Mondschlange (Scytale coronata)

[392] Der bekannteste Vertreter dieser Sippe ist die erwähnte Mondschlange (Scytale coronata, Boa und Pseudoboa coronata, Natrix und Claelia occipitalis, Lycodon claelia). Ihre Länge beträgt ungefähr einen Meter. Die Grundfärbung junger Thiere ist ein gleichartiges blasses Roth, von welchem sich ein fast eirunder, dunkelbräunlicher Fleck im Nacken, die Krone, ein dunkelbrauner, weiter zurückliegender Querring und noch mehrere kleine, unregelmäßig gestellte Fleckchen von derselben Färbung lebhaft abheben; die Färbung dunkelt jedoch mit zunehmendem Alter mehr und mehr, bis auf der Oberseite Schwarz, auf der Unterseite Weiß vorherrschend wird; gleichzeitig verschwinden auch die Flecke fast gänzlich.

Ueber die Lebensweise der Mondschlange berichtet meines Wissens nur Wucherer. Der Prinz von Wied erhielt sie in sandigen Gegenden zwischen den Flüssen St. Matthäus und Rio Doce, bekam sie aber nachher nie wieder zu Gesicht. »Die bei Bahia gemeine Mondschlange,« sagt Wucherer, »ist bemerkenswerth wegen des Wechsels, welchen sie mit zunehmendem Alter erleidet. Junge Schlangen dieser Art sind blaß nelkenroth, alte dagegen oberseits fast gleichmäßig schwarz, unterseits weiß gefärbt. Sie lebt, wie alle Glieder ihrer Familie, von Eidechsen. Ich habe sie und eine Verwandte oft in Gefangenschaft gehalten. Sie ist eine halbe Nachtschlange, welche ihrer Beute zwar nicht während der Nacht, aber auch nicht vor Sonnenuntergang, sondern erst in der Dämmerung nachgeht. Eine von ihr erjagte Eidechse würgt sie nicht, es sei denn, daß das Opfer ihr Widerstand [392] leistet.


Mondschlange (Scytale coronata). 2/5 natürl. Größe.
Mondschlange (Scytale coronata). 2/5 natürl. Größe.

In Anbetracht der Zählebigkeit aller Eidechsen bin ich oft in Verwunderung gesetzt worden durch die Widerstandslosigkeit einer von der Schlange eben nur am Beine gepackten Eidechse; denn diese schien gewöhnlich förmlich gelähmt zu sein. Zappelt sie, so legt ihr jene rasch einen oder zwei ihrer würgenden Ringe um den Leib; enthält sie sich jeder Anstrengung, so entrollt sich die Schlange und faßt sie bedachtsam beim Kopfe, um sie zu verschlingen. Sollten die Schlangen mit Rinnenzähnen wirklich gänzlich harmlos, mindestens kaltblütigen Thieren gegenüber giftlos sein?«

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Siebenter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Erster Band: Kriechthiere und Lurche. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 392-393.
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