Strombus gigas

[290] Von den Gattungen Strombus und Pterocera, den eigentlichen Flügelschnecken, ist das Thier sehr sonderbar gestaltet. Der Fuß ist fast unter einem rechten Winkel geknickt, etwas zusammengedrückt, am Rande gerundet, sein vorderer Theil kürzer, ausgerandet, der hintere sehr lang, am Ende mit einem beinahe sichelförmigen hornigen Deckel, welcher die Mündung nicht verschließen kann. Wegen der Beschaffenheit des Fußes können die Thiere daher nicht kriechen, sondern sie springen, das heißt sie schieben den hinteren Fußtheil unter den vorderen und schnellen sich dann in die Höhe. Eine sehr anschauliche Beschreibung dieses Organes gibt Rumph. »Es ist ein besonderes Kennzeichen dieses Geschlechtes, daß sie an der Mündung ein langes Beinchen haben, welches der Farbe und der Gestalt nach einem Meeronyx (d.i. Deckel) gleicht. An der äußeren Seite ist es scharf gezackt, unten zugespitzt und oben an einem harten Fleisch, so einem Händchen gleich sieht, befestigt. Hiermit vollbringt das Thier nicht allein seinen Gang und stößt sich damit von einer Stelle zur anderen fort, sondern ficht auch damit, als mit einem Schwerte, meisterlich, und stößt alles, was ihm im Wege ist, damit weg.«


Flügelschnecke (Strombus lentiginosus). Natürliche Größe.
Flügelschnecke (Strombus lentiginosus). Natürliche Größe.

Als er einige seiner sogenannten »Fechter« (Pugiles) mit anderen Schnecken in eine Schüssel legte, wurden diese bald durch die ungestümen Bewegungen der Fechter hinausgeworfen. Er gibt auch an, daß diese bei Amboina gemeine Art von den Eingeborenen zwar gegessen werde, aber bei häufigerem Genusse einen übeln, bockartigen Schweißgeruch verursache. Doch kehren wir zur allgemeinen Beschreibung der Flügelschnecken zurück. Der Kopf trägt zwei dicke, cylindrische Stiele, an deren Enden die meist überaus großen, lebhaft gefärbten Augen sitzen, während die Fühler auf der Innenseite dieser Stiele in Gestalt dünner Fäden entspringen. Zwischen den Augen ist der Kopf in eine lange, nicht zurückziehbare Schnauze verlängert. Der Mantel ist groß, aber sehr dünn und hat meist ein fadenförmiges Anhängsel, welches im oberen Kanale der Schalenmündung liegt.

Das Gehäuse der Strombus-Arten endet unten in einem kurzen Kanal, die Mündung ist linealisch. Die Außenlippe ist gewöhnlich flügelartig ausgedehnt, kann oben in einen Lappen sich verlängern, ist jedoch nie mit langen Fortsätzen oder Fingern versehen. Die sämmtlichen (über sechzig) Arten gehören den tropischen Meeren an. Eine der gemeinsten, , wird so massenhaft aus Westindien gebracht, daß man nicht selten die Gartenbeete damit eingefaßt findet; häufig auch ist sie als Ampel und Blumenvase benutzt. Die Schale erreicht eine Länge von einem Fuß und wird über vier und ein halbes Pfund schwer. Um zu verstehen, wie das Thier trotz dieser Bürde seine hüpfenden Bewegungen auszuführen vermöge, wolle man nicht vergessen, was wir schon einmal bei Gelegenheit der schwer bepanzerten Krebse erinnert, daß die Gewichtsverhältnisse im Wasser sich gänzlich zu Gunsten der sich darin aufhaltenden Lebewesen ändern.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Zweiter Band: Die Niederen Thiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1887., S. 290-291.
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