Bücherskorpion (Chelifer cancroides)

Bücherskorpion (Chelifer cancroides), stark vergrößert.
Bücherskorpion (Chelifer cancroides), stark vergrößert.

[639] Hinsichtlich der großen Scheren erscheint der Bücherskorpion (Chelifer cancroides) wie ein ungeschwänzter Skorpion, während er ohne jene in Ansehung der Größe, der Färbung und der allgemeinen Umrisse des stark flachgedrückten Körpers an die Bettwanze erinnert. Sein Hinterleib besteht aus elf gleichlangen Ringen, das nur mit zwei Augen versehene Kopfbruststück erscheint querfurchig, das Tasterpaar der Unterkiefer als gewaltige Scheren, dagegen sind die Kieferfühler verkümmert, nicht zum Kauen, sondern nur zum Saugen eingerichtet. Nicht nur der Mangel der Kämme am Grunde des Bauches und der Giftdrüsen an irgend einer Stelle ihres Körpers unterscheidet diese Afterskorpione von den echten Skorpionen, sondern auch der allerdings noch nicht vollständig untersuchte innere Bau. Sie athmen nicht durch Lungen, sondern vermittels Luftröhren, welche von zwei seitlichen Luftlöchern am ersten Hinterleibsringe als kurze, weite Stämme ausgehen und sich durch den ganzen Körper fein verästeln. Der Darm verläuft gleichfalls nicht gerade, wie dort, sondern bildet vor dem sackartig erweiterten Mastdarme eine Schlinge; überdies besitzen die Afterskorpione Spinndrüsen, welche nahe bei den Geschlechtsöffnungen am Bauche des zweiten Hinterleibsgliedes münden; sie stehen in ihrem inneren Baue überhaupt den Milben viel näher als den Skorpionen, mit denen sie später schwerlich verbunden bleiben werden.

Der Bücherskorpion hält sich in alten Häusern, zwischen staubigen Büchern, den Mappen von Herbarien und in den Kästen der Insektensammlungen auf, den Staubläusen, Milben sowie anderen kleinen Insekten nachgehend und mithin in letzteren durchaus keinen Schaden anrichtend, sondern vielmehr des Hegens und Pflegens werth. Einen sonderbaren Anblick gewährt es beim Oeffnen eines solchen Kastens, dieses Thierchen in einem der Winkel umherkrebsen zu sehen; denn es bewegt sich rückwärts und seitwärts mit eben solcher Leichtigkeit wie vorwärts, telegraphirt mit [639] seinen Scherentastern bald rechts, bald links und ist gegen die ihn etwa fassenden Fingerspitzen vollkommen wehrlos. Das Weibchen legt ungefähr zwanzig Eier.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 639-640.
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