Ein Blick auf das Leben in der Gesammtheit

[535] Eine tiefe Kluft trennt die bisher geschilderten Wirbelthiere von den noch zu beschreibenden. Jene athmen in allen Lebenszuständen durch Lungen, der weitaus größte Theil von diesen bis zu einem gewissen Alter durch Kiemen. In der Klasse, mit welcher wir uns beschäftigen werden, findet dem entsprechend fast stets eine Verwandlung statt, wie solche bei den niederen wirbellosen Thieren sehr allgemein ist, d.h. die Angehörigen unserer Klasse haben, wenn sie das Ei verlassen, noch nicht den Bau und die Leibeseinrichtung ihrer Eltern, sondern erhalten beide erst später, infolge eines Ueberganges aus dem Zustande der Larven in den der Erwachsenen.

Die Lurche nähern sich den Fischen in noch höherem Grade als die Kriechthiere, welche man gewöhnlich mit ihnen in einer und derselben Klasse zusammenfaßt, ihrerseits sich den Vögeln. Ihr Jugendleben ist das eines Fisches, und erst mit den reiferen Jahren wird es ihnen möglich, »beidlebig« zu sein, obwohl sie, zum mindesten die größte Mehrzahl von ihnen, niemals vom Wasser sich gänzlich entfernen oder freimachen können.

Ihre Gestalt ändert vielfach und bedeutend ab, indem, wie Karl Vogt sagt, »einerseits gänzlicher Mangel an Gliedmaßen oder höchst verkümmerter Entwickelung derselben mit drehrunder Wurmform, andererseits, bei stark entwickelten Gehwerkzeugen breite, abgeplattete Körpergestalt, welche sich der Scheibenform nähert, vorhanden ist. Bei den auf dem Lande lebenden gliedmaßenlosen Blindwühlen gleicht der ganze Körper, welcher nur Leib und durchaus schwanzlos ist, vollkommen einem Regenwurme, während bei den im Wasser lebenden Aalmolchen bei langstreckiger Aalform doch ein seitlich zusammengedrückter Schwanz, oft mit einer senkrechten Hautfalte als Schwimmflosse versehen, die Schwimmbewegung vermittelt. Hierzu gesellen sich nun allmählich die Füße in allen Stufen der Ausbildung, anfänglich durchaus unfähig, den Körper zu stützen und nur mit kleinen Kümmerzehen in geringer Anzahl ausgerüstet. Zuweilen sind nur die Vorderfüße vorhanden, die als unbedeutende Stummelchen am Halse hängen, in anderen Fällen nur die Hinterfüße. Je mehr sich die Füße entwickeln, desto mehr schiebt sich der Körper zusammen und plattet sich zugleich ab. Bei den froschartigen Thieren schwindet der Schwanz im erwachsenen Alter vollständig, so daß keine Spur mehr davon vorhanden ist, und der After sich unmittelbar, wie bei den Blindwühlen, an dem hinteren Ende des scheibenförmigen Körpers befindet. Die Hinterfüße bekommen bei diesen Thieren ein gewaltiges Uebergewicht über die kleinen, kurzstämmigen, meist einwärts gedrehten Vorderfüße, welche gewöhnlich nur vier Zehen haben, während die hinteren meist deren fünf besitzen. Die Bewegung auf dem Lande geschieht meistens nur sprungweise, indem die kräftigen Hinterschenkel den Körper oft auf ziemlich bedeutende Strecken hin durch plötzliche Spannung fortschnellen.«

[535] Mit vollstem Rechte stellte man, so lange Kriechthiere und Lurche als Angehörige einer und derselben Klasse angesehen wurden, letztere jenen als »nackte Kriechthiere« gegenüber. In der That finden sich nur bei sehr wenigen Lurchen Spuren oder Andeutungen von Horngebilden, wie solche allgemein den Leib der Kriechthiere und ebenso der Vögel und Säugethiere bekleiden oder, als Klauen und Nägel, die Füße bewaffnen. Wärzchen der Lederhaut sind nur an wenigen Stellen nachweisbar. Die niemals massig entwickelte Lederhaut enthält bei einzelnen zwischen zwei Schichten gelegene, vielseitig begrenzte und mit einer sulzigen Masse erfüllte Maschen oder Waben, bei anderen tiefe blinde Höhlen, in denen die Jungen sich entwickeln, bei wieder anderen wulstig verdickte Ringelungen, in denen innerhalb kleiner Täschchen fischschuppenähnliche Hartgebilde liegen. Verknöcherungen kommen nur bei wenigen Krötenarten vor. Bei den Fröschen und Molchen ist die Haut schlüpfrig, weich, meist sackartig weit, aus elastischen Sehnenfasern gewebt und ziemlich dünn, so daß bei denen, bei welchen sie fest an dem Körper liegt, die Muskeln durchschimmern. Eine farblose, aus Pflasterzellen gebildete Oberhaut, in welcher oft verschiedene Farbstoffe von grüner, blauer, gelber oder brauner Farbe abgelagert sind, deckt die Lederhaut. Bei vielen der nackten, froschartigen Thiere finden sich in der Haut besondere Drüsenbälge, welche einen scharfen, mehr oder minder nach Knoblauch riechenden Milchsaft absondern. Gewöhnlich sind diese Drüsen, wie z.B. bei den Kröten und Salamandern, über den ganzen Körper zerstreut, oft aber noch besonders dichte Anhäufungen zu beiden Seiten des dicken Halses angebracht, welche man Ohrdrüsen genannt hat. Außerdem bemerkt man bei einzelnen Arten wabenartige Räume, in denen die Eier ihre Entwickelung durchzumachen haben: sie aber sind auch nichts anderes als verwandelte Drüsen und bilden sich bloß während der Fortpflanzungszeit aus.

Die nackte Haut und ihre Drüsen sind von außerordentlicher Bedeutung für das Leben der Lurche. Sie gehen zu Grunde, wenn jener Thätigkeit gestört wird. So viel bekannt, trinkt kein einziger von ihnen in üblicher Weise, sondern nimmt alles Wasser, welches er zum Leben bedarf, einzig und allein durch die Haut in sich auf. Letztere saugt Feuchtigkeit ein und schwitzt solche aus. Townson war der erste, welcher diese Thatsache durch vielfache Versuche feststellte und veröffentlichte. Ein Frosch, welchen man im trockenen Raume hält, wird magerer und schwächer, und seine Kraft und Munterkeit stellt sich erst wieder her, wenn man ihm gestattet, ein Bad zu nehmen. Bei warmem Sonnenscheine sieht man die Frösche allerdings auch, und mit demselben Behagen wie die Kriechthiere, am Ufer sitzen, jedoch nur in unmittelbarer Nähe des Wassers, in welches sie zurückkehren, sobald es ihnen nöthig erscheint. Alle Lurche, welche den größeren Theil ihres Lebens auf trockenem Lande verbringen, wagen sich aus dem gegen die Sonnenstrahlen geschützten Schlupfwinkel erst dann hervor, wenn die Nacht Feuchtigkeit bringt oder doch wenigstens vor der austrocknenden Wärme bewahrt. Townson beobachtete, daß Frösche, denen man das Wasser entzog, binnen wenigen Tagen eingingen, dagegen länger am Leben blieben, wenn sie sich in Sägespäne verkriechen konnten, und sich wohl befanden, wenn man gedachte Sägespäne mit Wasser besprengte. Legte man einen nassen Lappen neben sie, so brachten sie ihren Körper so viel sie nur konnten, damit in Berührung. Wie bedeutend die Wassermenge ist, welche sie durch die Haut in sich aufnehmen, kann man durch leicht anzustellende Versuche ohne Schwierigkeit erfahren. Wiegt man einen, ich will sagen ausgedorrten Frosch, und umwickelt man ihn dann mit einem nassen Tuche derartig, daß der Mund frei bleibt, so bemerkt man sehr bald eine Zunahme des Gewichtes. Ein ausgedorrter Laubfrosch, welchen Townson untersuchte, wog fünfundneunzig Gran, nachdem er aber mit Wasser in Berührung gebracht wurde, schon eine Stunde später siebenundsechzig Gran mehr. In einer verschlossenen Schachtel können Frösche bei feuchter, nicht über zehn bis zwölf Grad warmer Luft einzig und allein durch die Thätigkeit ihrer Haut zwanzig bis vierzig Tage leben, auch wenn man alle Verbindung zwischen der Luft und den Lungen aufhebt. Läßt man ihnen hingegen nur durch die Lungen Feuchtigkeit zukommen, so sterben sie bei trockener Witterung nach wenigen Tagen, beraubt man sie ihrer Haut, schon nach wenigen Stunden. Fast ebenso groß[536] als die Einsaugungsfähigkeit der Haut ist deren Ausdünstung. Das Gewicht eines Lurches, welchen man trockener Wärme aussetzt, nimmt außerordentlich schnell ab, und zwar in gleichmäßigem Verhältnisse mit der Wärme selbst. Im luftleeren Raume ist die Ausdünstung beträchtlich, und die Lurche sterben hier deshalb schneller als im luftleeren Wasser; wird jedoch die Hautausdünstung gehemmt, beispielsweise, wenn man den Leib mit einem dichten Firnisse überzieht, so können sie auch länger am Leben bleiben. Ein eigenthümliches Organ, welches man fälschlich Urinblase nennt, scheint geradezu als Wasserspeicher zu dienen.

