9. Sippe: Feuerleiber (Pyrosoma)

[416] An die zusammengesetzten und festsitzenden Ascidien reiht sich die stockbildende Sippe der Feuerleiber (Pyrosoma) an. Die Individuen sind der Art vereinigt, daß der gemeinsame Körper einen oft mehrere Zoll langen freischwimmenden, gallertigen, hohlen, an einem Ende geschlossenen Cylinder bildet, welcher äußerlich höckerig erscheint. Kiemen- und Afteröffnung sind einander, wie bei den Salpen, der nächsten Ordnung, entgegengesetzt, indem die Athemhöhlen der einzelnen Thierchen nach außen, die Kloaken in die Höhlung des gemeinschaftlichen Cylinders münden. Nach der Beschaffenheit der Kiemenhöhle und überhaupt der Lagerung der Organe verhalten sich die Feuerleiber trotz ihrer so abweichenden Erscheinung und Lebensweise doch mehr wie die Ascidien. Der Name dieser Thiere besagt, daß sie bei der großartigen Erscheinung des Meerleuchtens eine hervorragende Rolle spielen. Ein älterer englischer Beobachter berichtet über das Schauspiel, das er am 11. Oktober unter vier Grad südlicher Breite und achtzehn Grad westlicher Länge hatte. Das Schiff segelte sehr schnell, und dennoch sah man die ganze Nacht das Leuchten und konnte fast bei jedem Netzzuge die Feuerleiber bekommen. Das Leuchten rührte nur von zahlreichen kleinen braunen Theilchen in der Körpersubstanz her. Schnitt man das Pyrosoma auf, so zerstreuten sich die braunen Theilchen im Wasser und erschienen als zahlreiche Funken. Man braucht, heißt es weiter, auch nicht den ganzen Leib zu reiben, um Licht zu bekommen, sondern nur einen kleinen Theil zu berühren, dann glüht das Ganze durch und durch. Auch ergab sich, daß die nicht leuchtenden Exemplare im Süßwasser schnell wieder zu leuchten begannen, und zwar bis zu ihrem erst nach mehreren Stunden eintretenden Tode. Verstümmelte und dem Tode nahe Thiere, welche im Meerwasser auf keinen Reiz mehr durch Aufleuchten Antwort gaben, flammten im süßen Wasser sogleich wieder auf. Ausführlicher sind die Mittheilungen des Weltumseglers Meyen über die Lichterscheinung der Pyrosomen. Das Licht ist sehr lebhaft und von grünlichblauer Farbe, von dem Lichte aller übrigen leuchtenden Thiere auffallend verschieden. Eingefangen und in einem großen Gefäße mit Wasser schwimmend, leuchten sie nicht, beginnen aber sofort zu leuchten, wenn man sie berührt. Das Licht tritt zuerst an einem dunkeln, fast kegelförmigen Körper im Inneren eines jeden einzelnen Thieres als ganz feine Funken hervor, die einige Augenblicke vereinzelt bleiben, dann aber in einander überfließen, so daß nun der ganze Thierstock leuchtet. Faßt man eine Pyrosoma an beiden Enden, so treten die Lichtfunken zuerst an den Enden auf und erscheinen zuletzt in der Mitte. Ebenso wie das Leuchten beginnt, erlischt es auch wieder, es löst sich in leuchtende Punkte auf, die endlich verschwinden. Bewegung des Wassers ruft das Leuchten hervor; ist die Lebenskraft des Thierstockes im Erlöschen, so sind schon stärkere Reize erforderlich. Im Widerspruche mit den[416] Angaben Bennetts, die wir oben anführten, sagt aber Meyen, daß, wenn man vom Pyrosoma ein Stückchen abbricht, nicht nur in diesem augenblicklich das Leuchten aufhöre, sondern daß es nun auch am übrigen Thiere von der Bauchfläche schnell nach dem anderen Ende abnehme. Von einem Ausströmen der leuchtenden Substanztheilchen hat er nichts gesehen.

Uebereinstimmend ist aber der Eindruck, den das prächtige Schauspiel auf alle Beobachter machte, welche die Thiere bald mit glühenden Kugeln, bald mit weißglühenden Eisenstäben verglichen. Es reiht sich an jene anderen unvergeßlichen Anschauungen, wel che der Ocean dem Weltumsegler zuführt.


Leuchtorgane von Pyrosoma.
Leuchtorgane von Pyrosoma.

Eine befriedigende Erklärung des Leuchtens der Feuerwalzen hat uns erst Panceri gegeben. Wir wissen nun, daß bei jedem Individuum des Pyrosoma-Stockes das Leuchten von zwei Zellenhaufen ausgeht, welche nicht, wie die früheren Beobachter meinten, die Eierstöcke des Thieres sind, sondern eben die Leuchtorgane. Ihre Lage ist in der Umrißzeichnung ersichtlich. 1 gibt das offene Ende des Stockes in natürlicher Größe. Die älteren Individuen sind mit rüsselförmigen Verlängerungen am Vorderende versehen. 2 ist die Höhlung des Cylinders, o in 2 die Eingangsmündung eines Individuums, o1 die beiden ganz oberflächlich liegenden Leuchtdrüsen in der Nähe des Nervenknotens. Die leuchtenden Punkte, welche von einer gereizten Stelle der Kolonie aus allmählich sich über den ganzen Feuerzapfen blicken lassen, sind alle zu zählen und betrugen bei einem acht Centimeter langen und vier Centimeter im Durchmesser habenden Pyrosoma sechstausendundvierhundert, da sich die Anzahl der mikroskopischen Thiere auf dreitausendundzweihundert berechnete. Es ist Panceri aber noch nicht vollständig gelungen, die Art der Fortpflanzung des Leuchtreizes von einem Thiere auf die benachbarten und so über die ganze Kolonie festzustellen. Wahrscheinlich sind die Nerven im Spiele, welche zu den Muskeln gehen, wodurch die Individuen mit einander verbunden sind.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Zweiter Band: Die Niederen Thiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1887., S. 416-417.
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