Gürtelschweif (Zonurus cordylus)

[184] Am Vorgebirge der Guten Hoffnung und von hier aus nach Norden bis zur Sierra Leone lebt der Gürtelschweif (Zonurus cordylus, Lacerta cordylus, Stellio cordylus und niger, Cordylus verus, griseus, niger und dorsalis, Zonurus griseus), eine Echse von fünfundzwanzig [184] Centimeter Länge und vielfach abändernder Färbung. Bei den meisten Stücken sind Rücken und Schwanz orangegelb, Kopf und Füße lichter gelb, die Unterseite weiß, bei anderen die Obertheile dunkler schwarzbraun, bei noch anderen auf braunem Grunde gestreift usw.

Ueber die Lebensweise gibt A. Smith dürftigen Bericht. Alle Gürtelschweife bewohnen felsige Gegenden und, wenn sie die Wahl haben, unabänderlich steile, schwer zugängliche Abhänge. Hier laufen sie ziemlich langsam, Futter oder Wärme suchend, bis irgend eine Gefahr sie aufschreckt und ihrem Schlupfwinkel zutreibt. Der Fang hat, selbst wenn letztere zugänglich sind, noch seine Schwierigkeiten, weil sich die Thiere merkwürdig fest anzuklammern wissen, und man beim Ergreifen öfter den Schwanz als das Thier selber in der Hand hält.


Gürtelschweif (Zonurus cordylus). 1/2 natürl. Größe.
Gürtelschweif (Zonurus cordylus). 1/2 natürl. Größe.

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In schattigen Thälern der Steppen Naryn und Kuman an der Wolga entdeckte Pallas einen Seitenfaltler, welcher von den Russen wie alles schlangenähnliche Gethier insgemein Scheltopusik genannt wurde; später fand er ihn an den Flüssen Terek und Sarpa auf. Andere Forscher beobachteten ihn im südlichen Sibirien, in Ungarn, Istrien, Dalmatien, Griechenland, Kleinasien, Syrien, Palästina und sogar in Afrika. Erber traf ihn am häufigsten in der Nähe des Lago di Bocagnazza bei Zara in Dalmatien, jedoch auch sonst im ganzen Lande. Dick bebuschte Thäler bilden den liebsten Aufenthalt des Scheltopusik, und in ihnen findet er so vortreffliche Versteckplätze, daß er trotz seiner Größe nicht eben leicht bemerkt wird, zumal er, seiner Wehrlosigkeit sich bewußt, bei Annäherung des Menschen regelmäßig entflieht. Alle Beobachter, welche ihn sahen, stimmen in seinem Lobe überein. Er ist eines der nützlichsten Kriechthiere, weil er sich hauptsächlich von schädlichen Thieren nährt. Mäuse und Schnecken, welche letzteren er, laut Erber, sammt den Schalen verzehrt, bilden seine Hauptnahrung; er stellt aber auch den Vipern nach und tödtet und verspeist [185] sie, ohne sich vor dem anderen Echsen verderblichen Giftzahne zu fürchten. Als Erber einmal einen Scheltopusik in den Käfig zu einer Kreuzotter setzte, nahm sowohl diese als jener sofort eine drohende Stellung an, während sonst beide anderen Schlangen gegenüber theilnahmlos und gleichgültig sich gezeigt hatten. Da unser Beobachter nur einen Scheltopusik besaß, wollte er denselben nicht aufs Spiel setzen und entfernte ihn wieder; später aber scheint er anderweitige Versuche angestellt zu haben, da er es ist, welcher uns gedachten Seitenfaltler als einen der wirksamsten Vipernvertilger kennen lehrte. So tüchtig der letztere als Raubthier auch sein mag: dem Menschen gegenüber benimmt er sich mit einer Harmlosigkeit und Gutmüthigkeit, welche ihm jederzeit die Zuneigung des Liebhabers erwerben. Er beißt nie, läßt sich also ohne jegliche Besorgnis behandeln, scheint bei längerer Gefangenschaft eine gewisse Zuneigung zu seinem Pfleger zu gewinnen und würde, wie Erber meint, zu einem empfehlungswerthen Hausthiere gewonnen werden können. Von anderen Schuppenechsen unterscheidet er sich sehr zu seinem Vortheile durch seine Regsamkeit. Er ist beständig in Bewegung, schlängelt sich in anmuthigen Windungen ohne Unterlaß durch seinen Käfig, züngelt und untersucht jede Ritze, jeden Spalt zwischen dem Gestein und Moos auf das genaueste. Läßt man ihn im Zimmer frei, so beginnt er sofort seine Jagd auf Geziefer aller Art, zunächst auf die in so vielen Wohnungen vorhandenen, häßlichen Küchenschaben, welche er in allen ihren Schlupfwinkeln aufspürt und selbst bis in das Kamin verfolgt.