Neben reinem Wasser schwitzt die Haut auch unter derselben erzeugten Schleim in größerer oder geringerer Menge aus. Bei Kröten und Salamandern ist diese Absonderung, den zahlreichen Drüsen entsprechend, bedeutender als bei allen übrigen Lurchen, kann auch durch Hautreize noch besonders vermehrt werden. Setzt man z.B. einen Salamander oder eine Kröte auf glühende Kohlen, so sondert sich dieser Schleim in größerer Menge ab: daher die uralte, grundlose Sage, daß der Salamander im Feuer aushalten könne. Wie es scheint, ist der Lurch im Stande, die Hautabsonderung willkürlich zu vermehren, sie also vielleicht als ein Schutzmittel gegen seine Feinde zu verwerthen; denn dieser Saft, höchst wahrscheinlich nichts anderes als Buttersäure, hat nicht bloß starken Geruch, sondern auch bedeutende Schärfe, welche letztere Kröten und Salamander in den Ruf der Giftigkeit gebracht hat. Als eigentliches Gift nun ist der Schleim wohl nicht anzusehen; trotzdem verursacht er auf der empfindlichen Oberhaut Schmerzen, auf der Zunge beißendes Brennen. Davy, welcher den Saft der Kröte untersuchte, bemerkt, daß er auf der Zunge ungefähr die Wirkung des Eisenhutauszuges hervorbringe, im Wasser und Wein unauflöslich sei, im Salmiak seine Schärfe beibehalte und Salpetersäure roth färbe. Nach den von Gratiolet und Chloez angestellten Versuchen soll der Drüsenfast der Kröten kleine Vögel, denen er eingeimpft wird, bald tödten und selbst in dem Falle noch wirken, wenn er vor dem Einimpfen getrocknet wurde. Auch Röbbeler hat gefunden, daß der Schleim tödtlich wirkt, wenn er jungen Hündchen, Meerschweinchen, Fröschen und Wassersalamandern durch Einschnitte ins Blut übergeführt wird, ebenso, daß der Saft der Wasser- und Erdsalamander, in gleicher Weise der Kröte beigebracht, dieser verderblich wird. Pallas erzählt, daß er einen Mops besessen habe, welcher es nicht lassen konnte, Kröten todt zu beißen, aber geschwollene Lippen bekam, krank ward und starb. Diesen Bemerkungen fügt Lenz eigene Beobachtungen hinzu, welche jene Angaben zu bestätigen scheinen. »Daß man zarten Stubenvögeln keinen Sand geben dürfe, welcher mit der von Kröten ausgehenden Feuchtigkeit in Berührung gekommen, weiß ich aus folgender Thatsache: Im Jahre 1859 ließ ich frischen Sand für meine Kanarienvögel holen, that einen Theil davon in einen Topf, die Hauptmasse aber in einen Schuppen und legte eine Breterthüre zum Schutze gegen Verunreinigung darauf. Im Winter und Sommer bekamen die Vögel öfter frischen Sand aus dem Topfe und befanden sich wohl dabei. Im Sommer 1860 fiedelte sich eine ungeheuere Kröte unter der Breterthüre an, kam jeden Abend hervor, wartete vor dem Brete eine Zeitlang und kroch dann über Nacht im Hofe und Garten umher. Da ich ihr oft abends vor ihrer Klause einen freundlichen Besuch abstattete, wurde sie bald ganz zutraulich. Im Herbste war der Sand des Topfes verthan. Ich hob nun das Bret auf und fand unter ihm die von der Kröte gemachte Höhlung und die Kröte selbst. Der Sand war nicht, wie ich erwartet, ganz trocken, sondern von einer Feuchtigkeit durchzogen, welche wohl von der Bewohnerin ausging. Die von ihr gemachten Höhlungen durchzogen nur die Oberfläche; um sicher zu gehen, hob ich mit einer Schaufel den oberen Sand funfzehn Centimeter hoch ab, nahm von dem in der Tiefe befindlichen und gab davon drei gesunden Kanarienvögeln. Sie fraßen davon: der eine starb selbigen Tag, die zwei anderen, denen ich den Sand schnell wegnahm, in den nächsten Wochen.« Ich glaube nicht, daß die vorstehend mitgetheilten Versuche die Giftigkeit des Hautsaftes der Lurche so unbedingt beweisen, als es zu sein scheint, will jedoch die Schärfe des gedachten Saftes und gewisse Wirkungen desselben auf die Lebensthätigkeit kleinerer Thiere nicht in Abrede stellen.

[537] Sehr eigenthümlich ist das Geripp der Lurche, hinsichtlich dessen Ausbildung, wenn auch nicht in so ausgedehntem Maße, ähnliche Verhältnisse bemerklich werden, wie bei den Fischen. »Bei den Kiemen molchen«, sagt Vogt, »finden sich Wirbel, welche in ihrer Gestalt von Fischwirbeln sich nicht unterscheiden lassen; bei den eigentlichen Molchen dagegen kommen bereits vollständig ausgebildete Wirbel vor, welche vorn einen runden Gelenkknopf, hinten eine Pfanne tragen und dadurch mit einander gelenken. Bei allen diesen Lurchen mit langgestrecktem Körper ist auch die Anzahl der Wirbel sehr bedeutend, während bei den froschartigen Thieren nur wenige Rückenwirbel, sieben bis neun nämlich, vorkommen, dagegen ein langes Kreuzbein vorhanden ist, welches aus der Verschmelzung mehrerer Wirbel entstanden scheint und mit einem langen, säbelförmigen Knochen in Verbindung steht, der die Wirbelsäule bis zum After fortsetzt. Die Querfortsätze der Wirbel sind bei allen Lurchen wohl ausgebildet, zuweilen ungemein lang, und ersetzen auf diese Weise die Rippen, welche zuweilen nur durch kleine Knorpelanhänge vertreten sind.

