1. Sippe: Serpula

[80] In der großen Familie der Serpulaceen (Serpulacea) sind die Kiemen vollständig an das vordere Ende gerückt, und das durch die Flimmerhärchen derselben in Strömung versetzte Wasser bringt der unmittelbar darunter gelegenen Mundöffnung die Nahrung zu.


Amphicora sabella. 30mal vergrößert.
Amphicora sabella. 30mal vergrößert.

Der bei anderen getrennte Kopflappen ist hier mit dem durch die Mundöffnung ausgezeichneten ersten Segment verschmolzen, und der so gebildete Kopf ist durch eine Art von breiter Krause vom übrigen Körper abgesetzt. Merkwürdig ist der sogenannte Borstenwechsel, indem auf der vorderen Körperhälfte am Rücken Haarborsten, am Bauche Hakenborsten, auf der hinteren dagegen die Haarborsten am Bauche stehen. In der großen Gattung Serpula sehen wir einen oder auch zwei der Kiemenfäden in einen, von einem Faden getragenen keulenförmigen Deckel umgewandelt, der beim Zurückschlüpfen in die Röhre immer zuletzt zum Verschlusse eingezogen wird. Das mikroskopische Detail dieser Deckel ist sehr wichtig für die Artunterscheidung und an sich hübsch anzusehen, da Zähnchen, kronenartige Aufsätze, bewegliche Stacheln und dergleichen organisches Schnitzwerk sie bei der einen Art so, bei der anderen so, zierlich kennzeichnen. Ein anderes Feld der Mannigfaltigkeit derselben Gattung ist in der Bildung der kalkigen Röhre gegeben. Alle Arten beginnen mit einem freien Leben in einer, einer Verwandlung unterliegenden Gestalt. Noch lange bevor diese Verwandlung vollendet, schwitzt das junge Thier eine Kalkröhre aus, welche anfänglich cylindrisch und an beiden Enden offen ist. In dem Maße, als das Thier wächst, verlängert und erweitert es sein Gehäuse. Dasselbe liegt anfänglich der ganzen Länge nach auf der Unterlage auf, plattet sich auf der unteren Seite ab und erhält auf der freien Oberfläche Streifen, Falten und Kanten und bei einigen Arten Zähne und Einkerbungen an der Kopföffnung. Bei manchen Arten erhebt sich der später wachsende Theil spiralig frei über der Unterlage. Bei der Absonderung und Formirung der Röhre ist vorzugsweise der Grundtheil der Kiemen und der Kopfkragen betheiligt, welche dabei eine ähnliche Rolle spielen, wie der sogenannte Mantel der Weichthiere bei der Schalenbildung derselben.

Die überaus zahlreichen Arten der Serpulen finden sich über alle Meere zerstreut und gewähren, wenn sie den Kopftheil hervorstrecken und den Kiemenfächer entfalten, einen sehr anziehenden Anblick. Den meisten Antheil daran haben die meist gelb oder roth oder bunt gefärbten Kiemenfäden. Auch die durchscheinenden Blutgefäße geben liebliche Zeichnungen. Bei einigen ist das Blut grün, bei anderen röthlich oder gelblich, bei noch anderen ist es völlig farblos.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Zweiter Band: Die Niederen Thiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1887., S. 80.
Lizenz:
Kategorien: