Teichfrosch (Rana esculenta)

[571] Unser Teichfrosch (Rana esculenta, viridis, fluviatilis, aquatica, maritima, calcarata und hispanica), Vertreter der Wasserfrösche (Rana), gilt in den Augen Günthers auch als Urbild einer besonderen Familie, welche sich von den verwandten durch die walzigen, nach außen wenig verbreiterten Querfortsätze des Steißbeines, die runden Augensterne und das Fehlen der Ohrdrüsen unterscheidet und daher von uns als Unterfamilie (Raninae) aufgefaßt werden mag. Seine mindestens zehn Centimeter messenden Hinterbeine abgerechnet, erreicht der Teichfrosch eine Länge von neun bis zehn Centimeter, bei besonders reichlicher Nahrung im Larven- wie im verwandelten Zustande auch wohl etwas darüber.


Teichfrosch (Rana esculenta). 5/6 natürl. Größe.
Teichfrosch (Rana esculenta). 5/6 natürl. Größe.

Auf dem ansprechend grünen Grunde der Oberseite[572] stehen schwarze Flecke und verlaufen drei gelbe Längsstreifen, einer über das Rückgrat, einer an jeder Seite des Leibes; zwei schwarze Streifen zeichnen den Kopf; die Unterseite sieht weiß oder gelblich aus. Nach der Laichzeit erscheint die Färbung am frischesten, später bald blässer, bald dunkler, mehr oder weniger ins Braune spielend; auch herrscht bald diese, bald jene Zeichnung vor, da die Längsstreifen mehr oder weniger ausgedrückt sein können, die Fleckung deutlicher hervortritt und ein und derselbe Teichfrosch je nach der Jahreszeit oder unter sonstigen ihn beeinflussenden Verhältnissen vielfach abändern kann. Die großen Augen haben lebhaft goldenen Ring und sehen klug und munter ins weite.

Nicht bloß unser Europa ist die Heimat des Teichfrosches, sondern auch Nordwestafrika und ein guter Theil Asiens, wahrscheinlich ganz Mittelasien bis nach Japan hin. In Südasien und in Mittelafrika wird er durch verwandte Arten ersetzt; nach Norden hin begrenzt der Polarkreis so ziemlich sein Verbreitungsgebiet: nur ausnahmsweise noch findet er sich jenseits desselben. Wie hoch er im Gebirge emporsteigt, vermag ich nicht anzugeben. Laut Tschudi ist er in der Schweiz innerhalb der Bergregion, also bis zu eintausenddreihundert Meter unbedingter Höhe überall zu finden; laut Gredler »räumt er nur in Hochthälern und auf bedeutenden Höhen seinen Platz dem einsameren Grasfrosch ein.« Wo er vorkommt, tritt er in ansehnlicher Menge auf, gleichsam, als ob er die Geselligkeit liebe, in Wahrheit wohl, weil er sich so außerordentlich stark vermehrt, daß derjenige Teich, an welchem sich ein Pärchen ansiedelte, bald von Nachkommenschaft wimmelt. Obwohl im ganzen sehr anspruchslos, stellt er doch gewisse Anforderungen an das Gewässer, welches ihn beherbergen soll. Er fehlt wenigen, findet sich aber in zahlreicher Menge nur in solchen, deren Ufer mit hohem Grase oder Binsicht bestanden und deren Mitte mit Wasserpflanzen, namentlich schwimmenden, bedeckt ist. Schwachsalzige Gewässer werden von ihm noch besiedelt; eigentliche Salzseen aber meidet er ebenso entschieden wie das Meer. Kleine, umbuschte Teiche, auf deren Spiegel Wasserlilien sich breiten, Graben, welche wenigstens den größten Theil des Jahres hindurch Wasser behalten, sind seine Lieblingssitze, nächst ihnen Sümpfe, Brüche und Moräste, im Süden ganz besonders auch die Reisfelder, welche monatelang unter Wasser gehalten werden müssen und wie jene Teiche beständig von ihm genehmer Beute wimmeln. An solchen Gewässern macht er sich sehr bemerklich, und nicht allein dem Auge, sondern auch dem Ohre. Als Freund der Wärme sucht