Auch hinsichtlich der Bildung des Kopfgerüstes zeigen sich verschiedene Stufen in der Reihe der Lurche, welche sich namentlich auf das allmähliche Verschwinden der ursprünglichen Knorpelgebilde beziehen. Als bezeichnendes Merkmal für die ganze Klasse im Gegensatze zu den Kriechthieren stellt sich hier die Bildung zweier seitlichen Gelenkknöpfe an dem Hinterhaupte dar, welche von dem stets verknöcherten seitlichen Hinterhauptsbeine hergestellt werden und in zwei Vertiefungen des ersten, ringförmigen Halswirbels passen. Der Schädel selbst ist stets sehr breit, platt, die Augenhöhle gewöhnlich ungeheuer groß und durchgehend, so daß, von oben gesehen, die Kiefer einen Halbkreis bilden, welcher in der Mitte durch eine längliche Kapsel, den eigentlichen Schädel, durchsetzt wird. Was nun die einzelnen Knochen betrifft, so bildet das Keilbein auf der Unterfläche des Schädels eine bald kreuzförmige, bald breite Platte, welche meist auf ihrer oberen, dem Schädel zugekehrten Fläche mit Knorpeln bedeckt wird. Die Schädeldecke wird von zwei oft sehr verkümmerten Scheitelbeinen, zwei Stirnbeinen und bei den Blindwühlen noch von einem Siebbeine gebildet, während bei den übrigen gewöhnlich zwei mehr oder minder entwickelte Nasenbeine auf der vorderen Seite aufliegen. Bei den froschartigen Lurchen besteht ein ringartig verknöchertes Siebbein, welches zuweilen eine sehr bedeutende Größe erlangt, aber auf der Oberfläche des Schädels nirgends zu Tage kommt. Die Seitenflächen des Schädels bleiben bei den Kiemenlurchen fast ganz knorpelig oder zeigen auch eine dem vorderen Keilbeinflügel sowie dem vorderen Stirnbeine entsprechende Verknöcherung, während bei den froschartigen Thieren sowohl das Felsenbein als auch die Keilbeinflügel verknöchern, aber dennoch häutige Zwischenräume lassen. An dem Gaumengewölbe sind alle Knochen fest mit dem Schädel verbunden, und zwar in der Weise, daß Zwischenkiefer und Oberkiefer hinter einander den Mundrand bilden und gewöhnlich ein zweiter, gleichlaufender Bogen auf ihrer inneren Seite von dem einfachen Gaumenbeine gebildet wird. Ein eigentliches Pflugscharbein fehlt den Lurchen durchaus; dagegen sind die Gaumenbeine gewöhnlich ebenso wie die oberen Kiefer mit Zähnen besetzt. Der Unterkiefer ist zum wenigsten aus zwei Knochen, dem Gelenkstücke und dem Zahnstücke, zuweilen aber auch aus noch mehr zusammengesetzt und an einem Tragbogen aufgehängt, welcher niemals vollständig verknöchert und aus dem Quadratbeine und dem Trommelbeine besteht. Das siebförmige Knochengebilde, welches auf diese Weise zusammengesetzt wird, ist fest mit dem Schädel verbunden und gewöhnlich schief nach hinten gerichtet, so daß die Mundspalte oft ziemlich weit hinter den Schädel sich erstreckt und der Rachen einer großen Erweiterung fähig ist.

Die Glieder bestehen, insofern sie vorhanden sind, stets aus dem Schulter- oder Beckengürtel und den eigentlichen Gliedmaßen. Den Blindwühlen fehlen dieselben gänzlich, während bei manchen Kiemenmolchen nur Vorderfüße vorhanden sind. Der aus dem stielförmigen Schulterblatte und breitem, spatelarti gem Schlüsselbeine gebildete Schultergürtel ist an den Halswirbel seitlich befestigt. Bei den Molchen ist er stets nur theilweise verknöchert und besteht aus einem Schulterblatte, einem breiten Schlüsselbeine und dahinterliegendem Rabenbeine, zwischen welchen sich oft noch ein unpaares Brustbein einschiebt. Bei den Fröschen wird ein breiter Brustkorb von dem Schultergürtel gebildet, [538] der aus vielen Stücken besteht, welche oft nur theilweise verknöchern. Der Vorderfuß selbst besteht aus einem einfachen Oberarm-, zwei, zuweilen verschmolzenen Vorderarmknochen, einer oft knorpelig bleibenden Handwurzel und aus Zehen, deren Zahl meist vier, selten drei beträgt. Der Beckengürtel ist bei den Molchen nur unbedeutend, und die Kreuzbeinwirbel sind in ihrer Bildung von den übrigen Wirbeln kaum verschieden; das Becken bleibt außerdem meist knorpelig und besteht nur aus zwei Darmbeinen, welche durch einen Mittelknochen mit einander verbunden sind. Um so ausgezeichneter ist die Bildung des Beckens bei den Fröschen, wo dasselbe den starken Sprungbeinen als Stützpunkt und ihren Muskeln zum Ansatze dienen muß. Die Zusammensetzung der Fußknochen ist dieselbe wie an den vorderen Gliedmaßen, obgleich größerer Wechsel vorkommt, indem bei einigen Kiemenmolchen nur zwei, drei oder vier, bei den eigentlichen Molchen oder Fröschen aber stets fünf Zehen an den Hinterfüßen sich vorfinden. Nur bei sehr wenigen Sippen kommen kleine, hufartige Nägel vor, in welchen die Zehenenden wie in einem Fingerhute stecken; bei der größten Mehrzahl der Lurche sind die Zehen vollkommen nackt, dagegen häufig durch Schwimmhäute verbunden und oft auf ihrer Unterfläche mit besonderen Ballen zum Anheften versehen.

Die Muskeln der Lurche entsprechen der Leibesform. Bei den im Wasser lebenden Arten der Ordnung überwiegen die seitlichen Muskelmassen, bei den Fröschen erhalten die der Füße das Uebergewicht. Von Farbe sind die Muskeln weißröthlich, noch etwas blässer als die der Kriechthiere. Ihre Stärke ist beträchtlich, ihre Reizbarkeit bedeutend, wie die vielfachen Versuche, welche gerade mit diesen Thieren angestellt werden, zur Genüge darthun.«

Das Gehirn ist lang gestreckt, und seine einzelnen Knoten liegen hinter einander. Das kleine Gehirn wird nur durch eine schmale Querbrücke vertreten; vor ihm liegen die Vierhügel, welche von hinten her die Zirbeldrüse umfassen, vor dieser die paarigen Anschwellungen des Vorderhirns, welche gewöhnlich das hintere an Masse überwiegen. Das Rückenmark besitzt eine im Verhältnisse zum Gehirne beträchtliche Ausdehnung und überwiegt letzteres entschieden.

Keinem einzelnen Lurche fehlen die drei höheren Sinneswerkzeuge, obwohl die Augen bei einzelnen in hohem Grade verkümmert und unter einer undurchsichtigen Haut versteckt sind. Das entwickeltste Auge besitzen die Froschlurche: es ist groß, sehr beweglich, wird gewöhnlich von zwei Augenlidern bedeckt, deren unteres das größere, dünnere und durchsichtigere ist, und zeigt außerdem meist im inneren Hautwinkel die Nickhaut als einfache, kleine, unbewegliche Hautfalte. Das Gehörwerkzeug ändert noch mehr ab als das Auge. Bei den Schwanzlurchen ist nur das Labyrinth vorhanden, bei den Froschlurchen eine Paukenhöhle mit Trommelfell und kurzer, eustachischer Trompete. Das Labyrinth selbst besteht aus drei halbzirkeligen Röhren und einem Sacke, welcher mit kleinen Kalkkrystallen erfüllt ist, und hat eine eiförmige Oeffnung, welche bald durch einen Deckel, bald durch eine dünne Haut, bald durch Muskeln und Haut bedeckt wird. Die Nase öffnet sich in zwei durch eine Scheidewand von einander getrennte Höhlen vorne an der Schnauzenspitze und ebenso in der Mundhöhle am Gaumengewölbe: ein Merkmal, welches in der Regel hinreicht, um alle Lurche von den Fischen zu unterscheiden, obgleich auch bei diesen ausnahmsweise dasselbe gemerkt wird. Bei vielen Lurchen kann der Eingang der Nasenhöhle durch klappenartige Häute verschlossen werden. Die Zunge, welche jedoch kaum als Werkzeug des Geschmackes angesehen werden darf, fehlt bloß bei einer Familie, ist sonst gewöhnlich entwickelt, insbesondere sehr breit, und füllt den Raum zwischen beiden Kieferästen vollständig aus, besitzt auch regelmäßig ziemliche Beweglichkeit, unterscheidet sich aber hierin von der Zunge höherer Wirbelthiere dadurch, daß sie nicht hinten, sondern vorn angeheftet ist und also mit ihrem hinteren Ende aus dem Munde hervorgeschleudert werden kann; nur bei einigen Molchen ist sie auf dem Boden der Mundhöhle angewachsen.

