Pechbraune Mordspinne (Atypus piceus)

[652] Sauvages' Minirspinne (Cteniza fodiens), welche wir in ihrem eigenthümlichen, aber verkürzten und von der Seite geöffneten Baue hier erblicken, hat einen rothbraunen, fast nackten Körper und ungefähr das Ansehen einer Kellerspinne.


Sauvages' Minirspinne (Cteniza fodiens) in ihrer Röhre. a Augenstellung, stark vergrößert; b Deckel von der Innenansicht; c Eier.
Sauvages' Minirspinne (Cteniza fodiens) in ihrer Röhre. a Augenstellung, stark vergrößert; b Deckel von der Innenansicht; c Eier.

Die beiden Schwänzchen an der Hinterleibsspitze, welche sich bei manchen Spinnen wieder finden, stellen die zwei oben erwähnten tasterartigen, keine Fäden enthaltenden Spinnwarzen dar; Figur a gibt Gestalt, gegenseitige Größe und Lage der Augen in der Vorderansicht an. Diese Minirspinne lebt vorzugsweise auf Corsica und sucht sich ihren Aufenthalt an einem steilen Abhange, welcher aus bindender Erde ohne Steine und ohne Graswuchs besteht, das Ansammeln des Regenwassers also nicht gestattet. Hier gräbt sie in wagerechter Richtung einen bis dreiundsechzig Centimeter langen Gang, weit genug, um sich mit Bequemlichkeit darin bewegen zu können, und tapeziert ihn mit Seidengewebe aus, damit er nicht zusammenfalle. Ihre größte Kunst bewährt sie aber am Eingange dieser Röhre, welchen sie durch einen kreisrunden, eingefalzten Deckel verschließt. Dieser, von außen Erde, von innen ein zierliches Seidengewebe, steht an der Oberseite wie durch eine Angel mit der Röhre in Verbindung und fällt durch seine eigene Schwere zu, wenn er geöffnet worden ist. Was soll diese Thür, welche sich äußerlich von der Umgebung nicht unterscheidet und bei ihrem Verschlusse die Gegenwart eines solchen Baues gar nicht ahnen läßt? Sauvages lernte ihre Bedeutung kennen. Er hatte eine solche Thür entdeckt und wollte sie mittels einer Nadel öffnen, fand aber zu seiner nicht geringen Verwunderung merklichen Widerstand. Eine Spalte ließ ihn im Inneren eine Spinne erkennen, welche, auf dem Rücken liegend, sich mit allen Kräften gegen die Wände der Röhre stemmte und mit einigen Beinen den Deckel festhielt. Die schwarzen Pünktchen am Rande der Thür, welche unsere Abbildung in Figur b zeigt, geben die feinen Löcher im Gewebe an, welche zu diesem Zwecke in demselben angebracht sind. Als nach abwechselndem Auf- und Zugehen der Thür sich die Spinne endlich für besiegt erklären mußte, flüchtete sie in den Hintergrund ihrer Wohnung. So oft aber [652] wieder Bewegungen mit der Thür vorgenommen wurden, sprang sie hervor, um sie von neuem festzuhalten. Endlich grub Sauvages den vorderen Theil der Röhre mit dem Messer aus, während dessen die Spinne nicht von dem Deckel zurückwich. Abgesehen von den nächtlichen Raubzügen auf Beute verläßt sie ihre Wohnung nicht, welche ihr durch den Verschluß Sicherheit gegen feindliche Angriffe gewährt. Im Grunde desselben finden sich auch die Eier und später die Jungen während ihrer ersten Lebenszeit, beide sorgsam von der Mutter bewacht. An das Tageslicht gebracht, besonders den Strahlen der Sonne ausgesetzt, erschlafft die Minirspinne bald und erscheint wie gelähmt. – Im südlichen Europa kommen noch einige andere Gattungsgenossen vor, aber auch weiter nördlich und in Deutschland verbreitet, wenn auch selten, ein Glied dieser Familie in der pechbraunen Mordspinne (Atypus piceus) oder Sulzerspinne (A. Sulzeri), einer 17,5 Millimeter messenden, durch ein fast viereckiges Kopfbruststück, sehr lange Kieferklauen und zwei Schwänzchen an der Leibesspitze ausgezeichneten Erdbewohnerin. Ich fand vor einigen Jahren, als ich hier im Herbste unter einem verkommenen Eichenbüschchen nach Insekten im Winterlager suchte, ihr Nest. Das darmartige Gespinst ging in senkrechter Richtung in dem lockeren, von Mäusen durchwühlten Erdreiche hinab, maß 34 Centimeter in der Länge, und fast 22 Millimeter in seinem stärksten Querdurchmesser, welcher sich nicht durchaus gleich blieb. Von außen war dieses Rohr natürlich rauh durch anhaftende Erdkrümchen, im Inneren dagegen außerordentlich fein und dicht seidenartig gewebt. Die Spinne selbst ist mir noch nicht zu Gesichte gekommen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 652-653.
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