er jeden Sonnenstrahl auszunützen, kommt deshalb übertages regelmäßig zur Oberfläche empor, hier, mit dem Kopfe über dem Wasser, die gewaltigen Schwimmfüße weit gespreizt, auf einer und derselben Stelle sich erhaltend oder, was ihm bequemer, auf dem breiten Blatte einer Wasserpflanze, einem treibenden Holzstücke, einem überragenden Steine oder Felsblocke am Uferrande oder auf einem ähnlichen Plätzchen sitzend und der Wärme mit Lust und Behagen sich hingebend. Ungestört verweilt er in solcher Lage halbe Tage, ohne sich zu rühren, gestört oder durch eine sich ihm bietende Beute verlockt, springt er mit einem gewaltigen, bis zwei Meter weiten Satze ins Wasser, schwimmt mit kräftigen Ruderstößen zwischen dessen Oberfläche und dem Grunde dahin, ersterenfalls in sanft geneigter Linie abwärts, und huscht endlich in den Schlamm, um hier sich zu verbergen. Hierbei kann ihm zwar, wie Bruhin beobachtete, der Unfall zustoßen, daß er mit den Vorderfüßen zwischen die ausgespreizten Schalen einer Muschel und damit in üble Lage geräth, weil das gegen jede Störung höchst empfindliche Weichthier sofort seine Schalen zusammenklappt und den widerstandslosen Schelm in beklagenswerther Weise fesselt und quält; im allgemeinen aber sichert ihn der weiche Schlamm gegen den Störenfried, welcher ihn schreckte, aufs trefflichste, indem er ihn vollständig den Blicken entzieht. Doch niemals verweilt er in der ihm gastlichen Tiefe länger, als es ihm unbedingt nöthig erscheint; denn nach kurzem Besinnen schon hebt er sich wieder, rudert langsam, schwimmt nach oben, steckt den Kopf aus dem Wasser heraus, dreht die hellen Aeuglein nach allen Seiten und versucht, die vorige Stellung wieder anzunehmen. Naht sich der Abend, oder tritt infolge eines Regens Kühlung ein, so sammelt sich die ganze Bewohnerschaft eines Teiches, am liebsten etwas vom Ufer entfernt, zwischen den Pflanzen und beginnt nun eines der [573] erwähnten Gesangsstücke aufzuführen. So treibt er es von Mitte April an bis gegen Ende Oktober, bei uns zu Lande dem Zeitpunkte, welcher ihn zwingt, in der Tiefe des Gewässers, entweder im Schlamme oder in einer Höhlung Herberge zu suchen für den Winter. Schon in Südeuropa erscheint er weit früher und verschwindet später; in Nordafrika hält er da, wo die Gewässer nicht austrocknen, keinen Winterschlaf mehr, sondern treibt es jahraus, jahrein so ziemlich in derselben Weise, nur mit dem Unterschiede, daß er während der Paarungszeit lebhafter und anhaltender schreit als sonst.

Der Teichfrosch ist ein wohlbegabtes Geschöpf, dessen Bewegungen von Kraft und Gewandtheit zeugen, dessen Betragen ein gewisses Maß von Verstand kundgibt. Wie die meisten Verwandten bewegt er sich auf dem Lande nur springend, ist aber im Stande, sehr weite Sätze auszuführen und sie mit überraschender Gewandtheit zu regeln. Im Wasser schwimmt er unter alleiniger Thätigkeit seiner Ruderfüße schnell dahin, namentlich, wenn er sich in einiger Tiefe bewegt; denn auf der Oberfläche selbst rudert er nur gemächlich weiter. Aber er ist auch fähig, durch kräftigen Ruderstoß sich aus dem Wasser heraus in eine ziemliche Höhe emporzuschleudern, sei es, um ein vorübersummendes Kerbthier zu erbeuten, sei es, um eine höher gelegene Ruhestätte zu gewinnen. Seine Sinne stehen auf der höchsten Stufe der Ausbildung, welche von Mitgliedern unserer Klasse überhaupt erreicht werden kann. Das Gesicht umfaßt, wie schon das wohlgebildete und schöne Auge vermuthen läßt, einen ziemlichen Umkreis und