Einige Lurche sind zahnlos, die meisten aber tragen im Oberkiefer und auf dem Gaumenbeine Zähne, andere solche auf den Oberkiefern und den Gaumenbeinen in zwei vollkommenen Bogen. Die Zähne sind immer kleine, einfache, spitzige, nach hinten gekrümmte Haken, auch durchaus von untergeordneter Bedeutung für das Leben der Thiere. Der Darmschlauch ist in der Regel kurz, der [539] Schlund lang und weit, der Magen einfach dickhäutig, längs gefaltet, der Afterdarm ausnahmsweise blasenartig erweitert. Die meist in zwei Lappen getrennte Leber, Gallenblase, Bauchspeicheldrüse, Milz und Nieren sind stets vorhanden. Die Geschlechtstheile, welche an der Rückenwand der Bauchhöhle liegen, zeichnen sich aus durch einfachen Bau. Die Hoden bestehen »aus kurzen Samenröhren, zerfallen zuweilen in einzelne Abtheilungen und gehen zuweilen in sehr seine Samenknöllchen über, welche durch eine Falte des Bauchfelles nach der Niere hinübergeleitet werden, in dieser sich netzförmig verzweigen und dann in den Harnleiter übertreten, an welchem sich meist noch röhrenförmige Seitenausstülpungen befinden. Die Eierstöcke sind traubenförmig und vollkommen abgeschlossen. Bei den Schwanzlurchen bilden sie einen Sack mit einer einzigen Oeffnung, durch welche die reifen Eier in die Bauchhöhle fallen, während bei den froschartigen Thieren jedes reife Ei für sich seine Kapsel durchbricht. Die Eileiter sind stets vollkommen von den Eierstöcken getrennt, sehr lang, darmartig, vielfach gewunden und mit einem weiten Trichter, welcher die Eier gleichsam einschluckt, in die Bauchhöhle geöffnet; vor ihrer Oeffnung in die Kloake zeigen sie oft eine gebärmutterartige Erweiterung, in welcher sich bei den Salamandern auch wirklich die Jungen entwickeln. Eigentliche Geschlechtswerkzeuge fehlen gänzlich.«

Höchst bedeutsam für das Leben der Lurche sind die Werkzeuge des Blutumlaufes und der Athmung. Das Herz weicht wenig von dem der Kriechthiere ab; es besteht aus zwei, jedoch nicht immer vollständig getrennten, dünnhäutigen Vorkammern und einer einfachen, dickwandigen Herzkammer, welche das Blut in die Schlagadern treibt. Letztere verändern sich während der Verwandlung, welche alle Lurche zu durchleben haben, bedeutend und mit ihnen gleichzeitig auch die Lungen, welche während der Jugend durch Kiemen ersetzt wurden, bei einzelnen überhaupt erst sehr spät zur Wirksamkeit gelangen. Dieses hängt so genau mit der Entwickelung unserer Thiere selbst zusammen, daß wir vor allem anderen hiermit uns beschäftigen müssen.

Eine eigentliche Begattung und Befruchtung der Eier im Leibe der Mutter scheint nur bei den lebendig gebärenden Erdsalamandern vorzukommen. Eine anderweitige Ausnahme machen vielleicht auch die Frösche, welche sich ohne eigentliche Verwandlung unmittelbar aus Eiern entwickeln; doch sind die Beobachtungen über die in hohem Grade auffallende Fortpflanzungsgeschichte dieser Thiere noch zu neu, als daß sie uns bereits vollständig aufgeklärt haben könnten. Die Regel ist, daß bei den Lurchen die Eier, wie bei den Fischen, erst befruchtet werden, nachdem sie den Leib der Mutter verlassen haben. Aeußerlich sichtbare oder überhaupt entwickelte Begattungswerkzeuge fehlen allgemein, und die Befruchtung der Eier geschieht daher gewöhnlich, also nicht in allen Fällen, im Wasser, währt sehr lange Zeit und läßt die brünstigen Thiere die Außenwelt oft gänzlich vergessen. Die Eier selbst werden bloß ausnahmsweise von den Eltern mit einer gewissen Fürsorge behandelt, in der Regel dagegen dem Wasser und der Sonne überlassen. Bei der Leichtigkeit, mit welcher man sich den Laich der Lurche verschaffen kann, ist die Entwickelung Gegenstand vielfacher Untersuchung gewesen. »Die reifen Eier«, sagt Vogt, »bilden eine kegelförmige Dottermasse, welche bei den meisten eine Ablagerung dunkelgefärbter Farbstoffe in ihrer Rindenschicht zeigt, die besonders um die eine Hälfte so stark ist, daß das Ei hier vollkommen schwarz erscheint. Die Dottermasse selbst besteht aus einer dicklichen, eiweißhaltigen, zähen Flüssigkeit, in welcher ungemein viele, festere Dotterkörperchen von talgähnlicher Beschaffenheit und meist viereckiger, abgeplatteter Gestalt sich befinden; eine sehr zarte Dotterhaut umschließt das Ganze. Beim Durchgleiten in dem lang gewundenen Eileiter werden die Eier mit gallertartiger Masse umhüllt, welche nur bei wenigen Arten fester wird und dann eine elastische Schnur darstellt, bei den meisten dagegen im Wasser ungemein anschwillt und so die gewaltigen Massen und Klumpen von Laich bildet, welche wir im Frühjahre in Gräben und Teichen finden. Bei der Entwickelung spielt diese Gallertmasse keine weitere Rolle als die einer schützenden Umhüllung, welche stets wie ein Schwamm mit Wasser vollgesogen ist. Sobald die Larve ihren ersten Entwickelungsgang vollendet hat, durchbricht sie diese Hülle, indem sie dieselbe zum Theile auffrißt, um dann frei im Wasser zu leben. Die Furchung des Eies ist meist [540] durchaus vollständig, so daß der ganze Dotter sich in zwei kugelförmige Hälften theilt, und diese Theilung sich ebenso durchgreifend fortsetzt, bis die endgültige Bildung der Keimzellen vorhanden ist.


Entwickelungszustände der Eier und Larven des Grasfrosches. 1 Eier nach dem Legen. 2 Dieselben wenig später. 3 Larve im Ei. 4, 5 Dieselbe nach Durchbrechung der Hülle. 6 bis 12 Weiterentwickelung der Larve bis zur Verwandlung.
Entwickelungszustände der Eier und Larven des Grasfrosches. 1 Eier nach dem Legen. 2 Dieselben wenig später. 3 Larve im Ei. 4, 5 Dieselbe nach Durchbrechung der Hülle. 6 bis 12 Weiterentwickelung der Larve bis zur Verwandlung.

Die ganze Rindenschicht des Dotters nimmt Antheil an der Ausbildung des Keimes und schließt so die Kernmasse des Dotters, welche nach und nach aufgebraucht wird, in ihr Inneres ein. Es zeigt sich demgemäß nie ein eigentlich beutelförmiger Dottersack. Die Bauchgegend erscheint nur je nach dem Alter der Larven mehr oder weniger aufgetrieben, da sie den Dotter im Innern enthält. Die erste Entwickelung geht ziemlich rasch vor sich, so daß schon wenige Tage nach der Befruchtung die ganze Dotterkugel in eine Larve umgewandelt ist, deren platter, niedergedrückter, mit kleinem, endständigem Maule versehener Kopf unmittelbar in den sackförmigen Bauch übergeht, an welchem sich hinten ein plattgedrückter Ruderschwanz befindet, der ringsum von einem breiten Hautsaume, von einer senkrechten Flosse umgeben ist. Dieser Schwanz zeigt dieselbe zickzackförmige Anordnung der Muskelbinden, wie sie auch bei den Fischen vorkommt. An dem Halse sprossen die einzelnen Kiemen in Gestalt warziger Bäumchen hervor, verschwinden aber bei den Froschlarven bald wieder, indem sie durch innere Kiemen ersetzt werden, während sie bei den Larven der Molche viel längere Zeit bestehen bleiben. Die weitere Ausbildung der Larve ist nun wesentlich auf die Entwickelung des Schwanzes und die allmähliche Verarbeitung des Dotters gerichtet. Der Hautsaum der Schwanzflosse wird sehr hoch, der Körper schlanker, und nach und nach bilden sich die Gliedmaßen, welche anfangs unter der Haut verborgen sind und bei den Fröschen und Molchen sich in umgekehrter Ordnung zeigen, indem bei letzteren die Vorderbeine vor den Hinterbeinen, bei ersteren die hinteren Beine vor den Vorderbeinen die Haut durchbrechen. Bei den Froschlarven sind die Hinterbeine geraume Zeit allein vorhanden, und der Schwanz bleibt auch noch nach dem Erscheinen der Vorderfüße das haupsächlichste Bewegungswerkzeug; dann aber beginnt die Umwandlung der schwimmenden, pflanzenfressenden Larve zu einem hüpfenden, kerbfressenden Thiere. Die Kiefer waren bisher mit Hornscheiden oder eigenthümlichen Hornzähnen bewaffnet, welche jetzt abfallen; der Schwanz verkümmert nach und nach, vertrocknet und verschwindet endlich gänzlich.

