes kaum gebrochen erscheinen, und am schmäleren Hinterleibe. Den Hinterbeinen fehlen Korb und Fersenhenkel, vielmehr tragen sie an der Außenseite lange Haare. Die kleinsten unter der ganzen Gesellschaft sind die geschlechtlich verkümmerten Weibchen, welche im übrigen Baue und in der Färbung mit den großen und kleinen [220] Weibchen vollkommen übereinstimmen. Dagegen weichen die Männchen in Bezug auf letztere bisweilen nicht unbedeutend von ihren Weibchen ab. Daher ist es auch gekommen, daß Verwechselungen stattfanden und eine große Verwirrung unter den Namen geherrscht hat; das Zusammenleben in einem und demselben Neste mußte schließlich zur Gewißheit und Verbesserung früher begangener Fehler führen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 218-221.
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