nimmt in der Nähe auch kleine Gegenstände sicher wahr; das Gehör bekundet sich so klar bei den abendlichen Konzerten, daß man über seine Entwickelung nicht im Zweifel bleiben kann; der Geruch ist gewiß nicht verkümmert, und nur über Gefühl und Geschmack können unsere Ansichten verschieden sein, weil sich hierüber schwer entscheiden läßt. Von seinem Verstande überzeugt man sich bald, wenn man ihn längere Zeit beobachtet. Auch er richtet sein Betragen nach den Umständen ein. Da, wo ihn niemand stört, wird er zuletzt so zudringlich, daß er einen sich nahenden Menschen bis auf Fußweite an sich herankommen läßt, bevor er mit gewaltigem Satze die Flucht ergreift; da, wo er verfolgt wird hin gegen, entflieht er schon von weitem, und selbst wenn er mitten auf einem kleineren Gewässer liegt, taucht er unter, falls der ihm wohlbekannte Feind am Ufer sich zeigt. Aeltere Frösche sind immer vorsichtiger als jüngere, werden auch, wie erfahrene Säugethiere und Vögel, zu Warnern für die jüngeren, welche wenigstens so klug sind, einzusehen, daß es für sie das beste ist, es den Weisen ihres Geschlechtes nachzuthun. Auch vor Thieren, welche ihnen gefährlich werden können, nehmen sie sich wohl in Acht; an Teichen, welche der Storch regelmäßig heimsucht, flüchten sie sich bei Ankunft des Vogels ebenso eilig wie beim Erscheinen eines Menschen. Ihre Beute erwerben sie sich nicht selten mit einer gewissen List: sie lauern wie ein Raubthier auf dieselbe, schwimmen sacht unter dem Wasser heran und fahren plötzlich zu, wissen sich auch recht wohl zu helfen, wenn es ihnen schwer wird, ein von ihnen gefangenes Thier zu bewältigen. So beobachteten Naumann und Gräfe, wie ein großer Teichfrosch, welcher ein kleines Thaufröschchen verschlingen wollte, wirkliche Ueberlegung bewies. Er hatte seinen kleinen Verwandten rücklings erfaßt, und das Sträuben desselben war so bedeutend, daß aus dem halboffenen Rachen des Räubers trotz alles Würgens immer der Kopf der Beute hervorschaute. Unser Teichfrosch sann auf Rath und fand auch solchen, indem er einige kräftige Sätze gerade gegen einen Baum ausführte, das Opfer an denselben stoßend, betäubend und gleichzeitig in den Schlund hinabschiebend. In der Gefangenschaft lernt der Teichfrosch allgemach seinen Wärter kennen und den Mehlwurmtopf würdigen, bekundet nach und nach eine gewisse Anhänglichkeit an den Gebieter, nimmt diesem vorgehaltene Nahrung weg, läßt sich ergreifen und auf der Hand umhertragen, ohne zu fliehen und gewöhnt sich endlich auch daran, anstatt lebender Beute ihm vorgeworfene Brocken eines Ersatzfutters anzunehmen. Gredler, welcher gefangene Teichfrösche mit Oblaten und Fleischkrümchen fütterte, meint, daß erst Neid die Aufmerksamkeit seiner Pfleglinge auf die Genießbarkeit bewegungsloser Bissen gelenkt habe, und belegt diese Ansicht meines Erachtens triftig durch die beachtenswerthe Beobachtung, daß von den [574] Fröschen auch Fliegen, welche oft lange Zeit über dem Wasserspiegel sich umhertrieben, erst dann weggeschnappt wurden, wenn ein anderes Thier zuvorzukommen drohte. Heftige Verfolgung und Bisse, welche dem Mitbewerber zu theil wurden, manchmal noch ehe er seine Beute erhascht hatte, gaben dieselbe Leidenschaft ebenso unzweideutig kund. Daß den Teichfrosch neben Regsamkeit und Munterkeit, neben Vorwitz, Schreckhaftigkeit und Gefräßigkeit, kein Zug seines Wesens so ausgeprägt kennzeichnet als Neid, »dieser Zögling der Geselli gung«, steht nach Gredlers Beobachtungen unzweifelhaft fest.

