Sapphirina fulgens

[55] Ein Thierchen, welches ganz besonders aus dieser Menge herausgehoben zu werden verdient und sich selbst bemerklich macht, ist das Sapphirkreb schen (Sapphirina fulgens). Sein Körper ist ein flachgedrücktes Oval von etwa 31/3 Millimeter Länge. Obgleich ich dasselbe sehr oft selbst beobachtet habe, will ich doch die schöne Schilderung Gegenbaurs benutzen: »Wenn man«, sagt er, »bei ruhiger See von der Barke aus in die Tiefe spähet, so wird das Auge nicht selten ein Schauspiel [55] gewahr, welches zwar an Großartigkeit von gar vielen Erscheinungen der Meereswelt übertroffen, an Lieblichkeit aber und Reiz von vielleicht nur wenigen erreicht wird. Zahllose Lichtfunken tauchen auf, scheinbar leicht zu erreichen, aber in Wirklichkeit oft noch fadentief unter dem Spiegel. Bald hierher, bald dorthin, höher oder tiefer auch, bewegt sich in kurzen, aber raschen Sätzen jeder einzelne Funke, dessen Farbe bald sapphirblau, bald goldgrün, bald wieder purpurn leuchtet; und dieses wechselvolle Spiel wird noch durch veränderte Intensität erhöht. Ein Meeresleuchten bei hellem Tage! Jede Bewegung bringt eine andere Erscheinung hervor, und jeder Ruderschlag führt die Barke über neue Scharen hin, bis irgend ein Wind die Oberfläche des Meeres kräuselt und zu Wellen erhebt, und das ganze Schauspiel sinkt in die Tiefe«. Gegenbaur, der in Messina beobachtete, fügt hinzu, daß so starkes Leuchten nur an wenigen Tagen im Januar vorkam, sonst spärlich und selten. Ich habe jedoch das ganze volle Schauspiel auch an allen schönen Tagen des März gehabt.


a Weibchen und b Larven von Cyclops. Letztere 150mal vergrößert.
a Weibchen und b Larven von Cyclops. Letztere 150mal vergrößert.

Nur die männliche Sapphirine leuchtet, und zwar ist, wie wir von Gegenbaur erfahren, die den Hautpanzer absondernde Zellenschicht der Sitz der Farbenerscheinung. Das ganze bezaubernde Farbenspiel läßt sich mit dem Mikroskope beobachten, wobei sich ergibt, daß jede Zelle für sich, unabhängig von den Nachbarn, ihre Farben ausstrahlt. »So erscheinen gelbe mitten im Roth, rothe mitten im Blau. Doch kann auch die Erscheinung auf benachbarte Zellen überschreiten; vom Rande einer blauen Zelle geht Blau auf die Nachbarzelle über, die eben noch roth war, und so dehnt sich zuweilen eine Farbe über eine große Strecke aus. Zuweilen tritt plötzlich in einer und derselben Zelle ein farbloser Fleck auf, in der Mitte oder am Rande, größer oder kleiner, während der übrige Theil noch in voller Farbe prangt. Verwandelt man jetzt das durchfallende Licht in auffallendes, so leuchtet der Fleck in vollem Metallglanze, während die übrigen vorher und nachher gefärbten Partien dunkel sind.

Die Zeiträume, innerhalb welcher die Phänomene verlaufen, sind verschieden lang; oft wechselt in einer Sekunde die Farbe dreimal, oft währt eine Farbe mehrere Sekunden lang. Mit dem Tode des Thierchens, wo sich der feinkörnige Inhalt der Leuchtzellen jedesmal gegen die Mitte zusammendrängt, ist die ganze Erscheinung erloschen.« Es geht aus derselben hervor, daß es sich um Reflexion der Lichtstrahlen von jener Körnchenschicht der Zellen handelt, nicht um ein sogenanntes Selbstleuchten. Doch will dieser Gewährsmann nicht behaupten, daß das Sapphirkrebschen nicht auch zu den nächtlichen Leuchtthieren gehöre, zu welchen es von Thompson und Ehrenberg gezählt wird.

Wir sind im Obigen mit einer Reihe familienartiger Gruppen bekannt geworden. Die Bewohner des süßen Wassers wurden früher unter dem Gattungsnamen Cyclops zusammengefaßt, ausgezeichnet durch das einzelne Stirnauge. Die Weibchen tragen gewöhnlich einen oder zwei Eiersäcke an sich. Sie kommen über all im stehenden Wasser vor. Eine vorzugsweise im Meere lebende nahe verwandte Gattung ist Harpacticus. Nach einem englischen Journale hat das »Ausland« den Fund einer sonst im salzigen Wasser lebenden Art dieser Gattung mitgetheilt. Der norwegische Zoolog Sars, der Jüngere, zog aus den tiefsten Theilen eines Binnensees einigen Schlamm mit herauf und fand ihn zu seinem Erstaunen voll von einer Art kleiner rothen Copepoden, in welcher er sogleich die Seespecies Harpacticus chelifer erkannte. Das Vorhandensein dieser Crustacee war ihm so unerwartet, daß er trotz der von ihm ebenfalls gefundenen Süßwasserformen sich durch Kosten des Wassers überzeugen mußte, ob es nicht brackisch sei. Die Analogie mit den von Lovén in den Binnenseen Schwedens entdeckten, mit den hochnordischen Salzwasserformen korrespondirenden Krustern ist augenfällig ein weiterer Beleg, daß eigentliche Meeresbewohner [56] unter gewissen Umständen sich an das Leben im vollständig süßen Wasser gewöhnen können. Der See, in welchem Sars fischte, liegt so nahe an der Küste, daß irgend eine sehr hohe Flut oder ein wüthender Sturm aus Westen seine Becken füllen konnte. Andere Salzwasserspecies mögen wahrscheinlich zu derselben Zeit in den See geführt worden und allmählich zu Grunde gegangen sein, als das Wasser sei nen Salzgehalt verlor, während sich dieser kleine Copepode, ohne sich anatomisch zu verändern, den neuen Verhältnissen akkommodirte.

Wir erwähnen noch die Gattung Notodelphys, deren Arten, ohne eigentliche Schmarotzer zu sein, im Mantel und der Kiemenhöhle der Ascidien sich aufhalten, einer in der Folge näher zu beschreibenden Gruppe der Weichthiere.

Quelle:
Brehms Thierleben. Allgemeine Kunde des Thierreichs, Neunter Band, Vierte Abtheilung: Wirbellose Thiere, Zweiter Band: Die Niederen Thiere. Leipzig: Verlag des Bibliographischen Instituts, 1887., S. 55-57.
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