Gemeine Krabbe (Carcinus maenas)

[11] Auch bei Carcinus, dessen dreilappige, über die Augenhöhlen vorspringende Stirn mit den dünnen fünfzähnigen vorderen Seitenrändern eine Bogenlinie bildet, ist am letzten Fußpaare das letzte Glied stark zusammengedrückt, aber schmal. Eine Art, Carcinus maenas, dürfte die allergemeinste Krabbe der europäischen Meere sein. Nach älteren Angaben wurden von dieser Krabbe vom Venetianischen aus jährlich allein nach Istrien, wo sie als Köder für die Sardellen benutzt wird, jährlich einhundertneununddreißigtausend Fäßchen, jedes zu achtzig Pfund, ausgeführt; achtunddreißigtausend Fäßchen Weibchen mit Eiern, jedes zu siebzig Pfund, und sechsundachtzigtausend Pfund weichschalige – die in Oel gebackenen Molecche sind ein Lieblingsgericht der Venetianer – wurden jährlich in Venedig und auf dem festen Lande als Nahrungsmittel verkauft, und der Gesammterlös soll sich auf eine halbe Million venetianischer Lire belaufen haben. Es liegen mir keine neueren Ausweise vor. Der oben angeführte Schriftsteller sagt: »Vom Anfang des Frühlings bis spät in den Herbst werden alle Valle und Lagunen, selbst die Kanäle der Stadt von vielen Millionen dieser possierlichen Krabben belebt. Nähert man sich ihm, so läuft er mit großer Behendigkeit seitwärts über den nächsten Schlammweg und vergräbt sich plötzlich in denselben. Wird ihm die Flucht unmöglich gemacht, so richtet er sich aufrecht in die Höhe, öffnet die Schere, und schlägt solche mit Geräusch zusammen, bereit, sein Leben so theuer als möglich zu verkaufen. So gesellig er im freien Zustande ist, so kneipen sich doch die Gefangenen in kurzer Zeit fast alle Füße ab. In einem kühlen Zimmer habe ich ihn oft mehrere Tage als Stubenthier herumlaufen lassen, der Sonne ausgesetzt stirbt er aber schnell, so daß dieses das beste Mittel ist, ein Individuum für Sammlungen ohne Verletzung zu tödten.«

[11] Das Vorkommen und die Lebensweise der gemeinen Krabbe an der englischen Küste wird von Bell in folgender Weise geschildert: »Sie ist unzweifelhaft die gemeinste Krabbe unserer Küsten. Man findet sie überall zahlreich. Auf den sandigen Küsten bleibt sie regelmäßig bei der Ebbe zurück, indem sie sich unter Steinen verbirgt und, wenn sie gestört wird, entweder ihr natürliches Schutzdach in der zurückweichenden See eiligst zu gewinnen sucht oder sich hastig in den nassen Sand vergräbt.


Großer Taschenkrebs (Cancer pagurus). Junges Exemplar.
Großer Taschenkrebs (Cancer pagurus). Junges Exemplar.

Sie ist jedoch keineswegs auf die sandigen Gestade beschränkt; oft fängt man sie im Schleppnetze auf ziemlich tiefem Grunde, doch zieht sie jene anderen Lokalitäten vor. Solche Lebensweise verlangt das Vermögen, längere Zeit außer Wasser zu bleiben; und wirklich ist das bei unserer Art der Fall, wenn sie auch nicht gleich den Landkrabben in großer Entfernung von der Küste leben kann. Sie wird von den niedrigen Volksklassen der Küste viel gegessen und wegen ihres feinen und angenehmen Geschmackes auch in großen Mengen auf den Londoner Markt gebracht. Sie nährt sich vorzugsweise vom Rogen der Fische, von Garneelen und anderen Krebsen, geht jedoch auch an todte Fische und überhaupt an thierische Substanz. In der That pflegen die Fischerkinder sie zu fangen, indem sie ein Stück von den Eingeweiden eines Vogels oder Fisches als Köder an einer Leine auswerfen. Die Krabben gehen daran und werden in beträchtlicher Menge herausgezogen.«

Ueber die Art und Weise, wie unsere Krabbe ihre kleine Beute berückt, folgt unten mehr.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Zweiter Band: Die Niederen Thiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1887., S. 11-12.
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