Gemeine Walzenspinne (Solpuga araneoides)

[631] Die abgebildete Art erkläre ich für die gemeine, südrussische, die nach Pallas auch in Egypten vorkommt, von wo das Exemplar herstammt. Sie ist durchaus rostgelb, nur vorn an den Scheren braun, am Hinterleibe rostbraun und an den auf der Unterseite mit starken Stacheln bewehrten Kiefertastern olivenbraun gefärbt. Koch hat eine Menge von Arten, die sich meist sehr ähnlich sehen, abgebildet; da das aber nur nach trockenen oder in Weingeist aufbewahrten Stücken der verschiedenen Sammlungen geschehen, so fragt es sich, ob das Artrecht einer jeden auch begründet, ob beispielsweise ein Galeodes arabs von G. araneoides wirklich verschieden ist.

[631] Pallas erzählt wunderliche Dinge von unserer Walzenspinne, welche in den südrussischen Steppen, im Lande der Kalmücken, Bû-Chorgoi (Zauberwurm) oder Mandschi-Bû-Chorgoi (gemeiner Zauberwurm) und der Kirgisen Kara-Kurt-Bie genannt, nicht minder gefürchtet wird, als anderwärts die Skorpione. Man verläßt die Gegend, in welcher sich öfters das für Menschen und deren Herden gefährliche Thier gezeigt hat. Wenn sich die Kamele und Schafe, welche im Sommer dort nackte Bäuche haben, zur Ruhe niederlegen, so finden sich diese Bestien ein, springen an sie und schlagen ihre jedenfalls das Gift enthaltenden Scheren dort ein. Der Bauch schwillt an und nicht selten gehen die gebissenen Thiere an der Vergiftung zu Grunde. Da sich die Walzenspinnen gern zwischen Schilf aufhalten, so kommen sie mit diesem in die daraus erbauten Hütten und mit den Menschen in nähere Berührung, als sie selbst beabsichtigen, verkriechen sich gleich den Skorpionen in die Kleider und führen überhaupt ganz deren Lebensweise.


Gemeine Walzenspinne (Solpuga oder Galeodes araneoides). Natürliche Größe.
Gemeine Walzenspinne (Solpuga oder Galeodes araneoides). Natürliche Größe.

Nach dem Aberglauben der Kalmücken muß die Milch einer Frau, welche ihr erstes Wochenbett abhält und – als Mädchen keusch lebte, oder, in Ermangelung dieses Mittels Lunge und Herz, welche einem lebendigen, schwarzen Thiere (Hund, Katze) aus dem Leibe gerissen worden sind, auf die Bißwunde gelegt werden, um die Vergiftung zu heilen. Von den Aerzten in Sarepta wurden zu Pallas' Zeiten Einreibungen von Nußöl oder mit Kampher gesättigtem Baumöle erfolgreich angewendet. Der Biß ist ungemein schmerzhaft, erzeugt starke Entzündung, vorübergehende Lähmung, Kopfweh, Ohnmacht.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 631-632.
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