Im Verhältnisse zu seiner Größe darf unser Frosch ein tüchtiges Raubthier genannt werden. Er genießt nur selbsterworbene Beute und bloß lebende Thiere; was sich vor ihm nicht bewegt, reizt ihn nicht zum Sprunge. Wie geistig tiefstehende Geschöpfe insgemein, erkennt er ein lebendes Wesen erst an dessen Bewegung. Während er vor einem heranschreitenden Menschen schreckhaft flüchtet, achtet er des ruhig sitzenden Anglers nicht früher, als bis dieser die Fangruthe schnellt. Dies ist nicht Unachtsamkeit, sondern Schwäche des Erkennungsvermögens, wie wir sie in nicht geringerem Grade auch bei weit höher stehenden Thieren zuweilen wahrnehmen können. Von seinem Ruhesitze aus achtet er auf alles, was um ihn her vorgeht, als ob er auf der Lauer liege, springt, wenn sich ihm eine Beute naht, auf dieselbe los, schlägt die Zunge vor, falls jene klein, oder packt sie mit beiden Kiefern, falls sie größer, und schluckt sie hinab. Für gewöhnlich bilden Kerbthiere, nach Gredlers Beobachtungen auch stechende Immenarten, beispielsweise Wespen, außerdem Spinnen und Schnecken seine Hauptnahrung, und gerade deshalb erwirbt er sich große Verdienste; er schadet jedoch auch wieder, da seine Gefräßigkeit ihn zu Eingriffen in unsere Rechte verleitet, welche wir ihm nicht verzeihen können. Rösel, ein Naturforscher, welcher die Frösche sehr sorgfältig beobachtete, versichert, daß alte Teichfrösche junge Mäuse, junge Sperlinge verschlingen, sich sogar der Entenküchlein auf dem Wasser zu bemächtigen versuchen, obgleich sie kaum oder nicht im Stande sind, dieselben hinabzuwürgen, sie vielmehr nur ertränken können. Gegen jüngere seiner Art oder Verwandte beweist er wenig Rücksicht; was vor ihm zappelt, verzehrt und bewältigt werden kann, ist ihm willkommen, wie groß der überhaupt verschlingbare Bissen auch sein möge. In Brutteichen kann er durch seine Räubereien schädlich werden, weil er jungen Fischen ebenso eifrig nachstellt als Kerbthieren, Fröschen und Molchen. An einem gefangenen Teichfrosche beobachtete Gredler, daß er »mit Lust auch nach letzteren schnappte, zu einer Zeit, als es noch Fliegen gab und der Pflanzenfresser kaum Hunger litt«. Derartige Näschereien dürften als ausnahmsweise vorkommende Abweichungen von der Regel anzusehen sein; doch sind auch in dieser Beziehung die Beobachtungen noch keineswegs als abgeschlossen zu erachten.

Erst wenn wirklich der Frühling eingetreten, also viel später als Laub- und Thaufrosch, beginnt der Teichfrosch sein Fortpflanzungsgeschäft, selten vor Ende Mai, gewöhnlich erst im Juni. Sein Paarungstrieb ist wie bei den meisten Gliedern seiner Verwandtschaft so heftig, daß er in Ermangelung eines Weibchens der eigenen Art auch fremde Lurche und selbst Fische, überhaupt lebende Wesen, auf das innigste umarmt. Ein Teichfrosch, welchen Gredler pflegte, zeigte sich schon im Februar paarungslustig und unterhielt »die unzweideutigsten Beziehungen« mit einer Wechselkröte wie mit einem Laubfrosche; andere wurden bei ähnlichen Verirrungen beobachtet. Die Begattung geschieht wie bei anderen Fröschen auch, währt aber länger; spät stattfindendes Eierlegen soll das Weibchen zuweilen so entkräften, daß es dabei verendet. Das Männchen umarmt es brünstig und drückt durch die Kraft seiner Arme und die Last seines Körpers die Eier geradezu heraus. Letztere sehen hellgelb, auf einer Seite aber dunkelgelb aus, umhüllen sich beim Durchgange im Eileiter mit einem gallertartigen Stoffe, fallen nach dem Legen zu Boden und bleiben hier liegen. An Größe stehen sie denen der Thaufrösche, ja sogar denen der Laubfrösche etwas nach; dafür sind sie um so zahlreicher, und wenn die Witterung während der Regenzeit günstig ist, entwickeln sich aus ihnen so viele Larven und bezüglich Frösche, daß ein Aussterben der Art nicht [575] zu befürchten steht. Schon am vierten Tage bewegt sich der Keimling, am Ende des fünften oder sechsten platzt das Eilein, und man sieht nun