Was nun die Entwickelung der inneren Organe bei der Froschlarve betrifft, so geht auch hier die Bildung des Keimes von einem bestimmten Punkte, von dem Keimhügel aus, an welchem sich zuerst die Rückenfurche mit ihren begrenzten Wülsten und nach diesem die Wirbelsaite als erste Anlage des Gerippes zeigt; die Zellenmassen des Keimes sind sehr bald in dem ganzen Umfange [541] des Dotters als Bauchwandungen und Hautsystem sichtlich; das Ei wird nun länglich, während die Rückenplatte nach oben sich schließt und so den Raum herstellt, welcher für Gehirn und Rückenmark bestimmt ist. Man unterscheidet deutlich die drei Hirnabtheilungen mit den ihnen zugehörigen Sinneswerkzeugen: Nase, Auge und Ohr, bemerkt aber jetzt schon das Uebergewicht des vorderen Hirntheiles über die anderen. Die Entwickelung des Gehirnes und der Sinneswerkzeuge selbst zeigt viele Aehnlichkeit mit derjenigen der Fische; die Ausbildung des Gerippes stimmt ebenfalls mit dieser überein. In dem abfallenden Schwanze werden nie Wirbelkörper gebildet, während in dem Rumpfe dieselben als vollständige Ringe entstehen und durch die Form der Doppelkegel hindurchlaufen, welche bei den Kiemenmolchen beständig bleiben oder aber auch als Halbringe, so daß die Reste der Wirbelsaite auf der dem Bauche zugekehrten Fläche der Wirbel wie in einer Rinne stecken. Der mittlere Raum des knorpeligen Urschädels, in welchen die Spitze der Wirbelsaite hineinragt und der von dem Hirnanhange ausgefüllt wird, ist bedeutend groß, eiförmig; die seitlichen Schädelleisten sind schmal, die Zwischenräume zwischen ihnen und dem die Augenhöhle begrenzenden Jochbogen sehr breit; die Gesichtsplatte ist klein und kurz. Die Kopfknochen bilden sich größtentheils als Deckplatte, zum kleineren Theile als Verknöcherungen des Urschädels, welcher bei den meisten Sippen in einzelnen Ueberbleibseln zeitlebens bestehen bleibt.

Das Herz entsteht bei den Larven sehr früh aus einer zwischen der Unterfläche des Kopfes und dem Dotter abgelagerten Zellenmasse und tritt sehr bald in Thätigkeit. Anfangs ist es nur schlauchförmig; später entwickeln sich die einzelnen Abtheilungen. Der Aortenstiel setzt sich unmittelbar in die Kiemenbögen fort, welche anfangs die äußeren, später die inneren Kiemenfransen mit Blut versorgen; aus den vorderen Kiemengefäßen entstehen die Kopfschlagadern, während die hinteren sich zur Bildung der Aorta zusammenfügen. Das Körperblut strömt längs des Schwanzes durch die Hohlader zurück, verzweigt sich aber dann wie bei den Fischen auf der Oberfläche des Dotters und kehrt durch die Dottervenen in die Vorkammer des Herzens zurück. Während des ganzen Larvenlebens bleibt dieser Kreislauf in seinen Grundzügen derselbe, nur mit dem Unterschiede, daß statt des ursprünglichen Dotterkreislaufes allmählich die Pfortaderbahnen der Leber und der Nieren eintreten. Die Lungen entwickeln sich nun allmählich und die aus den letzten Kiemenbogen entspringenden Lungenschlagadern werden zusehends bedeutender. Die Luftathmung beginnt, während die Kiemen einschrumpfen; die Lungenschlagadern werden damit ungleich mächtiger; die vorderen Kiemenbogen wandeln sich gänzlich in die Schlagadern des Kopfes und der Augen um, während die mittleren die Aorta bilden. Währenddem noch bei den Larven die ganze Menge des Blutes, welche aus dem Herzen hervorgebracht wird, durch Kiemen geht und dann erst sich in den Körper vertheilt, erhalten bei den erwachsenen Thieren sämmtliche Körpertheile nur gemischtes Blut, da die Theilung der Herzkammern nicht vorhanden ist. Das aus dem Körper zurückströmende Blut tritt freilich in die rechte, das aus den Lungen kommende in die linke Vorkammer ein; aber beide Massen werden in der einfachen Herzkammer gemischt und aus dieser gleichmäßig Körper wie Athemwerkzeuge gespeist.«

Wenige Reste vorweltlicher Lurche sind bisher von uns aufgefunden worden, so daß wir also über die Vorgeschichte dieser Klasse kaum ein Urtheil zu fällen im Stande sind. Gegenwärtig belebt sie alle Erdtheile und verbreitet sich, mit Ausnahme des nördlichsten Theiles der Erde, über alle Gürtel. Wärme und Wasser sind, und zwar in noch höherem Grade als bei anderen Klassen, die Bedingung zu ihrem Leben und Gedeihen. Ihre Abhängigkeit vom Wasser ist so groß, daß sie ohne dasselbe nicht gedacht werden können, da sie, mit wenigen Ausnahmen, ihre erste Jugend hier verleben müssen. Die zweite Lebensbedingung, Wärme, erklärt es, daß sich ihre Anzahl gegen den Gleicher hin außerordentlich steigert, so daß man fast sagen kann, die Wendekreisländer seien ihre eigentliche Heimat. Immer aber wählen sie sich nur die süßen Wässer zu ihrem Aufenthalte oder [542] zur Erziehungsstätte ihrer Nachkommenschaft und vermeiden, soviel bis jetzt bekannt, das Meer oder salzige Gewässer überhaupt. Ein beträchtlicher Theil von ihnen verweilt in allen Lebenszuständen im Wasser, die Mehrzahl, nachdem sie ihre Verwandlung überstanden, außerhalb desselben, obschon nur in feuchten Gegenden. Da, wo die Wüste zur wirklichen Herrschaft gelangt ist, gibt es keine Lurche mehr, da hingegen, wo Wasser, wenn schon nur zeitweilig und alljährlich sich findet, fehlen auch sie nicht; denn ebenso gut, als bei uns zu Lande den Winter, verbringen sie dort die ihm entsprechende trockene Jahreszeit tief eingebettet im Schlamme oder doch in Höhlungen, in todähnlichem Schlafe, aus welchem sie der Beginn des nächsten Frühlings weckt. In allen Gegenden der Gleicherländer, wo eine regelmäßig wiederkehrende Regenzeit das Jahr in bestimmte Abschnitte theilt, verschwinden sie gänzlich mit Beginn der Trockenheit und stellen sich wieder ein, nachdem der erste Regen gefallen, weite Strecken, auf denen man Tage vorher von ihrem Vorhandensein keine Ahnung hatte, wie mit einem Zauberschlage belebend. Aber in allen diesen Gegenden ist ihre Anzahl beschränkt im Vergleiche zu den wasserreichen Urwaldungen, welche jahraus, jahrein wenigstens annähernd dieselbe Feuchtigkeit halten, und ihnen selbst in den Wipfeln der Bäume noch die Möglichkeit zur Fortpflanzung gewähren. Die unermessenen Waldungen Südamerikas wie die Urwälder Südasiens beherbergen einzelne Familien von ihnen in überraschend hoher Anzahl, ebensowohl was die Arten als die Einzelwesen anlangt, und das zwischen breiten Blättern in Baumhöhlungen und sonstwie sich sammelnde Wasser wird von ihnen benutzt, ihren Laich aufzunehmen und ihren Larven zum Aufenthalte zu dienen. Hier ist jedes Plätzchen besiedelt, die Gewässer unten am Boden, die feuchten Stellen desselben wie die Wipfel und Höhlungen der Bäume, während in den verhältnismäßig trockenen Waldungen Afrikas ungleich weniger Lurche bemerkt werden. Die Sümpfe und die feuchten Urwälder Mittel- und Südamerikas gelten mit Recht als das wahre Paradies der Froschlurche, während diese in Afrika ganzen Ländertheilen fast gänzlich fehlen. Doch muß zum vorstehenden nothwendigerweise bemerkt werden, daß uns jedes neue Jahr neue Entdeckungen bringt, wir also noch nicht mit vollster Sicherheit über Verbreitung und Vorkommen urtheilen können.

