Sandwespenartige Papierwespe (Belonogaster)

[251] Am Ende der ganzen Familie sei noch der sandwespenartigen Papierwespe (Belonogaster) aus Port Natal durch Wort und Bild gedacht. Kopf, Mittelleib und das dritte wie vierte Glied des ungemein langgestielten Hinterleibes sind schwarz, Gesicht, Mund, Fühler, Beine, die Flügelschüppchen ringsum, die Flügeladern theilweise und der übrige Hinterleib roth gefärbt. Wegen kurzer, anliegender und lichter Behaarung, welche den ganzen Körper bedeckt, nehmen die Farben einen etwas unreinen Ton an. Die gelben Flügel sind an der Spitze und am Saume schmal stark getrübt und die zweite, an der Randzelle bedeutend verengte Unterrandzelle nimmt beide rücklaufende Adern auf. Alles weitere ergibt unsere Abbildung. Weil mehrere Arten dieser Gattung bereits beschrieben sind, mir aber weder Beschreibung noch Wespen selbst zu Gebote stehen, unterlasse ich die Bestimmung der vorliegenden Art. Dieselbe ist sehr gemein in jenen Gegenden, zeigt besondere Vorliebe für menschliche Wohnungen, wird aber wegen ihres empfindlichen Stiches, den sie in der Augennähe dem Menschen beibringt, von den dortigen Eingeborenen allgemein gefürchtet. Im Spätherbste für dortige Gegend, in dem Mai für uns, wenn es trocken und kühl wird, erscheint die Wespe einzeln in den Behausungen, um daselbst zu überwintern. Nachdem sie sich in einem Fenster, unter Abdächern derselben, in Schuppen oder unbewohnten Zimmern ein passendes Plätzchen ausgesucht hat, fertigt sie einen hornigen Stiel, welcher von seiner Anheftungsstelle, beispielsweise einer Thürpfoste absteht, und sich schwach nach unten neigt. Dieser Stiel wird am Ende mit einer kleinen Rosette von Zellen versehen, weiß, papierartig und zerbrechlich von Natur. Auf diesem Nestchen bringt sie den Winter zu, sucht aber zeitweilig an schönen Tagen das Freie auf. Im Frühjahre wird diese kleine Zellenreihe allmählich vergrößert, von außen konvex, von innen konkav, erst abwärts gebogen, dann umgeschlagen und eine Schleife bildend, zu ihrem Ursprunge zurückgeführt, um daselbst durch einen zweiten Stiel mit dem ersten verbunden zu werden. Es liegen mir drei Nester von etwas einfacherem Baue vor, die alle darin übereinstimmen, daß ihr schräg nach oben gerichteter Grund ausgehöhlt, ja zum Theil tief napfartig [251] erscheint, und daß die äußersten Zellen, namentlich die am höchsten aufsteigenden, ungemein klein und kurz, zur Aufnahme von Brut unbrauchbar und gewissermaßen nur eine Umzäunung der Brutzellen sind. Eine einzelne dieser letzten ähnelt einer langgestreckten, unten etwas abgestumpften Papiertüte und der Deckel der geschlossenen bildet eine fast die Halbkugel erreichende Kugelhaube. Diese Zellen stehen in nicht ganz regelmäßigen Reihen neben einander und nehmen bei ihrer Gestalt am oberen Ende einen bedeutend größeren Umfang ein als am unteren.

Dem früheren Sendprediger Gueinzius in Port Natal, welcher bis zu seinem Tode und trotz seiner zerrütteten Gesundheit großes Interesse an derartigen Beobachtungen bewiesen hat, verdanke ich diese und andere Mittheilungen und Belegstücke. Einst hatte derselbe einer Wespe gestattet, ihr Nest innerhalb der Thürpfosten seiner Wohnung aufzuhängen, so daß es beim Durchgehen nur einige Zoll von seinem Scheitel entfernt war. Trotz des öfteren Zuschlagens der Thür und der dadurch erfolgenden Erschütterung des Nestes wurde er während mehrerer Monate der Bau- und Brutzeit nur einmal von einer jungen Wespe an der oben bezeichneten Stelle gestochen, ward aber für den Augenblick seiner Sinne fast beraubt. Kein Kaffer wollte sich der Thür auch nur nähern, geschweige durch dieselbe gehen. Die Wespen bewachen das Nest sorgfältig, richten sich bei Annäherung eines fremden Gegenstandes alle hoch auf, mit den Köpfen nach jener Seite hin, und summen unter starker Flügelbewegung. Dann ist aber der Augenblick gekommen, sich zu entfernen, Anfassen des Nestes würde für die Wespen ein Zeichen zum Angriffe auf den Verwegenen sein. In vielen Stücken werden wir bei diesen Mittheilungen an unsere gallische Papierwespe erinnert. Als bereits mehrere Zellen gedeckelt, jedoch noch keine Wespen ausgeschlüpft waren, brachte Gueinzius eine junge Wespe derselben Art herbei, welche von einem eingetragenen Neste stammte, um zu sehen, wie die Mutter sich wohl verhalten würde.


Sandwespenartige Papierwespe (Belonogaster) auf ihrem Neste. Natürl. Größe.
Sandwespenartige Papierwespe (Belonogaster) auf ihrem Neste. Natürl. Größe.

Der Anblick war für ihn ein wahrhaft ergreifender. Kaum hatte die bisher noch Kinderlose den jungen Ankömmling bemerkt, als sie die größte Freude an den Tag legte. Wie umarmend nahm sie ihn zwischen ihre Vorderbeine und beleckte ihn von allen Seiten mit dem größten Eifer, wie eine Ziege ihr Lamm, um ihn von dem überall anhaftenden krümeligen Staube zu reinigen. Wieder und wieder wurde ihr ein Stiefkind auf einer Feder herbeigebracht, aber alle wurden von ihr mit gleicher Freude begrüßt, mit gleicher Liebe angenommen und in der eben angegebenen Weise gereinigt. Obgleich noch sehr schwach und unsicher in ihren Bewegungen, so übernahmen jene jungen Wespen doch sogleich Dienste und suchten durch Einbeißen und Schütteln der von Larven bewohnten Zellen jene zum Hervorkommen einzuladen, um ihnen einen Tropfen heller Flüssigkeit, der aus ihrem Munde kam, von ihnen also mit auf die Welt gebracht worden war, als Futter anzubieten. Konnten sie keine Larve und somit keine Verwerthung für diesen Tropfen finden, so strichen sie ihn mit dem Vorderfuße ab und warfen ihn über den Rand des Nestes. Dieser Tropfen erschien bei allen jungen Wespen bald nach ihrem Ausschlüpfen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 251-252.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Brachvogel, Albert Emil

Narziß. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

Narziß. Ein Trauerspiel in fünf Aufzügen

Albert Brachvogel zeichnet in seinem Trauerspiel den Weg des schönen Sohnes des Flussgottes nach, der von beiden Geschlechtern umworben und begehrt wird, doch in seiner Selbstliebe allein seinem Spiegelbild verfällt.

68 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon