2. Sippe: Palythoa

[483] Nun ist aber in der Natur nichts ohne Uebergang, und so gibt es auch stockbildende Actinien, die der Systematiker aber nicht mehr Actinien nennt, sondern unter dem Familiennamen der Zoantharien (Zoantharia) zusammenfaßt. Ihre Zahl ist nicht bedeutend, doch hält es nicht schwer, sie auch an unseren Küsten zu finden. Man unterscheidet die Gattung Zoanthus, bei welcher die Individuen einzeln durch einen sich verästelnden, kriechenden Wurzelstock mit einander verbunden sind, von Palythoa, wo gewöhnlich der vereinigende Stock eine wurzelmäßige Kruste bildet, und die Polypen in kleineren oder größeren unregelmäßigen Haufen beisammen sitzen. Beide Gattungen haben noch die gemeinschaftliche Eigenthümlichkeit, daß sie fremde feste Körper des verschiedenartigsten Ursprunges, Sand, Schwammnadeln, Bruchstücke von Muscheln und Korallen, in großer Menge in ihre Leibeswandungen aufnehmen.


Palythoa fatua, auf Hyalonema angesiedelt. 1/3 natürl. Größe.
Palythoa fatua, auf Hyalonema angesiedelt. 1/3 natürl. Größe.

Diese erlangen dadurch eine solche Festigkeit, daß beim Eintrocknen die Form des Polypen vollständig erhalten bleibt. Die Thatsache ist, bei näherer Erwägung, eine erstaunliche, da das ganze Leben dieser Thiere aus einer ununterbrochenen Kette von Verwundungen und bleibenden Beschädigungen des Körpers besteht. Ich kenne in der ganzen übrigen Thierwelt kein annähernd ähnliches Beispiel. Nur einzelne Schwammarten lassen sich entfernt damit vergleichen; doch ist man gewohnt, die Empfindlichkeit der Schwämme für sehr gering anzuschlagen, wogegen die Zoantharien die so empfindlichen Actinien zu nächsten Verwandten haben. Man muß jedoch beachten, daß nur das Hinterende von diesen Verwundungen betroffen wird, der Theil, der dem sich einstülpenden Vorderende als Kapsel dient und also gerade[483] durch die Aufnahme der fremden Körper zu dieser Rolle besonders geeignet wird. So unansehnlich die in Spiritus aufbewahrten Palythoen erscheinen, ebenso schön und lieblich sehen die lebendigen und vollkommen entfalteten Thiere in ihrer schwefelgelben Farbe aus.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Zweiter Band: Die Niederen Thiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1887., S. 483-484.
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