Versuchen wir, auf Günthers treffliche Arbeit uns stützend, ein Bild der allgemeinen Verbreitung der Lurche zu gewinnen, so finden wir zunächst, daß keine andere Wirbelthierklasse so wenige, einem bestimmten Gebiete eigenthümliche Formen aufweist als sie. Die nördliche Halbkugel der Erde zeichnet sich aus durch die nur ihr eigenen Schwanzlurche, der heiße Gürtel durch riesenhafte Froschlurche, Südamerika durch seinen Reichthum an Baumfröschen, Afrika durch seine Armut an Lurchen überhaupt. Die einzelnen Sippen haben oft, die Familien fast immer Vertreter in verschiedenen Gebieten, und die einzelnen Arten verbreiten sich, so bestimmt sie an gewisse Oertlichkeiten gebunden zu sein scheinen, nicht selten erstaunlich weit. Einen Lurch aber, welcher Weltbürger genannt werden könnte, gibt es nicht, und ebensowenig eine Sippe, welche in allen Verbreitungsgebieten vertreten wäre. Am weitesten verbreiten sich die Laub- und Wasserfrösche nebst den Kröten; aber gerade die letzten beiden Sippen fehlen in Australien gänzlich, während hier doch die Laubfrösche zu auffallender Entwickelung gelangten.

Bezeichnend für das nördlich altweltliche Gebiet sind die Krötenfrösche, Unken, Geburtshelferkröten, mehrere Salamander und Tritonen, die Wassersalamander, der Olm und andere Sippen oder Arten, welche in unserem Werke nicht weiter erwähnt werden können. Mit wenigen Ausnahmen leben in Europa Vertreter der in dem ganzen Gebiete vorkommenden Sippen. Einzelne Arten verbreiten sich in ihm, so weit dies für Lurche überhaupt möglich: so beispielsweise der Laubfrosch. Die Schwanzlurche überwiegen die Froschlurche ungefähr um das doppelte. Von den dreihundertundachtzig Arten, welche Günther im Jahre 1858 unterschied, gehören fünfundvierzig dem Gebiete an.

Im äthiopischen Gebiete leben nur Froschlurche, und auch diese in verhältnismäßig so geringer Artenanzahl, daß Günther deren nicht mehr als sechzig annehmen konnte. Auf die bezeichnenden Sippen gehe ich aus dem Grunde nicht ein, weil ich im nachfolgenden die afrikanischen Frösche nur [543] beiläufig erwähne. Die Laubfrösche fehlen, wie bereits bemerkt, gänzlich, werden jedoch durch verwandte Formen vertreten.

Im Verhältnisse zu den Kriechthieren erscheint auch das indische Gebiet nicht reich, eher arm an Lurchen. Die Artenanzahl ist, so günstig Klima und Pflanzenwelt für die Entwickelung der Klasse zu sein scheinen, nicht bedeutender als im äthiopischen Gebiete; einzelne Arten treten aber so massenhaft auf als irgend anderswo. Ceylon ist verhältnismäßig reich an Arten, aber nur wenige von diesen sind für das Eiland bezeichnend. Echte Laubfrösche fehlen auch in dem indischen Gebiete.

Australien, von welchem bis jetzt nur ein geringer Theil erforscht werden konnte, darf nicht arm genannt werden. Hier treten, wie im äthiopischen und indischen Gebiete, zwar nur Froschlurche, sie aber in verhältnismäßig bedeutender Mannigfaltigkeit und Sippenanzahl auf. Verwandte unseres Wasserfrosches und Kröten fehlen gänzlich. Die Anzahl der Arten beträgt ungefähr die Hälfte derer, welche dem äthiopischen wie dem indischen Gebiete eigenthümlich sind. Neuseeland beherbergt keine Lurche.

Das nördlich neuweltliche Gebiet zeigt der Mehrzahl nach denen des nördlich altweltlichen sehr ähnliche Lurche, besitzt mit diesem sogar eine Art, den Laubfrosch, gemeinschaftlich. Eine Reihe von Froschlurchsippen sind ihm eigenthümlich und die Schwanzlurche in ihm zur größten Entwickelung gelangt. Als bezeichnende Formen mögen die Heuschreckenfrösche, die Querzahnmolche, Fischsalamander, Aal-, Furchen- und Armmolche genannt sein. Die Anzahl an Arten schätzt Günther im angegebenen Jahre auf siebzig, und zwar zwanzig Froschlurche und funfzig Schwanzlurche.

Reicher als alle übrigen Gebiete erscheint das südlich neuweltliche, obgleich auch hier die Schwanzlurche fast gänzlich fehlen. Dafür treten die Froschlurche um so zahlreicher und neben ihnen die Blindwühlen auf. Eigenthümliche Sippen der Frösche und Kröten gesellen sich denen, welche auch anderen Gebieten angehören; Laub- oder Baumfrösche überhaupt haben hier die höchste Entwickelung erlangt; riesige Frösche und eigenartige Kröten müssen als bezeichnende Erscheinungen des Gebietes genannt werden, und die Blindwühlen haben hier ihre wahre Heimat.

In den letzten zwanzig Jahren hat sich die Anzahl der beschriebenen Lurcharten so wesentlich vermehrt, daß Wallace im Jahre 1876 sie auf fast siebenhundert beziffert; die von Günther hervorgehobenen Grundzüge der Verbreitung haben sich jedoch nicht verändert.

So weit verbreitet einzelne Lurche sind, so fest hängen sie an einer und derselben Oertlichkeit. Ihr Wohnkreis beschränkt sich oft auf den Raum weniger Geviertmeter: ein mittelgroßer Teich, ja, eine Pfütze, in welcher sich regelmäßig Wasser sammelt, kann das Wohngebiet von hunderten dieser genügsamen Geschöpfe sein, ohne daß sie sich gelüsten lassen, auszuwandern; ein einziger Baum im Urwalde beherbergt vielleicht andere jahraus, jahrein, und zwar die Larven wie die Erwachsenen. Andere Arten treiben sich in einem größeren Wohnkreise umher, scheinen aber ebenfalls an einem gewissen Gebiete streng festzuhalten und namentlich jederzeit den geeigneten Schlupfwinkel wieder aufzusuchen. Wanderungen im weiteren Umfange kommen bei den Lurchen wohl nur sehr ausnahmsweise vor: wahrscheinlich bloß dann, wenn sich ein Wohnort so vollständig verändert, daß er ihnen nicht mehr die nöthigen Lebensbedürfnisse gewährt; doch läßt sich andererseits nicht verkennen, daß auch sie sich in einer Gegend mehr oder weniger ausbreiten können, daß auch sie Oertlichkeiten, insbesondere einzelne Gewässer besiedeln, in denen sie früher nicht vorhanden waren.

