Dornschwanz (Uromastix spinipes)

[214] Der Dornschwanz oder Dabb der Araber (Uromastix spinipes, Stellio und Mastigura spinipes) kann eine Länge von sechzig Centimeter erreichen, wovon etwa vierundzwanzig Centimeter auf den Schwanz zu rechnen sind, und ist ziemlich gleichmäßig oberseits braun oder olivenfarben, während der Paarungszeit selbst glänzend grasgrün, unterseits grünlichgelb gefärbt und oberseits unregelmäßig braun gefleckt.

Alle Dornschwänze haben ein höchst eigenthümliches Aussehen und rufen den Eindruck der Ungelenkigkeit und Ungefügigkeit hervor, entsprechen ihm aber in Wirklichkeit nur theilweise. Zu ihrem Aufenthalte erwählen sie sich stets öde oder wüste, steinige Gegenden, ohne jedoch die Nähe bewohnter Ortschaften zu meiden. Der Dornschwanz kommt laut Erhard auf Kreta und den Inseln Melos und Santorin vor; sein eigentliches Wohngebiet liegt jedoch südlicher: denn erst in Kleinasien, Syrien und Palästina, im Steinigten Arabien und Nordafrika, von den Nilländern bis Marokko, tritt er in namhafter Menge auf. In den Wüsten Judäas ist er ebenso häufig wie an geeigneten Orten zu beiden Seiten des unteren Nils oder in den Felsthälern der Sahara und der Wüsten, welche den nördlichen Theil des Rothen Meeres umgeben. Da, wo die vollkommene Sandwüste vorherrscht, findet er sich nicht; in allen Niederungen aber, wo zeitweilig fallende Regen eine wenn auch noch so dürftige Pflanzenwelt hervorrufen, tritt er sicher auf. Wie es scheint, gehört er zu denjenigen Echsen, welche nur in der Dämmerung hervorkommen. Uebertages sieht man ihn zuweilen frei an Felsblöcken sitzen, um sich zu sonnen, häufiger aber in breiteren Ritzen an den Felswänden kleben. Besonders günstige Oertlichkeiten, also namentlich solche, welche ihm unzugängliche Verstecke gewähren, beherbergen ihn oft in namhafter Anzahl: ich erinnere mich, Dutzende in einer und derselben Felsritze gesehen zu haben. In Ermangelung derartiger Zufluchtsörter gräbt er sich selbst solche, Höhlen im Sande nämlich, welche er über Tages nur um sich zu sonnen verläßt, in den heißen Mittagsstunden jedoch wieder aufsucht. Eine verwandte Art soll gegen Witterungseinflüsse in hohem Grade empfindlich sein und bei kühlem Wetter die Eingänge zu den Höhlen sorgfältig mit Sand verstopfen. Ob der Dabb dasselbe thut, vermag ich nicht zu sagen.

[214] Begegnet man einem Dornschwanze, so eilt er mit schlängelnden Bewegungen des Leibes, welche, der Kürze und Plumpheit des letzteren und der Steifheit des Schwanzes halber, sehr sonderbar aussehen, seiner Höhle zu.


Dornschwanz (Uromastix spinipes). 1/3 natürl. Größe.
Dornschwanz (Uromastix spinipes). 1/3 natürl. Größe.

Hat er den Menschen noch nicht wahrgenommen, so geht er langsam wankend seines Weges dahin und wendet hierbei den Kopf bald nach dieser, bald nach jener Seite, als ob er die größte Vorsicht gebrauchen müsse. In seinem Schlupfwinkel angelangt, verhält er sich vollkommen ruhig, vorausgesetzt, daß er erst eine gewisse Tiefe erlangt, denn er scheint zu wissen, daß man ihm dort nicht beizukommen vermag. Schneidet man ihm zufällig oder durch geschicktes Herbeischleichen den Weg zu seiner Wohnung ab, so stellt er sich dem Gegner, läßt ein dumpfes Blasen vernehmen und macht sich zum Angriffe fertig. Seine hauptsächlichste Waffe ist der Schwanz, mit welchem erkräftige und empfindliche Schläge auszuführen vermag. Zum Beißen entschließt er sich selten; wenn er es aber thut, läßt er das erfaßte so leicht nicht wieder los, und ob man ihm auch die Kinnlade zerbrechen sollte.

Alle Dornschwänze scheinen Pflanzenfresser zu sein und thierische Stoffe nur nebenbei zu verzehren. Rüppell sah eine der schönsten Arten der Sippe Gras fressen, und Effeldt erfuhr zu seinem Schmerze, daß die gefangenen, welche er pflegte, an Fleischgenuß regelmäßig zu Grunde [215] gingen. Allerdings packten und verschluckten sie das ihnen vorgehaltene Fleischstück; aber schon am nächsten oder doch in den nächsten Tagen bekundeten sie durch ihre Trägheit und Stumpfheit, daß sie erkrankt waren, und keiner von allen erholte sich wieder. Ich habe neuerdings den Dabb wiederholt gepflegt, ihn aber überhaupt nicht zum Fressen bringen können, und bin daher außer Stande zu sagen, ob man ihn bei pflanzlicher Kost lange am Leben erhalten kann. Tristram bemerkt, daß ein von ihm gefangen gehaltener Dornschwanz sich hauptsächlich von Käfern ernährte, nebenbei übrigens auch Pflanzen fraß. An einer anderen Stelle gibt er an, daß der Dabb auch größere Thiere, selbst Küchlein angreife und verzehre, sagt jedoch nicht, ob diese Angaben auf eigener Beobachtung oder nur auf Hörensagen beruhen. Von den Beduinen der Sahara erfuhr gedachter Forscher, daß das Thier niemals trinke, ja, daß Wasser ihm geradezu verderblich sei.

Ein Dabb, welchen Tristram monatelang pflegte, war sehr gelehrig und folgsam, erschien auf den Ruf und ließ sich ohne Widerstreben behandeln. Diejenigen, welche ich beobachtete, blieben immer mehr oder minder ungeberdig, und erst, wenn zunehmende Schwäche ihnen die Außenwelt gleichgültig erscheinen ließ, benahmen sie sich ruhiger. Bei den Arabern sieht man, nach brieflicher Mittheilung Klunzingers, dann und wann einen Dabb in Gefangenschaft, weil man ihn als ein dem Hause segenbringendes Thier betrachtet und die einundzwanzig Ringe seines Schwanzes auf irgend eine Legende bezieht, in welcher die gedachte Zahl eine Rolle spielt. Von den Beduinen hingegen wird der Dornschwanz seines Fleisches halber gejagt, gemästet und sodann gegessen. In welcher Weise man ihn ernährt und feistet, sagt Tristram nicht, wohl aber versichert er, daß auch ihm sein Fleisch trefflich geschmeckt und an das junger Hühner erinnert habe.

Außer dem Menschen dürfte der wehrhafte Geselle wenig Feinde haben, welche ihm Schaden zuzufügen im Stande sind. Wie die Beduinen Tristram erzählten, soll die Hornviper nicht selten die Höhlung des Dabb zu Versteckplätzen wählen, solches Unterfangen aber stets mit dem Leben büßen müssen, da der Hauseigenthümer dem Eindringlinge durch einige kräftige Schwanzschläge stets das Rückgrat breche.


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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Siebenter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Erster Band: Kriechthiere und Lurche. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 214-216.
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