Venusgürtel (Cestum veneris)

[453] Zu den während der Herbst- und Wintermonate im Mittelmeere häufig vorkommenden Formen gehört der Venusgürtel (Cestum veneris). Ihr Körper verlängert sich nach zwei [453] Seiten bandartig und das ganze gürtelförmige, durchsichtige und im Sonnenscheine in prächtiger Farbenbrechung erglänzende Gebilde ist eine wahre Augenweide. Die Ränder des Bandes sind mit Wimpern gesäumt, welche denen der Wimperkämme des eigentlichen Körpers entsprechen. An sich schon von eleganter Gestalt, gewinnt das Thier noch sehr durch seine lebhaften zierlichen Bewegungen, indem es seine Bänder in allen möglichen geschwungenen Linien zeigt. Unsanft berührt, pflegt es sich, von einem Bandende angefangen, spiralig einzurollen. Ungestört hat es die Fortsätze bald entfaltet, bald mehr oder weniger eingerollt, bald den einen zusammengewunden, den anderen ausgestreckt. Es vermag, gleich den anderen Rippenquallen, durch das bloße Spiel der Wimpern sich in der Schwebe zu halten, kann aber auch schlängelnd den Ort wechseln.


Venusgürtel (Cestum veneris). Halbe Größe.
Venusgürtel (Cestum veneris). Halbe Größe.

Im Aquarium sah ich den Venusgürtel, wie überhaupt alle Quallen, nie länger als einige Tage ausdauern. Ganz besonders die Rippenquallen verletzen sich in den ersten Stunden der Gefangenschaft, indem sie sich die Wimperkämme abstoßen. Sie bleiben dann noch zwei bis drei Tage lebendig, aber in trauriger Verfassung. Selbst wenn man sie in den großen Behältern durch eigene Glaskasten gegen die Unbilden von Seiten der Mitgefangenen und der nothwendigen Wasserströmungen schützt, wird ihr Untergang nur wenig aufgehalten. Ihr Element ist eben das offene Wasser. Uebrigens scheint ihr Absterben in den Aquarien auch noch durch den Mangel an Nahrung beschleunigt zu werden. Denn trotz des ätherischen Aussehens sind sie gefräßige Räuber.

Man trifft die Rippenquallen das ganze Jahr hindurch, sie ziehen sich jedoch sowohl bei aufgeregter See als bei großer Hitze von der Küste und der Wasseroberfläche zurück. Ihre mikroskopischen Jugendformen fängt man mit vielen anderen Thierchen mit einem feinen Netze. Um die Entwickelung der Eier, welche von einigen vorzugsweise im Winter, von anderen Arten zu allen Jahreszeiten gelegt werden, zu verfolgen, fand Kowalewsky es zweckmäßiger, einzelne Thiere einen bis zwei Tage in einem geräumigen Gefäße in reinem Wasser zu halten, während welcher Zeit in der Regel das Eierlegen erfolgte.

[454] Ihre Stellung und Bedeutung im Haushalte der Natur ist eine untergeordnete. Selbst von kleinen Krustern lebend, werden sie Schirmquallen und Seeanemonen zur Beute und erfreuen des Menschen Auge im Leben und nach dem Tode durch ihr Aufleuchten.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Zweiter Band: Die Niederen Thiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1887., S. 453-455.
Lizenz:
Kategorien: