Gegitterte Fischreuse (Nassa reticulata)

[275] Den Wellhörnern reiht sich die Gattung Fischreuse (Nassa) mit tiefem Ausschnitte am Kanale und faltiger Spindel an. Für uns ist die gegitterte Fischreuse (Nassa reticulata) am wichtigsten, so genannt von dem durch tiefe Längs- und Querfurchen fast regelmäßig genetzten Gehäuse. Ihre Lebensweise ist sehr genau von Meyer und Möbius geschildert. »Die Fischreusen sind Fleischfresser. Wir haben gesehen, daß sie lebendige Seesterne anfielen und sich nicht durch die Krümmungen derselben vertreiben ließen. Wenn Fleisch ins Aquarium geworfen wird, so wittern sie es sehr schnell, denn sie setzen sich in der Nähe und in der Ferne sofort in Bewegung, um es zu suchen. Diejenigen, die nahe an der Oberfläche des Wassers sitzen, wenden sich abwärts; andere, die im Begriffe sind, nach oben zu kriechen, kehren um. Manche heben den Fuß von der Glaswand ab und lassen sich zu Boden fallen. So sind sie mit einem Male der gewitterten Speise ein großes Stück näher gerückt und setzen dann kriechend ihren Weg weiter fort. Diejenigen, die im Schlamme des Bodens verborgen sind, heben den Grund in die Höhe, wühlen sich hervor und kriechen auf das Fleisch los.

Das Organ, mit dem die Fischreusen das Fleisch wittern, scheint das Athemrohr zu sein. Sie strecken es aus und bewegen es nach allen Seiten. Sie gehen nicht geraden Weges auf das Fleisch zu, sondern weichen bald links, bald rechts ab, ja sie wenden zuweilen sogar um, merken aber dann bald, daß sie sich von der gewitterten Speise entfernen, und schlagen den früheren, [275] näherführenden Weg wieder ein. Alle ihre Bewegungen lassen schließen, daß sie nicht durch Lichtreize geleitet werden, sondern durch einen anderen Reiz, der sich wie riechende Substanzen verbreitet und ähnlich wie diese auf ein Sinnesorgan einwirkt. In dem Augenblicke, wo die Schnecke zum erstenmal das Fleisch berührt, fährt eine Zuckung durch die Fühler und das Athemrohr. Der Rüssel, ein hellrother Schlauch, kommt aus dem Munde hervor und bohrt sich in das Fleisch ein. Bald sind alle Fischreusen des ganzen Aquariums in dichtem Gedränge um das Fleisch versammelt. Jede behauptet ihre Stelle, nur die emporgehaltenen Athemrüssel schwanken hin und her.

Zuweilen bedient sich die Fischreuse ihres Fußes, um Nahrung zu ergreifen und festzuhalten. Eine Nassa hatte eben ein Stück Fleisch gefunden, als auch ein Palaemon squilla (ein Garneelenkrebs) hinzukam und dasselbe mit seinen Scheren anfaßte. Da umklammerte es die Masse mit dem Fuße und ließ es nicht wieder los, obgleich Palämon lange dabei blieb und mitfraß.«

Wenn wir oben sagten, daß wahrscheinlich auch bei den anderen Arten von Buccinum die Entwickelung der wenigen Jungen auf Kosten der größeren Menge der Eier vor sich gehe, so wird man darin durch die Wahrnehmung bestärkt, daß dasselbe auch bei anderen Schnecken geschieht.


Eikapseln von Purpura lapillus. Natürliche Größe.
Eikapseln von Purpura lapillus. Natürliche Größe.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Zweiter Band: Die Niederen Thiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1887., S. 275-276.
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