Vierliniennatter (Coluber quadrilineatus)

[352] Zu derselben Sippe zählt die Vierlinien- oder Leopardennatter (Coluber quadrilineatus, cruentatus, leopardina, Ablabes quadrilineatus, Coronella quadrilineata, Calopeltis leopardinus), eine im Süden Europas weit verbreitete, durch Zierlichkeit der Gestalt und Schönheit, aber auch erheblich abändernde Färbung ausgezeichnete Schlange, welche neunzig Centimeter an Länge erreichen kann. Unter den vielen Spielarten kommen zwei ständig vor. Die eine, welche den Namen Vierliniennatter (Coluber quadrilineatus) führt, zeigt, laut Strauch, auf bräunlichgrauem Grunde, vier, häufiger jedoch zwei dunklere oder blutrothe, meist schwarz gesäumte Längsbinden, welche entweder ununterbrochen über den Rücken laufen oder hier und da unterbrochen sind; die Rückenfirste pflegt sehr hell, selbst weiß gefärbt, die Seite durch kleinere schwärzliche Flecke gezeichnet zu sein; die Unterseite des Kopfes und des vorderen Rumpfdrittheils ist gelblichweiß oder sehr hellgelb, jeder Bauchschild aber mit vier oder fünf kleinen, unregelmäßigen, schwärzlichen Flecken gezeichnet, welche weiter nach dem Bauche zu so an Umfang zunehmen, daß die Mitte des ganzen Bauches dunkel stahlblau erscheint und nur die Außenenden der Schilder noch die gelbe Färbung behalten.

[352] Die gefleckte Spielart oder die Leopardennatter (Coluber leopardinus) dagegen ist im Leben licht mahagonibraun gefärbt und auf der Oberseite des Rumpfes und Schwanzes mit blutrothen, schwarzgesäumten, in zwei Längsreihen angeordneten, jedoch vielfach zu breiten Querzeichnungen zusammenfließenden Flecken und an den Seiten durch eine Reihe kleinerer schwarzer, halbmondförmiger, mit jenen abwechselnden Tüpfel geziert.

Das Verbreitungsgebiet der besagten Schlange wird im Westen durch Italien, im Osten durch Kleinasien begrenzt, und zwar kommen in den meisten Ländern innerhalb dieses Gebietes beide Spielarten nebeneinander, in Dalmatien und Griechenland jedoch fast ausschließlich Leopardennattern vor.


Leopardennatter oder gefleckte Spielart der Vierliniennatter (Coluber quadrilineatus). 1/2 natürl. Größe.
Leopardennatter oder gefleckte Spielart der Vierliniennatter (Coluber quadrilineatus). 1/2 natürl. Größe.

Pallas entdeckte die erst beschriebene Spielart im südlichen Rußland, Nordmann fand sie hier und da in der Krim und um den Kaspischen See; Erber fing die Leopardennatter in ganz Dalmatien und der Herzegowina, jedoch immer nur einzeln; Erhard beobachtete sie nur ein einzigesmal nahe der fünfhundert Meter hohen Spitze des Berges Pyrgos auf Sywa. Aus Dalmatien erhielt ich sie wiederholt und unter anderen auch dasjenige Stück, welches unserem Maler für seine Zeichnung vorgelegen hat. Nach Erbers Beobachtungen nährt sie sich hauptsächlich von Eidechsen, greift aber ebenso kleine Schlangen an, überfällt solche wenigstens im Käfige, bringt sie um und zehrt sie auf. Erber legt deshalb die Bitte um Schonung für sie ein, da ihr, wie er sagt, kein Schaden nachgewiesen werden kann und ihre wunderbare Färbung und Zeichnung jedermann erfreuen muß. In Gefangenschaft überdauert sie zwar gewöhnlich den Winter, geht aber bei Beginn des Frühjahres regelmäßig zu Grunde und dies auch dann, wenn man die größte Sorgfalt auf die Einrichtung ihres Käfiges und ihre Pflege verwendet. Unter unseren europäischen Schlangen ist sie, wenn auch nicht die lebendigste und munterste, so doch unbedingt die schönste. Sie gereicht jedem Käfige zur Zierde, um so mehr, als sie sich stets zur Schau stellt, wenn man ihren Bedürfnissen Rechnung trägt. Sie klettert mit derselben Vorliebe und Fertigkeit wie die Aeskulapschlange, hält sich daher nur gezwungen auf dem flachen Boden eines Käfiges auf und steigt, wenn man denselben mit Astwerk oder, was noch besser, mit grünen Pflanzen versieht, sofort an dem Stamme und den Aesten in die Höhe, sucht sich eine bequeme Stelle aus und lagert sich hier, meist vielfach [353] verknotet und verschlungen, in der anmuthigsten Weise. So fesselt sie auch hier wie in der Freiheit jeden Beschauer.


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Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Siebenter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Erster Band: Kriechthiere und Lurche. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 352-354.
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