Gemeine Bäumchenschnecke (Dendronotus arborescens)

[315] Unter ihnen zeichnet sich Dendronotus durch die symmetrisch geordneten baumförmigen Anhänge aus. Die weit verbreitete gemeine Bäumchenschnecke (D. arborescens) ist eine der schönsten Nacktschnecken. Sie erreicht eine Länge von fast 31/2 Centimeter und macht sich auch durch die fleischrothe Grundfarbe leicht bemerklich. Ihr Körper ist sehr schlank, nach hinten allmählich zugespitzt. Ihre größte Zierde sind aber die Bäumchen, deren ein Halbkreis von sieben bis neun nahe über dem Vorderrande des Kopfes und fünf bis sechs Paare längs des Rückens stehen. Auch die Fühler haben einen sich verzweigenden Stamm, in welchen sie zurückgezogen werden können. Der Fuß ist schmäler als der Rücken und beim Kriechen auf ebenem Boden vorn gerade abgestutzt. Seine Seitenkanten ziehen sich oft so eng aneinander, daß er als ein scharfer Kiel erscheint.


Gemeine Bäumchenschnecke (Dendronotus arborescens). Vergrößert.
Gemeine Bäumchenschnecke (Dendronotus arborescens). Vergrößert.

Sie zieht das Klettern auf den dünnen Zweigen der Algen dem Kriechen am Boden vor. Oft geht sie bis an die äußerste Spitze des Zweiges hinaus, hebt den freien Vorderkörper in die Höhe und wendet ihn, wie eine Spannraupe, bald nach der einen, bald nach der anderen Seite, um nach einem festen Gegenstande zu suchen, worauf sie ihren Weg fortsetzen kann. Meyer und Möbius sahen die Bäumchenschnecken seltener als andere Nacktkiemer an der Aquarienwand ruhig sitzen. Dann halten sie sich nur mit schmaler Fußleiste fest und lehnen sich mit einer Seite gegen die Wand. Schwimmen sie an der Oberfläche, so nimmt der Fuß bald seine größte Breite an, bald nähern sich dessen Seitenkanten einander und die Sohle bildet eine Furche. Beim Schwimmen hängen die Rückenbäumchen schräg auswärts nach unten; kriecht die Schnecke mit gestrecktem Körper gerade aus, so neigen sie sich leicht hinterwärts; windet sich der Leib, so treten sie nach allen Richtungen auseinander. Unsere Beobachter fassen daher mit Recht den Eindruck, den Form und Bewegungen auf sie machten, dahin zusammen, daß die schlanke Körperform, die zarten, leicht schwankenden Bäumchen auf dem Rücken, die milde Färbung und die leichten anschmiegenden Bewegungen die Bäumchenschnecke zu einem der reizendsten Seethiere machen.

Bei Kiel wurde sie am häufigsten im Winter auf den Bäumen angetroffen, die zur Miesmuschelzucht im inneren Theile der Bucht aufgestellt sind, und sie hielt sich gut in Aquarien, angefüllt mit verfaulenden und frischen Pflanzen. Sie ist aber überhaupt ziemlich gemein an den nordischen Küsten, und ich selbst habe sie an den Färöern gefunden.

Die Angabe des englischen Zoologen Grant, daß Dendronotus arborescens schwache Töne hervorbringe, konnte von den Hamburger Naturforschern nicht bestätigt werden, da jedoch auch über eine andere Nacktschnecke (Aeolis punctata) dieselbe Behauptung vorliegt, so scheint doch etwas an der Sache zu sein. Man vermuthet, daß die harten Mundwerkzeuge diese Töne hervorbringen.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Zweiter Band: Die Niederen Thiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1887., S. 315-316.
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