die millimeterlange Kaulquappe zitternd sich bewegen, bald darauf auch schwimmen. Unter dem Vergrößerungsglase gewahrt man Augen und Mund schon deutlich, an jeder Seite des Kopfes faltige Anhänge oder Röhrchen, aus denen die Kiemen sich bilden. Von nun an schreitet das Wachsthum der Larve sehr rasch vor. Der Kopf wird dicker, der Körper rundlicher, der Schwanz länger, die Haut durchsichtig; am dreizehnten oder vierzehnten Tage hat die Lunge bereits sich gebildet; die Kiemen schrumpfen ein und man bemerkt an ihrer Stelle ein Kiemenloch. Nach Ablauf eines Monats verlangsamt sich der Fortgang der Entwickelung. Wenn die Larve eine Länge von sechs bis sieben Centimeter erreicht hat, sind die vier Beine vollkommen ausgebildet, der Schwanz ist aber immer noch länger als der Leib, seitlich zusammengedrückt und sehr hoch; von nun an schrumpft dieser langsam ein und schwindet endlich gänzlich, ohne daß man eine ersichtliche Zunahme des Leibes bemerkt: es sieht im Gegentheile aus, als ob der verwandelte Frosch kleiner sei als die frühere Larve. Erst nach etwa vier Monaten ist die Verwandlung vollendet; im fünften Jahre des Lebens hat der Frosch eine gewöhnliche Größe erreicht, wächst aber noch stetig fort und nimmt möglicherweise bis zu Ende seines Lebens noch etwas an Umfang zu.

Die vorstehend erwähnten Geschlechtsverirrungen des Wasserfrosches können unserer Teichfischerei unter Umständen erheblichere Nachtheile zufügen, als Raublust und Gefräßigkeit des Lurches es jemals vermöchten. Es liegen nicht zu bezweifelnde Erfahrungen vor, daß Frösche in Karpfenteichen sehr bedeutenden Schaden verursachen können. Rittergutsbesitzer Nordmann, welcher eine bedeutende Teichfischerei in der Nähe Altenburgs bewirtschaftet, erfuhr dies, wie Schlegel mittheilt, in den beiden Frühjahren 1853 und 1854, als infolge anhaltend schlechter Witterung erst gegen Ende April und Anfang Mai es möglich wurde, die Winterhaltungen zu fischen. In dem betreffenden Teiche wurden ungefähr zweihundert Schock halbpfündiger Karpfen überwintert. Einige Tage vor der Fischerei erzählte ein Bauer dem Besitzer, er habe auf einem kleinen Teiche einen großen Karpfen schwimmen sehen, welcher einen ihm auf dem Rücken sitzenden Frosch trotz aller Anstrengungen nicht habe los werden können. Nordmanns Zweifel an der Wahrheit dieser Erzählungen wurden zu seinem nicht geringen Erstaunen während der Fischerei vollständig widerlegt. Denn bei dieser Gelegenheit sah man, daß fast auf jedem Karpfen ein Frosch, auch deren zwei, saßen, welche sich mit ihren Vorderfüßen gewöhnlich in den Augen, häufig aber ebenso in den Kiemen festgeklammert hatten, während sie unter widerwärtigen Bewegungen mit den Hinterbeinen die Schuppen von den Rücken der Fische lösten. Einzelne saßen auch verkehrt auf den Fischen und hatten sich mit den Zehen an dem Kopfe angeklammert. Alle hielten sich so fest, daß sie mit einer Hand kaum loszureißen waren. Der größte Theil des schönen Karpfensatzes war mehr oder weniger beschunden und dadurch so unscheinbar geworden, daß er sich nur zu geringem Preise verkaufen ließ. Gegen funfzehn Schock Fische, denen die Frösche die Augen ausgekratzt, die Kiemen beschädigt oder eine Menge Schuppen abgerissen oder losgetreten hatten, konnten als Satz nicht verwendet werden, da man fürchten mußte, daß sie sterben oder doch wenigstens kränkeln und nicht wachsen würden. Im zweiten Frühlinge war es nicht so schlimm wie im ersten, der Schaden aber doch immer noch empfindlich genug. Daß derartige Beobachtungen selten angestellt werden, erklärt sich einfach durch den späten Eintritt der Paarungszeit der Frösche, welche stattfindet, wenn die stark bevölkerten Satzteiche bereits gefischt und die Satzfische in andere Teiche übergeführt wurden. Auch in ihnen werden sie wohl von den liebestollen Fröschen manches zu leiden haben; ihre Unthaten fallen hier jedoch nicht so in die Augen als in kleineren Teichen.

