Zweite Familie: Fischmolche (Ichthyoidea)

[640] »Wir haben, nebst dem ohnfehlbaren Zeugnuß des Göttlichen Wortes, so viel andere Zeugen jener allgemeinen und erschröcklichen Wasser-Flut; als viel Länder, Stätte, Dörffer, Berge, Thäler, Stein-Brüchen, Leim-Gruben sind. Pflantzen, Fische, vierfüssige Thiere, Unziefer, Muschelen, Schnecken, ohne Zahl; von Menschen aber, so damahls zu Grund gegangen, hat man biß dahin sehr wenig Ueberbleibselen gefunden. Sie schwummen tod auf der obern Wasser-Fläche, und verfaulten und läßt sich von denen hin und wider befindlichen Gebeinen nicht allezeit schliessen, das sie von Menschen seyen. Dieses Bildnuß, welches in sauberem Holtz-Schnitt der gelehrten und curiosen Welt zum Nachdenken vorliegt, ist eines von sichersten, ja ohnfehlbaren Ueberbleibselen der Sünd-Flut; da finden sich nicht einige Lineament, auß welchen die reiche und fruchtbare Einbildung etwas, so dem Menschen gleichet, formieren kann, sondern eine gründliche Uebereinkunfft mit denen Teilen eines Menschlichen Bein-Gerüsts, ein vollkommenes Eben-Maß, ja selbs die in Stein (der auß den Oningischen Stein-Bruch) eingesenkte Bein; selbs auch weichere Teil sind in Natura übrig, und von übrigen Stein leicht zu unterscheiden. Dieser Mensch, dessen Grabmahl alle andere Römische und Griechische, auch Egyptische, oder andere Orientalische Monument an Alter und Gewüßheit übertrifft, präsentiert sich von vornen«.

Diese Worte erläutern eine Abbildung, welche Johann Jakob Scheuchzer, Doktor der Medicin und vieler gelehrten Gesellschaften Mitglied, einer im Jahre 1726 erschienenen Abhandlung, betitelt: »Homo diluvii testis« beizugeben für nöthig erachtete, damit jedermann augenscheinlich von der Wahrheit seiner Worte überzeugt werde. Nach einer anderen Stelle habe ich leider vergeblich gesucht; sie beginnt mit den Worten:


»Betrübtes Beingerüst von einem alter Sünder,

Erweiche Herz und Sinn der neuen Bosheitskinder«,


und mag gewiß noch recht viel schönes und erbauliches enthalten, wenn sie auch leider ihren Zweck, Herz und Sinn der neuen Bosheitskinder zu erweichen, gänzlich verfehlt hat. Denn der »Homo diluvii testis« hat nur kurze Zeit die »gelehrte und curiose Welt« zum Nachdenken veranlaßt, weil das neue Bosheitskind Cuvier ihn seiner Menschlichkeit gänzlich entkleidete und das »betrübte Beingerüst des alten Sünders« als – die versteinerten Knochen eines Molches bestimmte. Gedachter Molch, von den Vorweltskundigen Andrias Scheuchzeri genannt, mag die Reihe der Fischmolche (Ichthyoidea), denen er angehört hat, eröffnen.

Gedachte Thiere, welche die zweite Familie der Ordnung bilden, unterscheiden sich so erheblich, daß viele Forscher sie in mehrere Familien trennen und auch wir zwei Unterfamilien annehmen müssen. Auffallend ist namentlich die Schwäche der Gliedmaßen im Verhältnisse zur Länge des Leibes, das Auseinanderstehen der Vorder- und Hinterglieder welche zwar wohlentwickelt, aber kaum noch zum Gehen tauglich sind und thatsächlich auch nur in sehr beschränktem Grade hierzu benutzt werden. Nicht minder unvollkommen erweisen sich die Sinneswerkzeuge. Die Augen fehlen entweder gänzlich oder sind unverhältnismäßig klein und besitzen entweder keine Spur von Augenlidern, oder diese werden nur durch eine äußerst kurze, sie vertretende Hautfalte angedeutet. Die Nasenhöhle wird hinten durch Knochen begrenzt; das Ohr liegt sehr verborgen und ist immer höchst unvollkommen, da das Fenster des Labyrinth mit einem Deckelchen geschlossen wird; die Zunge hängt nur an ihrer Spitze nicht mit dem Kiefer zusammen. Die Gaumenzähne bilden, laut Strauch, [640] entweder einen schmalen, bogenförmigen Streifen und sitzen am Vorderrande der meist durch Naht verbundenen Gaumenbeine, oder aber sie sind in bürstenförmige Haufen angeordnet und bedecken die ganze Oberfläche besonderer knöchernen Gaumenplatten. Am hinteren Ende des Zungenbeinkörpers befinden sich zwei bis vier ganz oder auch nur theilweise verknöcherte Kiemenbogen, außerdem bei den meisten Arten an den Seiten des Halses Kiemenspalten oder auch Kiemenbüschel.

Alle dieser Familie angehörigen Schwanzlurche, deren wichtigste ich eingehender zu schildern versuchen werde, leben ausschließlich im Wasser und athmen meist durch Lungen und Kiemen zugleich.

Die Mitglieder der ersten Unterfamilie (Cryptobranchiata), welche wir Fischlinge nennen wollen, kennzeichnen sich durch das Vorhandensein der Unterkieferbeine und den Mangel der Kiemenbüschel, an deren Stelle sich ein Kiemenloch befindet, welches bei einzelnen Arten zeitlebens offen zu bleiben scheint, bei anderen dagegen im höheren Alter sich schließt.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Siebenter Band, Dritte Abtheilung: Kriechthiere, Lurche und Fische, Erster Band: Kriechthiere und Lurche. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1883., S. 640-641.
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