Früher als Erber hatte Günther das Gefangenleben des Thieres nach Beobachtungen im Schlangenhause des Thiergartens zu Regents-Park geschildert. »Einer der Käfige enthält Kriechthiere, welche sich unter allen Bewohnern des Hauses am besten befinden, da für sie der Wärmegrad der richtige zu sein scheint: vier Stück Scheltopusiks nämlich. Sie sind auch bei weitem die gefräßigsten. Um sie aus dem Kies oder dem Teppiche, unter welchem sie gewöhnlich verborgen liegen, hervorzulocken, ist nur das geringste Geräusch am Käfige nöthig. Sofort strecken sie ihre Köpfe hervor und bewegen ihre lebhaften Augen nach allen Seiten, um zu sehen, ob die Stunde der Fütterung da ist. Zeigt man ihnen nun irgend einen kleinen weißen Gegenstand, den sie aus der Ferne für eine weiße Maus, ihr gewöhnliches Futter, halten können, so gerathen sie schon in eine größere Aufregung, indem sie theilweise hervorkommen und sich gegenseitig wegzudrängen suchen, wenn sie einander im Wege sind. Der Genuß der Fütterung wird ihnen jedoch nur einmal wöchentlich zu theil, was ganz genug ist, da sie jedesmal unglaubliches leisten, obgleich ich noch nie einen gesättigt sah. Sie stürzen sich auf die Hand des Wärters, welcher ein Dutzend junger Mäuse oder Vögel hält und reißen sie ihm heraus, bevor er Zeit hat, sie fallen zu lassen. Dabei ereignet es sich, daß eine Maus von zwei Scheltopusiks ergriffen wird: keiner läßt los, der eine reißt nach rechts, der andere nach links, der eine erhebt sich, um dann mit dem Gewichte seines Körpers dem andern das Stück zu entreißen; vergebens: sie zerren und zerren, bis die Maus in zwei Theile zerreißt und nun jeder das seinige mit der größten Eile verschlingt. Beide sind jedoch bei diesem Streite zu kurz gekommen, da unterdessen die anderen rasch aufgeräumt haben. Hat aber einer seine Beute noch nicht ganz verschlungen, und ragt ein Theil derselben aus dem Maule hervor, so wird er von den übrigen verfolgt, und jener Kampf kann noch einmal beginnen, ja sogar zwischen dreien geführt werden. Lange nachdem alles verschlungen ist, suchen sie noch im Käfig herum, ob nicht noch etwas übrig geblieben und richten sich am Glase auf, um nach den Bewegungen des Wärters zu sehen, welcher durch das Bitten der Zuschauer oft zu einer nachträglichen Mahlzeit bewogen wird. Das Bild ist nicht unähnlich dem einer Familie junger Hunde oder Füchse, welche man für Vertheilung ihres Futters selbst sorgen läßt, und hätte die Natur dem Scheltopusik eine Stimme gegeben, so ginge es gewiß nicht ohne starkes Gekläffe ab. Sie ergreifen übrigens ihre Nahrung wie eine Eidechse und unterwerfen sie einem harten, kräftigen Beißen, um die Knochen zu zerbrechen und verschlucken sie ganz.«

Vorstehendes machte mich begierig, genaueres über den Scheltopusik zu erfahren. Günthers Mittheilungen waren mir bis dahin entgangen; ich wandte mich daher an Erber mit der Bitte, [186] mir seine Beobachtungen freundlichst mittheilen zu wollen und empfing nachstehenden Bericht, den ersten, welcher uns wirklich etwas bestimmtes über das Freileben der Panzerschleichen mittheilt.