Wenige Teichfrösche sterben eines sogenannten natürlichen Todes; die Mehrzahl verendet unter den Zähnen, im Schnabel oder in der Klaue eines Raubthieres. Ihre Zählebigkeit ist außerordentlich. Auch sie können in Eisklumpen eingefrieren und mit dem aufthauenden Eise wieder ins Leben zurückgerufen werden; auch sie sind befähigt, großer Dürre längere Zeit zu trotzen – ein [576] Fall, welcher übrigens nur im Süden stattfindet, da sie im Norden unter solchen Umständen einem anderen Gewässer zuhüpfen. Selbst schwere Verwundungen heilen bei ihnen bald wieder; Verstümmelungen der fürchterlichsten Art bringen ihnen erst nach Stunden den Tod. Spallanzani schnitt einem sich begattenden Frosche den Kopf ab; demungeachtet zog derselbe seine Vorderfüße nicht vom Weibchen ab, und erst sieben Stunden später, nachdem das Weibchen aufgehört hatte, Eier zu legen, trennte sich von demselben der Rumpf, dessen Bewegungen noch immer vier Stunden fortdauerten. Dagegen haben unsere Teichfrösche an Raubthieren aller Art unablässige Feinde. Fischotter, Iltis und Wasserratte bemächtigen sich ihrer; Schreiadler, Schlangenadler und Bussarde, Raben und Verwandte, Störche und Reiher überfallen sie; Forellen, Hechte und andere Raubfische würgen sie hinab, sonstiger Feinde nicht zu gedenken. Bei uns zu Lande begnügt sich der Mensch, ihrer übergroßen Vermehrung dadurch zu steuern, daß er die Laichklumpen aus dem Wasser zieht und auf trockenem Lande verkümmern läßt; schon in Süddeutschland und im übrigen südlichen Europa stellt man ihnen eifrig nach, weil Froschschenkel mit Recht als angenehmes, nahrhaftes und gesundes Gericht gelten, keineswegs aber das sind, was der alte Geßner behauptet: »ein häßliches, ungesundes Essen, welches den Leib derer, so sie brauchend, bleifarb macht«. Zwar hegt man auch im Süden, beispielsweise in Ligurien, Abscheu gegen solche Nahrung, verspeist sie aber in anderen Gegenden, so in Piemont, um so lieber. Wie hoch man sie in Frankreich zu schätzen weiß, geht am besten daraus hervor, daß das Zeitwort »grenouiller« keineswegs bloß »kneipen« oder »saufen«, sondern auch Frösche fangen und zwar für die Küche fangen bedeutet. Namentlich im Herbste, wenn die Thiere am fettesten, werden viele von ihnen, und zwar in sehr verschiedener Weise, mit Gerten oder Peitschen, Angeln, Bogen und Netzen erbeutet. Mit der Angel kann man sie sehr leicht fangen, da man ihnen als Köder nur ein rothes Läppchen vorzuwerfen und dieses zu bewegen braucht; sie mit dem durch eine dünne Schnur an dem Bogen befestigten Pfeil zu erlegen, erfordert schon größere Uebung, und die Netzfischerei ist bloß im Anfange ergiebig, weil sie Nachstellungen bald merken und dann im Schlamme sich verkriechen. In Deutschland pflegt man bloß die Hinterschenkel zu genießen; in Italien dagegen verspeist man den ganzen Frosch, nachdem man ihn vorher ausgeweidet hat.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Siebenter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Erster Band: Kriechthiere und Lurche. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 571-577.
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