Erste Familie: Molche (Salamandrida)

[612] In der Neuzeit hat man die Ordnung der Schwanzlurche nicht allein in vier Familien, sondern auch in zwei Unterordnungen zerfällt; es scheint jedoch der Thatsächlichkeit besser zu entsprechen, wenn man von dieser Theilung absieht und nur zwei Familien, Molche und Fischmolche, annimmt. Will man weiter gehen, so genügt es, diese Familien wiederum in je zwei Unterfamilien einzutheilen.

Die Molche (Salamandrida), zu denen bei weitem die meisten, wenn auch nicht die eigenthümlichsten Schwanzlurche gehören, kennzeichnen sich durch eidechsenartigen, meist schlanken, seltener plumpen und gedrungenen Bau, großen, breiten, mehr oder weniger flachgedrückten, an der kurzen Schnauze stumpf zugerundeten Kopf, verhältnismäßig große, stark vorstehende, stets mit deutlich ausgebildeten, klappenförmigen Lidern gedeckte Augen, kleine, an der Spitze der Schnauze mündende Nasenlöcher, äußerlich niemals sichtbare Ohren, einen mehr oder weniger deutlich eingeschnürten, von der Kehle gewöhnlich durch eine stark ausgebildete Hautfalte abgegrenzten Hals, schlanken, spindel- oder walzenförmigen Rumpf, vier verhältnismäßig schwach entwickelte Beine, deren Füße vorn stets vier, hinten dagegen meist fünf und nur ausnahmsweise vier, bald lange, bald kurze, gewöhnlich freie, seltener durch Schwimmhäute verbundene, krallenlose Zehen haben, und endlich einen stets kräftig ausgebildeten, den Rumpf gewöhnlich an Länge übertreffenden, am Ende abgerundeten oder lanzettförmig zugespitzten, stärker oder schwächer seitlich zusammengedrückten, selten drehrunden Schwanz. Die feuchte Haut ist mit einer Menge von Drüsen und Warzen besetzt und daher meist weich und uneben; doch gibt es auch viele Arten, bei denen sie dem unbewaffneten Auge vollkommen glatt erscheint. An den Seiten des Hinterkopfes finden sich zuweilen größere Drüsenanhäufungen, welche den sogenannten Ohrdrüsen der Kröten ähneln und ebenso bezeichnet werden. Beide Kinnladen sind bezahnt; außerdem finden sich kleine Zähne am Hinterrande des Gaumenbeines in verschiedener Anordnung, indem sie entweder am Innenrande zweier langen, nach hinten zu auseinanderschweifenden Fortsetzungen des Knochens sitzen, also sich der Länge nach richten oder aber einfach den schräge oder glatt abgestutzten Hinterrand des Gaumenbeines einnehmen und alsdann schräge oder der Quere nach gerichtete Reihen bilden. Die Zunge hat rundliche oder eiförmige Gestalt, ist bei einem Theile der Arten mit ihrer ganzen Unterseite oder mit einem schmäleren oder breiteren Mittelstreifen an den Boden der Mundhöhle festgewachsen und daher nur an den Rändern mehr oder weniger frei, ruht dagegen bei anderen Arten in der Mitte auf einem Stiele, ähnelt also einem Pilze, und ist entweder rundum frei oder mit ihrem hinteren Zipfel an den Kinnwinkeln befestigt.

Strauch, dem ich bei Aufstellung der Familienmerkmale gefolgt bin, schlägt nun vor, die Molche in zwei Unterfamilien einzutheilen und vereinigt in der ersten die Längenzähnler (Mecodonta), welche sich dadurch kennzeichnen, daß die Gaumenzähne am Innenrande zweier rückwärts gerichteten und auseinandergehenden Fortsätze des Gaumenbeines stehen und demzufolge zwei nach hinten zu mehr oder weniger stark auseinander schweifende Längsreihen darstellen.

