6. Sippe: Diporpa

[156] So lebt das Doppelthier auf den Kiemen mehrerer unserer Karpfenarten, z.B. des Blei, des Gründlings, der Elritze. Es blieb zwei Jahrzehnte nach seiner Entdeckung ein unverstandenes Räthsel, bis von Siebold die überraschende Lösung fand. Ihm fiel auf, daß an den Kiemen der Elritze stets noch ein anderer Parasit dem Diplozoon Gesellschaft leistete, ein Wurm, welcher schon früher den Namen Diporpa erhalten hatte. »Bei näherer Vergleichung beider Parasiten stellte es sich bald heraus, daß die einfache Diporpa mit dem doppelten Diplozoon in einer gewissen Beziehung stehen müsse, denn das Mundende mit den beiden seitlichen Saugnäpfen sowohl wie der Darmkanal von Diporpa stimmte mit denselben Theilen von Diplozoon vollkommen überein. Ebenso hatten die beiden am Hinterleibsende der Diporpa angebrachten hornigen Klammerorgane ganz dieselbe Beschaffenheit wie die einzelnen acht Klammerorgane, mit denen Diplozoon an jedem seiner beiden Hinterleibsenden ausgerüstet ist. Der Unterschied beider Thiere besteht, ganz abgesehen von der Doppelleibigkeit des Diplozoon, besonders darin, daß Diporpa keine Spur von Fortpflanzungsorganen enthält, welche Diplozoon in beiden hinteren Leibeshälften erkennen läßt, daß Diporpa stets um vieles kleiner ist als Diplozoon, und endlich, daß Diporpa hinter der Mitte der Bauchfläche an derjenigen Stelle, an welcher die beiden Leiber des Diplozoon verschmolzen sind, einen Saugnapf trägt.«

Die letztere Angabe ist nicht völlig richtig, wie aus den neueren Mittheilungen Zellers hervorgeht. Es gelang diesem Forscher, Diporpen aus den Eiern des Doppelthieres in reinem [156] Wasser zu erziehen und die Vereinigung zweier Diporpen zu beobachten. Das Junge bedarf zu seiner Entwickelung in dem länglichen, mit einem langen Hornfaden versehenen Eie (a) etwa vierzehn Tage. Das Junge, von ungefähr 0,26 Millimeter Länge (b), ist bewimpert und trägt zwei Augen; von Klammerorganen am Hinterende ist nur ein Paar vorhanden. »Die jungen Thierchen, wie sie die Eier verlassen, sind äußerst lebhaft und in rastloser Bewegung, sei es, daß sie nur langsam und behaglich dahin gleiten, oder, was das Gewöhnliche ist, daß sie mit außerordentlicher Schnelligkeit umherschwimmen, vorwärts schießen, umbiegen, in der mannigfachsten Weise sich drehen und wenden, wohl auch völlig überschlagen.


Doppelthier (Diplozoon paradoxum), a Ei, b Larve desselben; c einzeln lebende Diporpa. Vergrößert.
Doppelthier (Diplozoon paradoxum), a Ei, b Larve desselben; c einzeln lebende Diporpa. Vergrößert.

Mitunter scheinen zwar dem bloßen Auge die Thierchen still zu halten, aber auch dann findet man sie, unter dem Mikroskope betrachtet, in Bewegung, indem sie, Kopf und Hinterleib gegen einander gekrümmt, im engsten Kreise mehr oder weniger schnell sich drehen. Häufig kann man beobachten, wie die Thierchen beim Schwimmen ihre beweglichen Angelhäkchen auf die Enden der Stiele umschlagen und längere Zeit über die Seitenwände des Körpers hinaus gestreckt halten.«

Wird den Thierchen keine Gelegenheit geboten, sich auf die Kiemen ihrer Wohnfische anzusetzen, so werden sie nach wenigen Stunden matt und sterben bald, jedenfalls aus Mangel an Nahrung und weil überhaupt die Dauer ihrer Schwärmzeit eine kurze ist. Die Ansiedelung wurde von Zeller nicht direkt beobachtet, doch fand er im Juli und August auf den Kiemen der Pfelle (Phoxinus laevis) oft hundert und mehr Diporpen auf einmal, unter ihnen solche, die eben erst [157] ihren Platz eingenommen haben mußten. Die ausgebildete Diporpa hat eine ungefähr lanzettförmige, abgeplattete Gestalt. Sie trägt auf der Bauchfläche einen kleinen Saugnapf und auf dem Rücken, etwas weiter nach hinten gerückt, eine zapfenförmige Hervorragung. Man hatte bisher geglaubt, die Diporpen legten sich mit ihren Saugnäpfen zur Bildung des Doppelthieres aneinander; Zeller hat aber gezeigt, daß jedes Individuum mit seinem Saugnapfe den Rückenzapfen des anderen umfaßt. Diese Vereinigung tritt jedoch oft erst nach Wochen und Monaten ein, während welcher die einzelnen Diporpen, gleich dem Diplozoon, Blut aus den Kiemen saugen. Die einzige auffallende Veränderung der isolirten Diporpen besteht in der Anlage des zweiten, nicht selten auch des dritten Klammerpaares am Hinterende.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Zweiter Band: Die Niederen Thiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1887., S. 156-158.
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