Distomum echinatum

[160] Die wichtigste, in vielen Arten verbreitete Gattung ist das Doppelloch (Distomum). Wir halten uns gleich an eine bestimmte Species, um uns über die Eigenthümlichkeiten der Gattung und die Lebens- und Entwickelungsgeschichte zu orientiren, und nehmen zu diesem Zwecke das Distomum echinatum, welches im geschlechtsreifen Zustande den Darmkanal der Ente, des Sperlings und anderer Vögel bewohnt. Es ist ein Doppelloch, weil es außer dem Mundsaugnapfe (m) am Bauche einen zweiten größeren Saugnapf (s) besitzt. Es hat einen gabeligen Darmkanal (g), und am Hinterende öffnet sich ein Kanal (f), in welchen die beiden großen, seitlichen ausscheidenden Gefäße einmünden.


Doppelloch (Distomum echinatum). A Amme. B Cercarie. C Eingekapselte Larven. Vergrößert.
Doppelloch (Distomum echinatum). A Amme. B Cercarie. C Eingekapselte Larven. Vergrößert.

Den Beinamen des »bestachelten« führt unser Doppelloch, wie der Anblick zeigt, von der Bewaffnung der Kopfkrause. Aber auch der ganze vordere Rumpftheil ist mit Kreisen kleinerer Stacheln besetzt. Alle Doppellöcher und verwandte Gattungen bringen zahlreiche Eier hervor. Wenn diese in dem vorliegenden Falle aus dem Darme der Ente ins Wasser gelangen, so beginnt ihre Entwickelung schnell; es entschlüpft ihnen eine bewimperte Larve, welche sich direkt in das beistehend unter A abgebildete Wesen unter Abwerfen des Wimperkleides umwandelt. Es ist klar, daß dieses aus dem Eie hervorgegangene Thier kein Distomum ist. Der die Mundöffnung tragende Kopf ist durch einen Einschnitt von dem Rumpfe abgesetzt, welcher da, wo ein Paar kegelförmige Hervorragungen sind, unmittelbar in eine Art von Schwanz sich fortsetzt. Mund und Schlund führen in einen blind endigenden einfachen Darm. Dieser Abkömmling des Doppelloches verändert seine Form nicht weiter, wird nie zu dem Thiere umgewandelt, welchem es sein Dasein verdankt. Es ist vielmehr eine eingeschobene Generation, und erst die von ihm zu erzeugende zweite Generation schließt, wenn sie geschlechtsreif wird, den Kreis der Entwickelung. Die Zwischengeneration, die uns eben beschäftigt, hat den Namen Redia bekommen; auch ist für diese Zustände die Benennung »Amme« und »Keimschlauch« angenommen. Sie leben übrigens nicht frei, sondern wandern, indem sie aus dem wimpernden, frei schwimmenden Embryo hervorgehen, an und in den Körper unserer Wasserschnecken. Rasch wachsend, wird ihre Leibeshöhle zur Brutstätte einer neuen Generation sehr auffallender Thierchen, welche den Körper ihrer Erzeugerin, der »Amme«, so ausfüllen, daß unter dem Drucke deren Darmkanal einschrumpft, und daß in manchen Fällen von der Amme nur noch die zu einem langen Sacke, dem »Keimschlauche«, ausgedehnte Haut übrig bleibt.

Diese zweite Generation (B) sucht, sobald sie geboren worden, wieder ins Wasser zu gelangen. An Kopf und Rumpf dem Stachel-Doppelloche ähnlich, unterscheidet sie sich doch wesentlich durch einen sehr beweglichen langen Ruderschwanz, den sie fleißig gebraucht, um während einiger Wochen ihr freies Leben zu genießen. Zahlreiche Formen dieser sogenannten »Cercarien« waren schon vor Jahrzehnten bekannt, ehe man von ihrer Herkunft und der merkwürdigen Umwandlung, zu der sie bestimmt sind, eine Ahnung hatte. Ist ihre Zeit gekommen, so suchen sie dieselben Arten von Weichthieren wieder auf, in denen sie geboren wurden. Sie heften sich mit dem großen Saugnapfe, den sie am Bauche tragen, auf der Haut der Schnecken fest und entledigen sich mit einigen Rucken des Ruderschwanzes, des Symboles ihres beweglicheren Daseins. Ihre Oberfläche schwitzt eine durchsichtige Kapsel aus, und unter dieser, wie unter einem Uhrglase, liegen sie nun zusammengekrümmt. Sie gleichen vollständig dem Distomum echinatum, nur daß die kleinen Stachelchen des Rumpfes und die Fortpflanzungsorgane noch nicht entwickelt sind (C). Wir errathen, was den Schnecken passiren muß, um das Heil der eingekapselten [161] Larven des Stachel-Doppelloches herbeizuführen. Die in den Gewässern nach Nahrung suchenden Vögel, unter ihnen die Ente, verzehren die Schnecken, und nun im Darm des warmblütigen Thieres kommt binnen wenigen Tagen die Entwickelung der unfreiwillig eingewanderten Doppellöcher zum Abschluß.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Zweiter Band: Die Niederen Thiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1887., S. 160-162.
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