Gestreckte Strickerspinne (Tetragnatha extensa)

[657] Die gestreckte Strickerspinne (Tetragnatha extensa) zeichnet sich unter den Radspinnen durch manche Eigenthümlichkeit aus, von denen der langgestreckte Hinterleib, die sehr langen Beine, deren beide vordersten Paare in der Ruhe ebenso gerade nach vorn ausgestreckt und neben einander gelegt werden wie die beiden letzten nach hinten, sowie die weit vorgestreckten Kieferfühler am meisten auffallen. Die unter sich gleichen acht Augen stehen in zwei geraden Reihen je zwei und zwei hinter einander und in gleichen Abständen. Die im ausgewachsenen Zustande 15 bis 19,5 Millimeter lange Spinne ist an den Beinen und am Vorderleibe röthlichgelb, am Hinterleibe meist gelblichweiß, an den Seiten silberweiß gefärbt und oben mit einem rothbraunen, von dunkleren, eingekerbten Rändern umschlossenen, blattartigen Rückenfelde verziert. Sie fertigt zwischen Rohrstengeln, Binsen oder Gräsern, an Sümpfen, Lachen, überhaupt an feuchten Stellen ein senkrechtes Rad, in dessen Mitte oder Nähe, an einen Binsenhalm platt angedrückt und in der oben abgebildeten Stellung, sie auf Beute lauert. Will man sie ergreifen, so läuft sie mit Blitzesschnelle davon und versteckt sich unter Blättern. Gleiche Raschheit, gepaart mit Kühnheit, zeigt sie beim Erfassen der [657] Beute, welche sie nie einspinnt. Um die Mitte des Sommers sind die Strickerspinnen erwachsen. Bei der Begattung befindet sich das kleinere Männchen mit abgewandter Hinterleibsspitze unter dem Weibchen, welches die seinige etwas nach unten biegt; Brust gegen Brust gewendet führt jenes seine gestreckten Tasterspitzen in die Bauchspalte, verräth aber keine Furcht vor dem Weibchen, im Gegentheile eine gewisse Zudringlichkeit. Die Eier werden in ein halbkugeliges Nestchen gelegt, in flockiges Gewebe eingehüllt, an einen Stengel gehängt und kriechen noch im Laufe des Jahres aus. Die Jungen fliegen mitunter an Herbstfäden durch die Luft und verkriechen sich mit Beginn des Winters gern in die Röhren der Schilfstoppeln.

In den heißen Ländern beider Erdhälften, aber nur hier, leben zahlreiche Arten höchst eigenthümlicher Radspinnen, von welchen die der Gattung Gasteracantha (Dornleiber) die verbreitetsten sein möchten.


Zangenartige Dornspinne (Gasteracantha arcuata). Natürliche Größe.
Zangenartige Dornspinne (Gasteracantha arcuata). Natürliche Größe.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Erster Band: Die Insekten, Tausendfüßler und Spinnen. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1884., S. 657-658.
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