Panzerkrokodil (Crocodilus cataphractus)

[100] Die Reihe der zu beschreibenden Arten mag das Panzerkrokodil (Crocodilus cataphractus, Crocodilus niger und leptorhynchus, Mecistops cataphractes, bathyrhynchus und Bennettii) eröffnen, weil es infolge der Bildung seiner schlanken Schnauze gewissermaßen als ein Verbindungsglied zwischen den Gavialen und Krokodilen erscheint oder doch ersteren am innigsten sich anschließt. Seine Merkmale liegen in der sehr gestreckten, schmalen und zugespitzten, oben gewölbten, glatten Schnauze, der gewölbten Stirne, der vielen kleinen, in zwei oder drei Reihen geordneten Nacken-, und den in drei bis fünf Querreihen gelagerten Halsschildern, welche unmittelbar an die sechs Längsreihen des Rückenpanzers grenzen. Der Unterschenkel trägt, wie bei vielen anderen Krokodilen, einen mit kräftigen Zacken endigenden Kamm. Der Kopf ist auf olivenfarbenem Grunde braun getüpfelt, der Rumpf wie der Schwanz auf braungrünlichem Grunde mit großen schwarzen Querflecken, der gelblichweiße Bauch mit ebensolchen, jedoch merklich kleineren Flecken gezeichnet. An Länge soll das erwachsene Thier bis acht Meter erreichen; diese Angabe dürfte jedoch, wie gewöhnlich, zu hoch gegriffen sein.

Adanson war der erste Reisende, welcher das von ihm im Senegal gesehene Panzerkrokodil von dem in demselben Strome hausenden Nilkrokodile unterschied und, wenn auch sehr mangelhaft, beschrieb; seitdem hat man es in allen größeren Flüssen der Westküste, vom Senegal bis zum Gabun, insbesondere im Gambia, Galbar, Niger, Binué, Kamerun und Gabun, erbeutet oder doch bemerkt. Adanson spricht zwar über das Auftreten der von ihm gesehenen Krokodile, aber so unbestimmt, daß man seine Angaben ebenso gut auf das Nil- wie auf das Panzerkrokodil beziehen kann. Savage widmet ihm ebenfalls nur wenige Worte. »Der Name ›Khinh‹, welcher dem Panzerkrokodile von den Negern beigelegt wurde«, ist derselbe, den sie auch dem Hunde geben. Die Gewohnheiten des Thieres unterscheiden sich nicht von denen anderer Krokodile. Es bewohnt die kleinen Flüsse und stehenden Gewässer des Tieflandes und nährt sich von Fischen und Kriechthieren, welche im Wasser leben. Zu seinem zeitweiligen Aufenthalte wählt es eine Höhle im Ufer des Flusses und stürzt sich von ihr aus auf die unachtsame Beute. Seine Eier legt es auf den Boden und bedeckt sie mit Blättern und anderen leichten Stoffen, unterscheidet sich also in dieser Beziehung von anderen Krokodilen und Alligatoren. Es ist furchtsam und ungefährlich, wird daher auch sehr oft von den Eingeborenen gefangen, um eine beliebte Speise zu liefern.