Das Leben der Lurche erscheint uns noch einförmiger als das der Kriechthiere, obgleich die meisten mehrere von diesen wenigstens hinsichtlich ihrer Bewegungsfähigkeit übertreffen. Ihrem Aufenthalte im Wasser gemäß sind alle, vielleicht mit alleiniger Ausnahme der Schleichenlurche, treffliche Schwimmer und keineswegs allein in ihrem Larvenzustande, welcher sie gewissermaßen zu Fischen stempelt, sondern auch als Erwachsene, gleichviel ob die Füße oder ob der Schwanz zu ihrem hauptsächlichsten Bewegungswerkzeuge wird. Als Larven schwimmen sie mit Hülfe des Schwanzes durch seitliche Bewegungen, also nach Art der Fische, als Erwachsene einige, die Schwanzlurche, noch in derselben Weise, die Froschlurche dagegen durch kräftigere Ruderstöße mit den hierzu wohl [544] geeigneten Füßen, so wie der Mensch schwimmt, nur mit dem Unterschiede, daß die Vorderglieder wenig oder nicht zur Mitleidenschaft gelangen. Daß auch die Schleichenlurche im Wasser sich zu benehmen wissen, unterliegt keinem Zweifel, da jedes wurmförmige Thier überhaupt durch schlängelnde Bewegungen hier sich forthelfen kann; gleichwohl stehen sie gewiß den Mitgliedern der übrigen Ordnungen in dieser Bewegungsfähigkeit bedeutend nach. Die Ortsveränderung auf festem Lande wird sehr verschieden bewerkstelligt. Alle Schwanzlurche humpeln kriechend in schwerfälliger Weise ihres Weges fort, während die Froschlurche in kürzeren oder weiteren Sprüngen sich bewegen. Unter letzteren gibt es auch Kletterer, d.h. solche, welche wohl im Stande sind, zu den Wipfeln hoher Bäume emporzuklettern; das Klettern aber geschieht anders als bei allen bisher genannten Wirbelthieren; denn es besteht eben auch nur aus Sprüngen von einem Ruhepunkte zu einem zweiten, höher gelegenen. In einer Hinsicht ist die Mehrzahl der Lurche vor den Kriechthieren ausgezeichnet. Während nur wenige von diesen eine Stimme im eigentlichen Sinne des Wortes haben, besitzt eine große Menge von Lurchen, insbesondere der ersten Ordnung, die fast überraschende Fertigkeit, mehr oder weniger klangvolle, laute und abgerundete Töne hervorzubringen. Ihre Stimmen sind es, welche nachts im Urwalde alle übrigen wenn auch nicht übertönen, so doch ununterbrochen begleiten, ihre Stimmen, welche bei uns zu Lande in den Sommernächten zu den vorherrschendsten werden. Mehrere Arten der Klasse machen von ihrer Begabung so umfassenden Gebrauch, daß sie zu Störern der nächtlichen Ruhe werden oder ein ängstliches Gemüth in Furcht oder Verwirrung setzen können. Doch sind, wie ich bereits hier bemerkt, nur die Erwachsenen im Stande zu schreien, die Larven und Jungen hingegen vollständig stumm.

Ueber die höheren Fähigkeiten haben wir noch nicht genügende Beobachtungen angestellt, um ein gerechtes Urtheil zu fällen. Daß alle fünf Sinne entwickelt, namentlich die drei höheren wohl ausgebildet sind, haben wir gesehen; daß ihre Hirnthätigkeit sich in einer Weise äußert, welche von Verständnis für die Außenwelt, von einer gewissen Ueberlegung zeugt, daß sie in beschränktem Grade sich gewöhnen oder abrichten lassen, also Veränderung der Umstände erkennen und danach handeln, läßt sich nicht in Abrede stellen: trotzdem dürfte soviel feststehen, daß sie zu den geistlosesten aller Wirbelthiere gehören und an Verstand vielleicht kaum oder nicht die Fische übertreffen. Das über das geistige Wesen der Kriechthiere im allgemeinen gesagte gilt auch für sie, und wahrscheinlich mit Recht gestaltet sich unser Urtheil noch ungünstiger für sie als bezüglich jener. Von einem geselligen Zusammenleben unter ihnen kann im Ernste nicht gesprochen werden. Die gleiche Oertlichkeit bindet sie aneinander, nicht gegenseitige Zuneigung: sobald sie ihren Geschlechtstrieb befriedigt haben, kümmern sie sich nicht mehr um einander. Auch die Fürsorge, welche einzelne von ihnen den Jungen widmen, darf nicht überschätzt werden, obgleich sich freilich von uns nicht entscheiden läßt, in wie weit diese Fürsorge eine von ihnen durchdachte oder doch empfundene ist. Beobachtung der Art und Weise, in welcher einzelne Arten ihrer Brut sich annehmen, läßt uns die unhaltbare Annahme einer von außen her einwirkenden Kraft, einer für das Thier sorgenden Weisheit, wenn auch nicht verständlich, so doch entschuldbar erscheinen, weil die jener Annahme entgegengesetzte Ansicht, welche sicherlich die richtige sein wird, ein Maß von Verstand voraussetzt, für welches wir übrigens im Leben und Treiben der Lurche keinen Anhalt finden.

Es ist wahrscheinlich, daß es unter den Lurchen kein einziges Tagthier gibt. Ihr Leben beginnt kurz vor oder mit Einbruch der Dämmerung und währt bis gegen den Morgen fort; übertages pflegen, obschon in sehr verschiedener Weise, alle bekannten der Ruhe. Während die einen sich einfach verkriechen und hier fast bewegungslos bis zum nächsten Abende verharren, gönnen sich andere die Wohlthat der Besonnung, begeben sich deshalb auf geeignete Oertlichkeiten und verbringen den Tag in einem Halbschlummer, welcher jedoch niemals so tief ist, als daß sie einer Gefahr unvorsichtig sich preis geben oder eine sich ihnen bietende Beute vernachlässigen sollten. Aber auch sie bekunden durch Regsamkeit, Gequak und dergleichen, daß der Mond ihre Sonne, die Nacht die Zeit ist, in welcher sie ihren eigentlichen Geschäften nachgehen.

[545] Mit der Verwandlung steht die Nahrung in einem bestimmten Verhältnisse. Alle Lurche sind Raubthiere; die Beute aber, welcher sie nachstreben, ist, je nach dem Alter, eine verschiedene. Die Larven nähren sich, wie Leydig wenigstens bei einzelnen von ihnen feststellte, im frühesten Jugendzustande von allerlei Kleingethier, »indem sie, wie die Regenwürmer, ihren Darm ununterbrochen mit Schlammerde füllen und dabei kleine thierische Wesen, Infusorien, Räderthiere, Daphniden, aber auch Diatomeen, in Menge einschlürfen«. Der Inhalt des Darmes verschiedener von Leydig untersuchter Kaulpadden war immer mehr oder weniger derselbe; das Vorhandensein gelegentlich mit verschluckter Algen und ähnlicher Pflanzen erklärte aber auch die früher allgemein für richtig gehaltene Annahme, daß besagte Larven ausschließlich von Pflanzenstoffen sich nähren und erst nach ihrer Umwandlung zu Raubthieren werden sollen. Allerdings können Larven geraume Zeit bei ausschließlicher Fütterung mit Pflanzennahrung, namentlich Semmelkrume, leben, sich dem Anscheine nach auch wohl befinden, verlangen aber, sollen sie gedeihen und sich verwandeln, bald kräftigere Kost, thierische Stoffe nämlich. Als Raubthiere erweisen sie sich bereits in sehr früher Jugend auch dem, welcher sie längere Zeit beobachten kann; denn schon sie verschlingen schwächere Larven, gleichviel ob solche ihrer eigenen oder einer anderen Lurchart, ohne Umstände. Einmal verwandelt, jagen alle Lurche auf lebende und sich bewegende Thiere der verschiedensten Art, vom Würmchen an bis zum Wirbelthiere hinauf, die einen, indem sie schwimmend verfolgen, die anderen, indem sie die ins Auge gefaßte Beute durch einen Sprung oder durch rasches Vorschnellen ihrer Zunge zu ergreifen suchen. Von jetzt an verschonen sie, wie es scheint, zwar ihresgleichen, nicht aber ihre Verwandten, verschlingen vielmehr diese ebenso gut wie jedes andere Thier, welches sie überhaupt bewältigen können. Einzelne Froscharten jagen erwiesenermaßen mit Vorliebe auf andere Frösche; daß es aber unter den Salamandern anders sein sollte, läßt sich kaum annehmen. Wie bei den Kriechthieren steigert sich mit zunehmender Wärme ihre Eßlust. In den Sommermonaten sind unsere Lurche wahrhaft gefräßige Raubthiere; im Frühlinge und Herbste genießen sie wenig, obgleich man wegen des vorausgegangenen oder des darauf folgenden Winterschlafes das Gegentheil vermuthen möchte.

