Erste Unterklasse: Die Borstenwürmer[68] (Chaetopoda)

Wie eben gesagt, sind die Borstenwürmer gekennzeichnet durch seitliche Bündel oder Kämme von Borsten, in denen uns das Mikroskop eine Reihe der zierlichsten Bildungen offenbart. Haken, Spieße, Sägen, Pfeile, Messer, Kämme, glatte und geriefte Ruder und andere stechende und [68] schneidende Instrumente sind in diesen Miniatur-Borsten zu finden.


Borstengruppe. 80 bis 100mal vergrößert.
Borstengruppe. 80 bis 100mal vergrößert.

Die einfacheren Formen, welche den Namen von Haken und Borsten schlechtweg verdienen, werden von den bescheideneren, regenwurmartigen Thieren getragen; die feineren, mit besonderen Spitzen, Zähnen, Zähnchen, Klingen und Schneiden versehenen Borstengestalten sind ein Schmuck der meisten Meeresbewohner der Abtheilung. Nur einzelne der räuberisch lebenden Seeringelwürmer dürften in der Art von ihren Borsten Gebrauch machen, daß sie gelegentlich ihre Beute schlangenartig umstricken und mit den Borsten verwunden; durch die Stellung der Borsten in Bündeln und breiten Kämmen wird es vielmehr offenbar, daß sie wesentlich Bewegungswerkzeuge sind.

Eine Reihe von Familien sind als freilebende Rückenkiemer zu bezeichnen, lauter Seebewohner, deren Kiemen, wenn sie überhaupt vorhanden, an den Fußstummeln des Rückens angebracht sind, und deren Ringe sehr häufig geringelte Fühlfäden tragen. Ihrer meist freien, umschweifenden Lebensweise entsprechend trägt der Kopflappen, das heißt das den Mund überragende und im allgemeinen einem Segment entsprechende Vorderende Augen und Tastwerkzeuge, und sie packen, soweit sie nicht Pflanzenfresser sind, ihren Raub mit scharfen, hakenförmigen Kiefern und Zähnen, welche bei Ausstülpung des Rüssels zu Tage treten. Die meisten der freilebenden Rückenkiemer glänzen in metallischen Farben; ihre Haut schillert wie ein Atlaskleid, und die Borsten werfen wechselndes, farbiges Licht zurück.


Borstenhöcker von Heteronereis Oerstedii. Natürliche Größe auf Seite 71.
Borstenhöcker von Heteronereis Oerstedii. Natürliche Größe auf Seite 71.

In welcher Weise sich die seitlichen und Rückenhänge der Segmente entfalten, wollen wir an der beigegebenen Abbildung des Seitentheiles eines Segments von Heteronereis Oerstedii erläutern, welche wir, gleich den folgenden, einem französischen Meisterwerke von Quatrefages entlehnen. A ist der obere, [69] B der untere Ast des Fußstummels; a ein oberer Fühlfaden, f ein unterer, dessen Fuß von einer blattartigen Schuppe (k) umgeben ist. Dergleichen Fühlfäden können an allen Ringen vorkommen; b und c sind die Kiemenblättchen des oberen Astes, und durch das untere scheint der borstentragende Höcker (d) durch; e und i sind Nadelborsten. Das Kiemenblatt des unteren Astes ist g, und h ein zweiter borstentragender Höcker. Auf der Variation dieses Themas der Aeste, Fühlfäden, Kiemen und Nadeln beruht größtentheils die Mannigfaltigkeit der Gattungen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Zweiter Band: Die Niederen Thiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1887., S. 68-70.
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