»Der Scheltopusik, seiner wenigen Scheu, Harmlosigkeit und Nützlichkeit halber mein besonderer Liebling, ist ebenso anziehend im Freien als im Käfig. Dort kann man ihn, wenn man ihn oft besucht, zuletzt so an sich gewöhnen, daß er sich widerstandslos greifen läßt. Die einzige Waffe, welche er dem Menschen gegenüber in Anwendung bringt, ist sein – After. Wenn man ihn fängt, weiß er es durch die merkwürdige Drehbarkeit seines sonst so harten Körpers jederzeit so einzurichten, daß er einem mit seinem abscheulich stinkenden Unrathe von oben bis unten besudelt. Hiermit begnügt er sich aber auch; denn die im Verhältnisse sehr bedeutende Stärke seines Gebisses bringt er merkwürdigerweise dem Menschen gegenüber nie in Anwendung. Wenn man sieht, wie er im Freien mit einer ihm sonst nicht eigenen Schnelligkeit die Hornviper abfängt und sie mit Leichtigkeit entzweibeißt, nimmt es Wunder, daß er diese Kraft nicht auch zur Vertheidigung anwendet; dies aber geschieht, soweit meine Beobachtungen reichen, niemals.

Wahrhaft fesselnd für den Beobachter wird der Scheltopusik, wenn er eine Maus, einen Maulwurf usw. fängt und tödtet. Sobald er eine solche Beute gepackt hat, dreht er sich sammt derselben mit unglaublicher Schnelligkeit so lange um sich selbst, daß das gefangene Thier vollkommen matt und schwindelig wird, ihm also nicht mehr entwischen kann. Nunmehr erst zerdrückt er ihm den Kopf und fängt an, es zu verzehren. Letzteres erfordert geraume Zeit, da er seine Beute immer nur stückweise zu sich nimmt und sein Gebiß doch nicht so scharf ist, als daß es Haut und Sehnen durchschneiden könnte. Eidechsen haben an ihm einen höchst gefährlichen Nachbar; denn er beißt jenen die Schwänze ab und verzehrt dieselben, während ihm das übrige nicht zu munden scheint.

Die Liebe des Scheltopusik ist eine außerordentlich feurige. Während der Begattung vergißt er alles um sich her, läßt sich dann sogar durch den Fang nicht stören. Von einem Verstecke aus beobachtete ich, daß das Männchen während derselben nach allem schnappte, was ihm in die Nähe kam. Beide Gatten sind infolge der starken und zackigen Doppelruthe des Männchens so innig vereinigt, daß man sie, ohne letzteres zu beschädigen, vor vollzogener Begattung nicht zu trennen vermag. Die Eier werden unter dichtem Gebüsch und Laubschichten, dem beliebtesten Aufenthalte des Thieres selbst, abgelegt. Die Jungen sind von den Alten ganz verschieden, scheinen auch mehrere Jahre durchleben zu müssen, bevor sie ihren Erzeugern ähnlich werden. Inwiefern ich nach dem Wachsthum meiner Gefangenen zu einem Urtheil berechtigt bin, weiß ich nicht; trotzdem glaube ich nicht zu irren, wenn ich das Alter eines ausgewachsenen Scheltopusik auf vierzig bis sechzig Jahre annehme.«

Ich habe neuerdings viele Scheltopusiks gepflegt und kann Günthers und Erbers treffliche Beobachtungen fast in jeder Beziehung bestätigen. Nur die Bewegungen der Thiere sind mir nicht so anmuthig erschienen, als ich nach Erbers Bericht erwartete; denn dem Scheltopusik fehlt die Geschmeidigkeit der Schlangen ebenso wie die Behendigkeit der Eidechsen, und seine Bewegungen erscheinen daher, wie auch Leydig hervorhebt, ziemlich ungefüge, die Windungen kurz und hart. Hinzufügen will ich noch, daß man Scheltopusiks in beliebiger Anzahl und in allen Altersstufen zusammensperren darf, ohne Unfrieden oder vollends Umbringen und Auffressen der schwächeren durch stärkere befürchten zu müssen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Siebenter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Erster Band: Kriechthiere und Lurche. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 184-187.
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