1. Sippe: Prunkottern (Elaps)

[405] Im allgemeinen stehen die Giftschlangen den ungiftigen an Schönheit der Färbung vielleicht nach; einige der erstgenannten aber gibt es doch, welche hierin mit diesen wetteifern können; ja, vielleicht werden die Prunkottern (Elaps) von keiner Schlange oder keinem Kriechthiere überhaupt an Farbenschönheit übertroffen. Sie find kleine, etwas plumpe Schlangen mit rundlichem Leibe, zierlichem, vom Halse kaum abgesetzten Kopfe und kurzem Schwanze. Ihre Bekleidung besteht aus gleichartigen, glatten Schuppen, welche den ganzen Leib umgeben, auf der Unterseite des Schwanzes aber paarweise stehen und auf der Stirnplatte kleine Schilder bilden. Die Mundöffnung ist sehr klein, und die Kinnladen können sich wegen der Kürze der Trommel- und Zitzenbeine nur wenig ausdehnen. Das Gebiß zeigt keine derben Zähne hinter den Gifthaken. Ueber letztere ist man lange Zeit in Zweifel gewesen, da einzelne der tüchtigsten Naturforscher, unter anderen der Prinz von Wied, trotz der sorgfältigsten Untersuchung keine Durchbohrung oder Furchung derselben entdecken konnte, während diese bei anderen Arten derselben Sippe aufgefunden wurde. Der Prinz hält die von ihm beobachteten Prunkottern deshalb für unschuldige Schlangen und spricht auch den übrigen die Gefährlichkeit ab. »Selbst wenn bei ihnen«, sagt er, »durchbohrte Zähne Gift enthielten, so würden diese Thiere dennoch sehr wenig zu fürchten sein, da sie bei der Kleinheit und geringen Spaltung des Mundes höchstens nur ganz kleine Thiere beißen und dem Menschen nicht gefährlich werden können. Die Prunkottern, deren ich viele ohne den geringsten Nachtheil lebend mit mir umhergetragen habe, scheinen durch ihre Bildung sehr verwandt mit den Doppelschleichen zu sein: der platte, vorn abgerundete Kopf, das kleine Auge, die langen, vereinzelt stehenden Zähne am Vordertheile des Oberkiefers, der kleine, kaum zu öffnende Mund, der nicht ausdehnbare Nacken sind ziemlich übereinstimmende Züge. Was ihnen durch den Bau der Kiefer abgeht, scheint die Natur durch die Länge der starken Fangzähne ersetzt zu haben, welche übrigens nur gegen sehr kleine Thiere, als Würmer und Kerbthiere, gebraucht werden können.« Die neueren Forscher sind, obgleich auch sie die Prunkottern nicht zu den gefährlichsten Giftschlangen zählen, doch darin einig, daß deren Gift ebenso wirksam ist wie das anderer mit durchbohrten Zähnen ausgestatteter Schlangen gleicher Größe.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Siebenter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Erster Band: Kriechthiere und Lurche. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 405.
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