[612] »Der Salamander, ein Thier von Eidechsengestalt und sternartig gezeichnet, läßt sich nur bei starkem Regen sehen und kommt bei trockenem Wetter nie zum Vorscheine. Er ist so kalt, daß er wie Eis durch bloße Berührung Feuer auslöscht. Der Schleim, welcher ihm wie Milch aus dem Maule läuft, frißt die Haare am ganzen menschlichen Körper weg; die befeuchtete Stelle verliert die Farbe und wird zum Male. Unter allen giftigen Thieren sind die Salamander die boshaftesten. Andere verletzen nur einzelne Menschen und tödten nicht mehrere zugleich – ganz abgesehen davon, daß die Giftthiere, welche einen Menschen verwundet haben, umkommen und von der Erde nicht wieder aufgenommen werden – der Salamander hingegen kann ganze Völker vernichten, falls diese sich nicht vorsehen. Wenn er auf einen Baum kriecht, vergiftet er alle Früchte, und wer davon genießt, stirbt vor Frost; ja, wenn von einem Holze, welches er nur mit dem Fuße berührt hat, Brod gebacken wird, so ist auch dieses vergiftet, und fällt er in einen Brunnen, das Wasser nicht minder. Doch wird dieses so giftige Geschöpf von einigen anderen Thieren gefressen, so z.B. von den Schweinen, und es ist wahrscheinlich, daß sein Gift vorzüglich durch solche Thiere gedämpft wird, denen er zur Nahrung dient. Wäre begründet, was die Magier vorgeben, daß sie gewisse Theile des Salamanders als Mittel wider Feuersbrünste vorschlagen, weil es das einzige Thier ist, welches das Feuer auslöscht, so würde Rom längst einen solchen Versuch gemacht haben. Sextius sagt, daß der Genuß eines Salamanders, welchem man die Eingeweide ausnimmt, Fuß und Kopf abschneidet und in Honig aufbewahrt, erregend wirkt, leugnet aber, daß er das Feuer lösche.«

So spricht sich Plinius aus, und von seiner Zeit an bis zu unseren Tagen hat es der Gläubigen an der Wahrheit dieser Mittheilungen viele, der Ungläubigen nur wenige gegeben. Der Salamander war und ist noch jetzt verschrieen als entsetzliches, fürchterliches Thier. Nach den römischen Gesetzen wurde derjenige, welcher einem anderen irgend einen Theil des Salamanders eingab, als ein Giftmischer erklärt und des Todes schuldig befunden. Und noch zu Ende des vorigen Jahrhunderts versuchte eine Frau ihren Gatten vermittels eines Salamanders, dessen Fleisch sie der Speise beigemengt hatte, zu vergiften, zum Glücke des Mannes, welcher nach genossener Speise keine andere Wirkung als die der Sättigung verspürte. Franz I. wählte einen Salamander in Flammen mit der Unterschrift: »Nutrio et extinguo« zu seinem Wahlspruche. Die Goldmacher verbrannten das beklagenswerthe Geschöpf unter lächerlichen Gebräuchlichkeiten und meinten, das von ihnen begehrte Metall dadurch erhalten zu können, daß sie das arme Thier auf ein Schmelzfeuer setzten und nach geraumer Zeit Quecksilber auf den verkohlenden Giftwurm träufeln ließen, sahen aber diese Vornahme als äußerst gefährlich an. Ebenso wurde das Thier bei Feuersbrünsten zum Märtyrer des Wahnes: man warf es in die Flamme, vermeinend, dadurch dem Unheile zu begegnen. Wer sich erfrechte, derartigen Unsinn zu bestreiten, wurde in der allen schwachgeistigen Menschen eigenen Weise bedeutet, d.h. mit Grobheiten und Roheiten überhäuft. »Wer solche Dinge für Fabeln und Lügen hält«, sagt ein Dr. Scheffers, erbost über das verständige Urtheil anderer Leute, »beweist sein mittelmäßiges, dummes und dünnes Gehirn und gibt zu erkennen, daß er nicht weit in der Welt umhergekommen und mit gelehrten und gereisten Personen niemals Umgang gepflogen hat.« Der Wunderglaube erklärt die Fabelei über den Salamander: wer den einen Unsinn für möglich hält, ist auch des anderen fähig; wer an übernatürliche Kräfte glaubt, fragt nie nach dem, was Beobachtung und gesunder Menschenverstand ihn lehren. Ueber den Salamander nun und sein Wesen, seine Giftigkeit und seine Lebensweise wird das nachstehende Auskunft geben.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Siebenter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Erster Band: Kriechthiere und Lurche. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 612-613.
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