Auf diese Angaben beschränkte sich unsere Kenntnis über das Leben des Thieres; ich danke aber Reichenow noch weitere, für das »Thierleben« niedergeschriebene Mittheilungen und bin dadurch in den Stand gesetzt, obige Angaben wesentlich zu vervollständigen. »Das Panzerkrokodil«, so schreibt mir der letztgenannte Reisende und Forscher, »ist in Westafrika eine häufige Erscheinung, in Oberguinea wenigstens ungleich zahlreicher vertreten als sein stumpfschnauziger Genosse (Crocodilus frontatus). Ich fand jenes sowohl in Lagunen nahe der Meeresküste an den Mündungen, insbesondere in den weiten Mündungsländern der großen Ströme, wie in den oberen Flußläufen im süßen Wasser. Im Delta des Kamerunflusses, in den schmalen Kanälen, welche das sumpfige, mit Mangroven und Pandamen bestandene Schwemmland durchziehen, sah ich die Thiere nur vereinzelt hin und wieder, auf einer Sandbank sich sonnend, von welcher sie bei der [100] Annäherung eines Bootes mit großer Schnelligkeit sich ins Wasser stürzen. In geradezu erstaunlicher Menge dagegen treten sie in dem Zuflusse des Kamerun, im Wuri, auf. Vielfach erhielt ich Beweise dafür, daß die Panzerkrokodile im süßen Wasser nicht oder doch nur im seltensten Falle eine stärkere Beute, den Menschen oder ein größeres Thier angreifen, weil dieses wie jener Widerstand zu leisten vermag. In einer Lagune bei Aura an der Goldküste wurde eine Furt von den Negern benutzt, und niemals hörte ich von einem Unglücksfalle, obwohl die Krokodile zeitweise recht zahlreich waren. Ich selbst watete oft in dieser Lagune, bevor ich von der Anwesenheit der Krokodile in derselben eine Ahnung hatte, um Reiher und andere Sumpfvögel zu schießen, bis an die Brust im Wasser. Da war es mir öfter geschehen, daß ein in der Tiefe verstecktes Thier plötzlich, gestört durch mich, das Wasser emporschlug.


Panzerkrokodil (Crocodilus cataphractus). 1/20 natürl. Größe.
Panzerkrokodil (Crocodilus cataphractus). 1/20 natürl. Größe.

Ich war der Ansicht, daß es größere Fische seien, bis ich eines Tages, wieder ahnungslos umherwatend, kaum acht Schritte vor mir ein riesiges Krokodil seinen ungeschlachten Kopf aus dem Wasser erheben sah. Im ersten Augenblicke waren wir wohl beide gleich erstaunt über die Begegnung, im nächsten aber legte ich meine kleine Vogelflinte an und brannte dem Ungethüme den feinen Dunst (stärkere Ladung hatte ich nicht) auf den Schädel, worauf es mit dem Schwanze hoch aufschlug und im Wasser verschwand. Es versteht sich von selbst, daß ich nachdem nicht wieder in die Lagune ging, da ich doch nicht auf die obige Beobachtung mit solcher Sicherheit baute, um mein eigenes Ich preis zu geben. Indessen badeten auch im Wuri die Neger beständig an seichten Stellen, unbekümmert um die zahlreichen[101] Krokodile. War dagegen zur Regenzeit der Fluß angeschwollen und tief, so kam es häufig vor, daß Leute aus den flachgehenden Kanoes von den Krokodilen weggeschnappt wurden. In diesem Falle konnten diese die Beute sofort ins tiefe Wasser ziehen und ertränken, ohne daß ein wesentlicher Widerstand geleistet wurde.

Die Widerstandsfähigkeit auch dieses Krokodilpanzers ist nicht so groß, als oft angenommen wird. Ich habe armlange Junge auf zwanzig bis dreißig Schritte Entfernung mit Hühnerschrot erlegt. An größeren habe ich meine Flinte oder Büchse nicht erprobt, da ich mir bei dem nochmaligen Besuche des Wuri nicht durch Schießen auf Krokodile die Nilpferdjagd verderben mochte.

Uebrigens scheinen auch diese Krokodile zur Trockenzeit Wanderungen zu unternehmen; wenigstens fand ich sie mit Beginn der Dürre in der erwähnten Lagune bei Aura viel häufiger als vordem und mußte annehmen, daß sie von kleineren, trockengelegten Gewässern hierher gewandert seien.

Das Fleisch dieser Art ist weiß und zart und sehr wohlschmeckend, wird demgemäß auch von Negern sehr bevorzugt.«

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Siebenter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Erster Band: Kriechthiere und Lurche. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 100-102.
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