Gemeiner Blattschneider (Megachile centuncularis)

[233] Der gemeine Blattschneider (Megachile centuncularis, S. 234) trägt sich im Mittelleibe braungelb und schwärzlich untermischt. Das Alter läßt auch hier die Haare ergrauen, besonders beim Männchen, welches sich die wenigsten Sorgen zu machen braucht. Den fast kahlen Hinterleib zieren nur vorn grauliche Zottenhaare und weiße, häufig unterbrochene Binden die Hinterränder vom zweiten bis fünften Ringe. Rothbraune Sammelhaare decken dicht den Bauch, und keine Ausschnitte, sondern nur undeutliche Zähnchen zeichnen das Spitzenglied des Männchens aus. Nach Smith fliegt diese Art nicht nur in Europa, sondern auch in Kanada und den Hudsonsbai-Ländern.

Ende Mai, anfangs Juni erscheinen die Bienen. Wie immer im Leben finden sich die beiden Geschlechter sehr bald zusammen, und nach der Paarung beginnen für das Weibchen die Sorgen. Ob diese Art ausschließlich in altem Holze oder auch in der Erde ihre Zellen baut, will ich dahin [233] gestellt sein lassen, jedenfalls sind derartige Zellen hier und dort gefunden worden und können möglichenfalls zwei verschiedenen Arten angehört haben. Die Höhle oder, besser gesagt, die Röhre war hier der Gang einer Weidenbohrerraupe, welche weiter zurechtgenagt wird, dort ein etwas verfallenes Mauseloch, die eigene Geburtsstätte; kurz, überall mag die Anlage vorgefunden und zu dem bestimmten Zwecke noch vervollkommnet werden. Der Haupttheil der Arbeit besteht im Zellenbau. In einer gewissen Hast kommt die Biene herbeigeflogen, setzt sich in der Weise, wie sie unsere Abbildung zeigt, auf ein Rosenblatt und zirkelt ein Stück von der nöthigen Größe heraus. Beim letzten Bisse hat sie es tütenartig gebogen zwischen den Beinen und ist damit auch schon in der Ferne verschwunden. War ihr die Bezugsquelle genehm, so ist sie sehr bald wieder da, um weitere Einkäufe zu besorgen. Die heimgetragenen Stückchen, zusammengebogen wie sie waren, werden jetzt losgelassen und schmiegen sich vermöge ihrer Federkraft an die Wand an. Da sind ihrer drei bis vier größere, auf sie folgt eine zweite Schicht aus gleich großen, welche an einem Ende schmäler als am anderen sind.


Gemeiner Blattschneider (Megachile centuncularis) a Weibchen, b Männchen, vergrößert; c Rosenblatt mit mehreren Ausschnitten und der arbeitenden Biene in natürlicher Größe; d ein Nest in einem Weidenstamme; e eine einzelne Zelle; f Deckelstück; g, h Seitenstücke; i senkrechter Schnitt durch eine Zelle mit dem am Boden liegenden Futterbrei; k Puppengehäuse. Natürliche Größe.
Gemeiner Blattschneider (Megachile centuncularis) a Weibchen, b Männchen, vergrößert; c Rosenblatt mit mehreren Ausschnitten und der arbeitenden Biene in natürlicher Größe; d ein Nest in einem Weidenstamme; e eine einzelne Zelle; f Deckelstück; g, h Seitenstücke; i senkrechter Schnitt durch eine Zelle mit dem am Boden liegenden Futterbrei; k Puppengehäuse. Natürliche Größe.

Die vom gezähnten Blattrande gebildete Seite wird nach außen, die Schnittseite nach innen gelegt. In dieses Futteral bringt die Biene ein drittes aus abermals unter sich gleichen Stücken, welche mit ihren Flächen die Fugen der vorigen decken, bis endlich der kleine Fingerhut fertig ist. Gefüllt mit Honig und beschenkt mit einem Eie, erfolgt der Verschluß mit einem vollkommen kreisförmigen Stückchen, auf welchem der gerundete Boden der nächsten aufgesetzt wird und sich allmählich die Kette aufbaut, deren eine von nur vier Gliedern wir hier sehen. Die entwickelte Larve spinnt ein Gehäuse, und äußerlich bleibt alles bis zum nächsten Frühjahre in der Ordnung, wie es die sorgsame Mutter bei ihrem Tode hinterließ. Zu dieser Zeit wiederholt sich dasselbe, was schon bei der Holzbiene erzählt wurde, nur mit dem Unterschiede, daß der Ausmarsch nach oben erfolgt. – Obgleich die Biene, besonders das Männchen, nicht selten auf Blumen [234] angetroffen wird, so hat man doch das Auffinden eines Baues immer einem besonderen Glücksumstande zuzuschreiben, da uns die Kunst der Wilden Neuhollands abgeht, die durch das Blatt gekennzeichnete bauende Mutter im Laufe zu verfolgen und uns von ihr das Nest zeigen zu lassen, wie sich jene den Meliponen gegenüber verhalten.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 233-235.
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