Nach dem Erwachen aus diesem Todtenschlummer regt sich bei ihnen der Fortpflanzungstrieb, welcher auch sie, die stumpfgeistigen Geschöpfe, in besonderem Grade belebt. Um diese Zeit herrscht, im Norden wenigstens, oft noch recht rauhe Witterung; die Wärme beträgt kaum zwei Grad über dem Gefrierpunkte; große, unzerthaute Eisstücke schwimmen vielleicht noch in dem Gewässer umher: das aber ficht die Lurche wenig an; ja, angestellten Versuchen zufolge scheint sogar eine wiederum abnehmende Wärme des Wassers die Begattung zu beschleunigen. Sobald der Laich abgelegt, trennen sich die Pärchen, auch diejenigen, welche mit größter Innigkeit aneinander zu hängen schienen, und jedes Geschlecht geht nun wieder seine eigenen Wege. Die auf dem Lande lebenden verlassen das Gewässer, Feldfrösche begeben sich auf Felder und Wiesen, Baumfrösche erklimmen die Wipfel der Bäume, Salamander verfügen sich in ihre Jagdgründe, um fortan ihr einförmiges und anscheinend ihnen doch so behagliches Sommerleben zu führen, bis der eintretende Winter, sei es, daß er durch die Kälte, sei es, daß er durch die Dürre herbeigeführt wird, diesem wiederum ein Ende macht und einen jeden zwingt, sich für die ungünstige Jahreszeit ein geschütztes Winterlager zu suchen.

So rasch der Lurch seine erste Jugendzeit durchläuft, so wenige Wochen die Larve bedarf, bis sie sich zum vollkommenen Thiere umgewandelt, so langsam ist das Wachsthum des letzteren. Frösche sind erst im fünften Jahre ihres Lebens fortpflanzungsfähig, wachsen aber noch immer fort und erreichen vielleicht erst im zehnten, zwölften Lebensjahre ihre vollkommene Größe; Salamander bedürfen noch mehr Zeit, bis sie das äußerste Maß derselben erreicht haben, die Riesensalamander Japans möglicherweise dreißig Jahre und mehr. Dafür aber währt ihr Leben auch, falls nicht ein gewaltsamer Tod es kürzt, viele, viele Jahre, selbst unter Umständen, welche jedem anderen Thiere den Tod bringen müssen. Es ist wahr, daß in Höhlen eingeschlossene Kröten am Leben verblieben sind, falls nur etwas Feuchtigkeit und mit ihr eine geringe Menge von Nahrung eindrang; es ist [546] durch Beobachtung festgestellt worden, daß sie über Jahresfrist in künstlich für sie bereiteten Höhlen zugebracht haben, ohne dem Mangel zu erliegen: ihre Zählebigkeit übertrifft also wirklich die aller anderen Wirbelthiere. Von einzelnen Kriechthieren wissen wir, daß abgebrochene Glieder, namentlich der Schwanz, bis zu einem gewissen Grade sich wieder ersetzen, d.h., daß ein Stummel sich bildet, dessen Gestalt der des Schwanzes ähnelt, welcher sich aber dadurch von diesem unterscheidet, daß er keine Wirbel hat; bei einzelnen Lurchen hingegen entstehen, wenn man sie verstümmelt, neue Glieder mit Knochen und Gelenken, gleichviel ob das Thier alt oder jung, ob es sich im Larven- oder im ausgebildeten Zustande befindet. Schneidet man ihnen ein Bein oder den Schwanz ab, so ersetzen sich diese Theile wieder, obschon langsam; wiederholt man den Versuch, so hilft die Natur zum zweiten Male nach. Verwundungen, an denen andere Wirbelthiere unbedingt zu Grunde gehen würden, behelligen die Lurche kaum; das Auge, welches man ihnen raubt, bildet sich von neuem. Diese Eigenschaft hat die uns zugänglichsten Arten der Klasse, insbesondere die Frösche, zu Märtyrern der Wissenschaft gestempelt: an ihnen wurden und werden die Versuche angestellt, welche über die Thätigkeit und Wirksamkeit der Organe die bedeutsamsten Ergebnisse gehabt haben; sie sind es, welche deshalb heutigentages noch in rückständigen oder absichtlich als beschränkt sich gebarenden, vielleicht thatsächlich geistesschwachen Menschen wortreiche Anwälte zur Klagführung gegen die Wissenschaft und ihre Vertreter finden. Die Schwätzereien der gefühlsüberschwänglichen Leute würden des Erfolges oder doch eines gewissen Eindruckes nicht ermangeln, wäre man wirklich berechtigt, von Grausamkeit bei so gefühllosen Wesen zu reden. Ein Frosch, dem man das Rückgrat bloß gelegt, hüpft nach der fast allen übrigen Wirbelthieren tödtlichen Verwundung scheinbar munter umher; ein Salamander, welchen man in der fürchterlichsten Weise verstümmelt hat, lebt annähernd in derselben Weise fort als früher. Nur von den niedersten Seethieren wird solche Ersatzfähigkeit noch übertroffen. In gleicher Weise zeigt sich die Lebenszähigkeit wenigstens einzelner Arten der Klasse den Einwirkungen des Wetters gegenüber. Ein Salamander kann im Wasser zu Eis gefrieren und thaut in der Wärme mit dem Eisstücke wieder zum Leben auf; ein Molch kann infolge langwährender Trockenheit zu einer unförmlichen Masse einschrumpfen, an welcher man keine Regung wahrnimmt, und durch Befeuchten mit Wasser doch wieder ins Leben zurückkehren. Ja, selbst im Magen ihrer Feinde noch leistet den Lurchen die Unverwüstlichkeit gute Dienste: aus getödteten und aufgeschnittenen Schlangen hervor kriechen noch lebende Kröten, deren Hinterbeine bereits oder doch theilweise verdaut worden sind.

Unter dem Hasse, welchen die Kriechthiere mit Recht oder Unrecht erregten, haben auch die in so mancher Hinsicht ähnelnden, bis in die neueste Zeit mit ihnen zusammengeworfenen Lurche zu leiden. Kein einziger von ihnen ist schädlich, kein einziger im Stande, Unheil anzurichten: gleichwohl verfolgt und tödtet sie blinde Unkenntnis noch in unverantwortlicher Weise. Von uralten Zeiten her haben sich auf unsere Tage Anschauungen vererbt, welche, obschon gänzlich ungerechtfertigt, selbst bei sogenannten Gebildeten noch geglaubt werden. Während der einsichtsvolle Gärtner die Kröte hegt und pflegt, der Engländer sie sogar zu hunderten aufkauft, um seinen Garten von allerlei schädlichem Geziefer zu reinigen, schlägt der rohgeistige oder doch kenntnislose Mensch das »häßliche« Thier todt, wo er es findet, gleichsam als wolle er sich auf ein und dieselbe Stufe stellen mit dem Storche, welcher an diesem Thiere eine uns fast unbegreifliche Mordlust bethätigt. Bei dem, welcher beobachtet, haben sich alle Lurche dieselbe Freundschaft und Zuneigung erworben, welche man allgemein nur den Fröschen zollt, obschon die übrigen Klassenverwandten sie in demselben Grade verdienen wie letztgenannte. Gegen die meisten Raubthiere schützt viele der Schleim, welchen ihre Haut absondert; diejenigen unter ihnen aber, welche keine derartige Gifthaut besitzen, fallen in Unzahl den allerverschiedensten Thieren zur Beute: vom Frosche kann man dasselbe sagen wie vom Hasen: »alles, alles will ihn fressen«. Ein Glück für sein Geschlecht, vielleicht auch für uns, daß die außerordentlich starke Vermehrung alle entstehenden Verluste bald wieder ausgleicht!

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Siebenter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Erster Band: Kriechthiere und Lurche. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 535-547.
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